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Cirque du Soleils "Dralion"
www.cirquedusoleil.com ; 25 Showfotos

Frankfurt, 25. Oktober 2006: Ohrenbetäubender Jubel, minutenlanger Applaus und in vielen Vorstellungen auch stehende Ovationen sind untrügliche Zeichen. Cirque du Soleis „Dralion“ - ein zweistündiges, farbenfrohes Spektakel aus Musik, Komik und Hochleistungsartistik - kommt beim Publikum hervorragend an. Bei aller Euphorie: perfekt ist auch Dralion nicht. Und das, obwohl die artistischen Leistungen wirklich über jeden Zweifel erhaben sind. Der artistische Reigen beginnt mit einer Handstanddarbietung der besonderen Art.

Fünf Minuten zeigt Wang Junru kontorsionistische Figuren im einarmigen Handstand, ohne auch nur einmal abzusetzen. Viktor Kees Jonglage fasziniert durch Ausstrahlung und Präzision. Die Trampolindarbietung unter Einbeziehung einer Steilwand, an der die Künstler auf und ab laufen, ist unbeschreibar. Man muss diesen Wahnsinn, der die Zuschauer zu orkanartigem Beifall animierte, mit eigenen Augen gesehen haben. Ebenso spektakulär das chinesische Doppeltrapez mit atemberaubenden Pirouetten, Salti und Handvoltigen.


Victor Kee, namenlose chinesische Artisten

Nach der Pause geht es mit dem sagenumwobenen Lichterballett weiter: Spitzentanz auf Glühbirnen mit allerlei atemberaubenden Pyramiden. Aber ganz ehrlich: Auf diese Nummer könnte ich verzichten, denn insbesondere für die Unterfrau scheint diese Nummer eine einzige Qual zu sein. Riesigen Spaß machen dagegen die Gruppennummern der übrigen Chinesen: Löwentanz, Reifenspringen und Seilspringen. Für leise Zwischentöne sorgen schließlich Igor Arefiev und Claudel Doucet mit ihrem romantischen Pas de Deux an Seidentüchern. Mehr als fünf akrobatische Nummern gibt es aber auch im zweiten Teil nicht zu sehen. Und hier liegt die Krux: Zwischen den artistischen Darbietungen gibt es für meine Begriffe zu viele Leerlauf-Phasen.

Die technische Umsetzung des Spektakels ist dagegen gleichzeitig perfekt wie verblüffend. Vor allem die verschiedenen Auf- und Abgangsmöglichkeiten der Artisten sind beeindruckend. Selbst unter der Zeltkuppel wurde ein „Artisteneingang“ installiert. Eine gigantische Licht- und Tonanlage ist natürlich Ehrensache. Darüber hinwegtäuschen, dass die Inszenierung bisweilen etwas zu selbst verliebt vor sich hin plätschert, können aber auch diese technischen Gimmicks nicht. Alles dreht sich um die vier Grundelemente Feuer, Wasser, Luft und Erde, die in kunstvollen Kostümen menschliche Gestalt annehmen. Eine wichtige Rolle nimmt auch das Fantasiegeschöpf „Dralion“ ein, das zugleich Dragon und Lion ist und somit westliche und östliche Kultur vereint.

Besonders langatmig, um nicht zu sagen langweilig, nehmen sich aber vor allem die Auftritte – sprich Tanzeinlagen - der Elemente aus. Und wenn dann auch noch in einer seltsamen Fantasiesprache gesungen wird – zugegeben die Musik ist perfekt arrangiert sowie live gespielt und gesungen – ist für mich das erträgliche Maß an Esoterik endgültig überschritten. Gut, dass es die drei schrillen Clowns gibt. Ihre Auftritte sind zwar stellenweise auch viel zu lang und überdreht, ihre hinreißende Parodie auf das sinnlose Getänzel der Elemente aber ein kapitaler Hit. Ähnlich wirkungsvoll das urkomische Geplänkel zwischen Phlilippe Aymard und seinem „Opfer“ aus dem Publikum.

Alles in allem ist „Dralion“ trotz aufgeblähter Esoterik, leicht unterkühltem Perfektionismus und gesalzener Preise ein unvergleichliches, weil einmaliges Erlebnis. Typisch Soleil eben.

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Text und Fotos: Sven Rindfleisch