CHPITEAU.DE

Circus Roncalli - Tour 2005
www.roncalli.de ; 25 Showfotos

Frankfurt, 8. Oktober 2005: Obwohl Bernhard Pauls Circus Roncalli erst im nächsten Jahr seinen 30. Geburtstag feiert, scheint es fast so, als habe man schon mit dem aktuellen Programm „Zwischen gestern und morgen“ versucht, eine Show mit all den Zutaten zu zaubern, die über die Jahre Roncalli zum Markenzeichen gemacht haben. Im wohl schönsten Circusambiente Deutschlands zeigen originelle Artisten ihre spektakulären Künste, zelebrieren klassische als auch ungewöhnliche Clowns ihre Späße und präsentieren ausgewählte Tierlehrer ihre ästhetischen Darbietungen.

Dazu kommen tolles Licht, phantasievolle Inszenierungsideen und eine mitreißend aufspielende Live-Kapelle. Die zusammen auch Roncalli 2005 wieder zu einem einmaligen Erlebnis machen.Inszenatorisch erlebt man allerdings zwei sehr unterschiedliche Hälften. Während nach der Pause mit Poesie und Melancholie, die Stilmittel im Vordergrund stehen, die das Unternehmen groß gemacht haben, geht es in Hälfte eins rasant und urkomisch zu.


Duo Sorella, Konstantin Mouraviev, Gruppenjonglage

Schon die erste Nummer, Vanessa Rodriguez’ Antipodenspiele, lässt dank temporeicher Musikbegleitung den Funken aufs Publikum überspringen. Und fortan wird jede Nummer, egal ob Sarah Houckes Araberfreiheit oder Mrs. Kais Deckenlauf, frenetisch beklatscht. Endgültig nicht mehr zu halten ist das Publikum dann beim gleichzeitig ausdrucks- und leistungsstarken Duo-Trapez der Sorellas. Roncalli wäre aber nicht Roncalli, wenn nicht auch solch eine Höchstleistungsdarbietung zu toppen wäre. Und so ist es Manolo Alvarez und Company überlassen mit einer urkomischen und hinreißend überdrehten Gruppenjonglage das Publikum völlig euphorisch in die Pause zu schicken. Wer so wie ich hoffte, dass es nach der Pause genauso temporeich und humorvoll weiterginge, wurde leider etwas enttäuscht. Denn nachdem die faszinierend schnelle Hand-auf-Hand-Nummer der Curatola Brothers, sowie Konstantin Mouravievs humorvolle Rhönrad-Einlage die Hoffnung auf temporeichen Spaß auch nach der Pause nährten, zog die Roncalli-Regie anschließend die Handbremse. Ohne freilich an Qualität einzubüßen. Wie auch? Bei Weltklassenummern a la Jacqueline Alvarez Klötzchen-Equilibristik oder den Rokashkovs und ihrem Reckballett. Sicher ein Entgegenkommen an das typische Roncalli-Publikum, das nun mal Poesie erwartet. Wie auch die katalanischen Theaterclowns Monti und Cia, die mir ihrer surrealen „Hommage an die Fratellnis“ unter dem Titel „Schmetterling liebt Blume“ dem Programm schließlich vollends den Elan der ersten Hälfte entzogen.


Sandro Roque, Jacqueline Alvarez, Monti und Cia

Trotzdem sind es gerade die Auftritte der Clowns, die der Show die nötige Würze geben. Selbst Monti und Cia machen Spaß, wenn sie es mit dem Surrealen nicht übertreiben. Ihre Parodie auf eine typische Pferdefreiheit im ersten Teil etwa ist hinreißend und auch, wenn Monti zu Beginn der Show die Zuschauer zum Singen eines Chorals animiert hat das was, weil es eben keine clowneske Standardware ist. Absoluter Star der Show ist aber Reprisenclown Sandro Roque: Immer da, immer in Action und vor allem immer komisch! Besonders sein ständiger Zwist mit dem herrlich blasierten Sprechstallmeister Patrick Philadelphia und einer arroganten Dame aus dem Publikum sichern ihm die Sympathie der Zuschauer.

Was bleibt festzuhalten? Wenngleich der Tempowechsel im zweiten Teil des Programms Geschmacksache ist, bleibt Roncalli auch im 29. Jahr seines Bestehens Roncalli. Und somit bleibt weiterhin gültig, was die Zeit einst schrieb: „Roncalli versetzt das Publikum in einen Zustand poetisch geläuterter Fröhlichkeit“.

__________________________________________________________________________
Text und Fotos: Sven Rindfleisch