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Zirkus Probst - Tour 2005
www.zirkusprobst.com ; 25 Showfotos

Hof, 30. August 2005: „Willkommen in einer anderen Welt!“, hieß es jahrelang bei Sarrasani. Wer wirklich eine andere Circuswelt sucht, der wird aber eher beim Zirkus Probst aus Ostdeutschland fündig. 15 Jahre nach der deutschen Einheit führt uns das Unternehmen vor: Dieses Land ist zweigeteilt; die Geschmäcker und Erwartungen sind nach wie vor verschieden. Und das ist nicht abfällig oder böse gemeint. Schon beim Blick hinter die Kulissen auf dem Volksfestplatz im oberfränkischen Hof – Probst ist auf Stippvisite im Westen – erwartet uns die erste Überraschung: gepflegte Wagen in einheitlichem, blau-weißem Gewand, die Tierschau mit nagelneuen Tigerwagen und -freigehegen, das stattliche Zelt, nicht zuletzt die blitzsauberen Toiletten: Wie „Probst“ dasteht, das ist vorbildlich.

Die zweite Überraschung: Die teuerste Eintrittskarte kostet 22, mit Ermäßigungskarte 17 Euro; Kinder haben in Begleitung eines Erwachsenen abends freien Eintritt. Die dritte Überraschung: In der Restauration kann man satt werden, ohne hinterher arm zu sein: Die Bockwurst kostet 1,50 Euro, die Portion Pommes einen Euro. Die größte Überraschung, der eigentliche „Kulturschock“ ist dann aber das Programm. Irgendwie ist alles anders – volkstümlich, schrill, knallbunt, durch und durch familientauglich. Das kleine Orchester spielt im Prinzip reichlich simple Musik, aber solche mit Mitklatsch-Garantie. Soll das Theaterpublikum doch ins Theater gehen! Es dauert fast bis zur Pause, um sich auf das Treiben einzustellen. Dann aber ist klar: Mann, ist das ein Spaß.


Rüdiger und Mercedes Probst

Zum Beispiel die Haustier-Revue: neun Ziegen und ein Schaf, Wildschwein, Hausschwein, vier Hängebauch-Schweine, ein Kampfhuhn, sieben winzige Masken-Schweine, vorgeführt von „Hänsel und Gretel“ sowie Mercedes Probst als Märchenhexe, mit herrlich übertriebener Mimik, Grinsen bis hinter die Ohren und wilder Gestik. Mehr Overacting und eigenwillig-rauher Charme geht nicht. Der Höhepunkt der Nummer: Zehn Gänse folgen (mit ein bisschem gutem Zureden...) zwei „Verkehrs-Schildern“: die weißen Tiere nach rechts, die schwarzen nach links, und dann husch-husch in den Probst-Transportwagen im Modellformat.   Viele Nummern wollen Geschichten erzählen: etwa bei den „spanischen Impressionen“ im zweiten Programmteil, einer Mixtur aus Pferdetheater mit sechs berittenen Andalusiern, zwei Ponys, ein paar Flamenco-Schritten, Elementen aus Freiheitsdressuren, aber – wider Erwarten – keinem einzigen Schritt aus der Hohen Schule. Dazu spielt das Orchester, was sonst, „E viva Espana“, und Mercedes Probst dirigiert das bunte Treiben von einem Podest in der Mitte aus. Wohl die Höchstleistung: bis zu vier Tiere vom entfernten Podest aus zum Steigen zu animieren, ohne direkt bei ihnen zu sein. Auch das Exoten-Tableau mit Kamelen und Lamas, Elanantilopen und Zebras – vorgeführt von Rüdiger Probst, der später auch souverän neun stattliche Tiger dirigiert – erhält zusätzlichen Pep, und zwar durch drei Akrobaten, von denen einer zum Beispiel – vom Trampolin aus – über vier Kamele springt. Das ist Probst: ein Zirkus, der Bilder schafft, bodenständig zwar, aber mit ganz viel Mühe und Liebe zum Detail. Und der sein Programm als Ensemble-Leistung verkauft: Zum Beispiel, weil der Ansager in der Exotennummer zum Akrobaten wird, weil Handstandartist Christoph nebenbei auch noch während der „spanischen Impressionen“ tanzt und reitet.


Truppe Alexandros, Gin Tonic

Und weil die zehnköpfige Truppe Alexandros gleich drei Auftritte hat: Vier der Artisten eröffnen das Programm mit Tempojonglage, darunter etwa ein Passing zum Zwei-Mann-Hoch; zu sechst sehen wir die Truppe als Ikarier, bei denen drei Untermänner die Flieger „durchreichen“. Die ganze Truppe füllt dann zur Schlussnummer die Manege: das pure Schleuderbrett-Klischee, die „Hopps“ und „Hoys“, das Getänzel, das Pfeifen, die Musik. Und natürlich (fast) alle Tricks, die zu einer solchen Nummer dazugehören, bis zum Fünf-Mann-Hoch mit Stange als Hilfe. Was gibt es sonst zu sehen? Mercedes Probst mit sechs Schecken und 20 Ponys in ihrer „Pferderevue“, das völlig schrille Clownsduo „Gin Tonic“, bei dem die Kinder im Zelt vor Begeisterung fast abheben, Doppelmoderation mit Marko Morling als seriösem Part und Regine Wohlfahrt als überdrehtem Disco-Girl und ein Zopfhang von Jessica aus Costa Rica als einzige Luft-Darbietung.

Fazit: Familientauglicher – von den Preisen bis zur Programmgestaltung – kann ein Großcircus nicht sein. Und wer sich auf das Spektakel einlässt, der hat richtig Spaß dabei.

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Text: Markus Moll; Fotos: Sven Rindfleisch