Die zweite Überraschung: Die
teuerste Eintrittskarte kostet 22, mit
Ermäßigungskarte 17 Euro; Kinder haben in
Begleitung eines Erwachsenen abends freien
Eintritt. Die dritte Überraschung: In der
Restauration kann man satt werden, ohne hinterher
arm zu sein: Die Bockwurst kostet 1,50 Euro, die
Portion Pommes einen Euro. Die größte
Überraschung, der eigentliche
Kulturschock ist dann aber das
Programm. Irgendwie ist alles anders
volkstümlich, schrill, knallbunt, durch und
durch familientauglich. Das kleine Orchester
spielt im Prinzip reichlich simple Musik, aber
solche mit Mitklatsch-Garantie. Soll das
Theaterpublikum doch ins Theater gehen! Es dauert
fast bis zur Pause, um sich auf das Treiben
einzustellen. Dann aber ist klar: Mann, ist das
ein Spaß.
Rüdiger und
Mercedes Probst
Zum Beispiel die Haustier-Revue:
neun Ziegen und ein Schaf, Wildschwein,
Hausschwein, vier Hängebauch-Schweine, ein
Kampfhuhn, sieben winzige Masken-Schweine,
vorgeführt von Hänsel und Gretel
sowie Mercedes Probst als Märchenhexe, mit
herrlich übertriebener Mimik, Grinsen bis hinter
die Ohren und wilder Gestik. Mehr Overacting
und eigenwillig-rauher Charme geht nicht. Der
Höhepunkt der Nummer: Zehn Gänse folgen (mit
ein bisschem gutem Zureden...) zwei
Verkehrs-Schildern: die weißen Tiere
nach rechts, die schwarzen nach links, und dann
husch-husch in den Probst-Transportwagen im
Modellformat. Viele Nummern wollen
Geschichten erzählen: etwa bei den
spanischen Impressionen im zweiten
Programmteil, einer Mixtur aus Pferdetheater mit
sechs berittenen Andalusiern, zwei Ponys, ein
paar Flamenco-Schritten, Elementen aus
Freiheitsdressuren, aber wider Erwarten
keinem einzigen Schritt aus der Hohen
Schule. Dazu spielt das Orchester, was sonst,
E viva Espana, und Mercedes Probst
dirigiert das bunte Treiben von einem Podest in
der Mitte aus. Wohl die Höchstleistung: bis zu
vier Tiere vom entfernten Podest aus zum Steigen
zu animieren, ohne direkt bei ihnen zu sein. Auch
das Exoten-Tableau mit Kamelen und Lamas,
Elanantilopen und Zebras vorgeführt von
Rüdiger Probst, der später auch souverän neun
stattliche Tiger dirigiert erhält
zusätzlichen Pep, und zwar durch drei Akrobaten,
von denen einer zum Beispiel vom Trampolin
aus über vier Kamele springt. Das ist
Probst: ein Zirkus, der Bilder schafft,
bodenständig zwar, aber mit ganz viel Mühe und
Liebe zum Detail. Und der sein Programm als
Ensemble-Leistung verkauft: Zum Beispiel, weil
der Ansager in der Exotennummer zum Akrobaten
wird, weil Handstandartist Christoph nebenbei
auch noch während der spanischen
Impressionen tanzt und reitet.
Truppe Alexandros, Gin
Tonic
Und weil die zehnköpfige Truppe
Alexandros gleich drei Auftritte hat: Vier der
Artisten eröffnen das Programm mit
Tempojonglage, darunter etwa ein Passing zum
Zwei-Mann-Hoch; zu sechst sehen wir die Truppe
als Ikarier, bei denen drei Untermänner die
Flieger durchreichen. Die ganze
Truppe füllt dann zur Schlussnummer die Manege:
das pure Schleuderbrett-Klischee, die
Hopps und Hoys, das
Getänzel, das Pfeifen, die Musik. Und natürlich
(fast) alle Tricks, die zu einer solchen Nummer
dazugehören, bis zum Fünf-Mann-Hoch mit Stange
als Hilfe. Was gibt es sonst zu sehen?
Mercedes Probst mit sechs Schecken und 20 Ponys
in ihrer Pferderevue, das völlig
schrille Clownsduo Gin Tonic, bei dem
die Kinder im Zelt vor Begeisterung fast abheben,
Doppelmoderation mit Marko Morling als seriösem
Part und Regine Wohlfahrt als überdrehtem
Disco-Girl und ein Zopfhang von Jessica aus Costa
Rica als einzige Luft-Darbietung.
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