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Circus Herman Renz - Tour 2006
www.renz.nl

Arnheim, 15. Juli 2006: "Il Circo Classico" - unter diesem Titel steht das diesjährige Programm des Circus Herman Renz. Klassischer Circus bei Herman Renz? Eigentlich nichts besonderes, denn den pflegt dieses große Unternehmen ohnehin: erlesene Tierdressuren, ausgesuchte Artistik und amüsante Clownerie, dargeboten ohne allzu viel unnötigen Schick-Schnack. Das erwartet der Besucher bei Renz und er bekommt es - Jahr für Jahr. Doch 2006 kommt der niederländische Nationalcircus noch traditionsbewusster daher. Da gibt es ein klassisches Pas de deux, ein Clownsentree und Sprechstallmeister Robert Ronday gibt den Circusdirektor mit Zylinder und rotem Frack.

Das Charivari bietet den perfekten Einstieg in den "Circo Classico". Robert Ronday kündigt vollmundig die in der Eröffnungsszene dargebotenen Attraktionen an: einen Kraftmenschen beispielsweise oder einen Magier mit spitzem Hut, eine Zigeunerin, Figuren aus der Commedia del'arte.


Milko, Bruno und Frenky, Michel Jarz, Berkin Bolatov

Dann  geht das Programm weiter mit den Gründungsmitgliedern des Circus der Neuzeit, den Pferden. Acht wunderschöne Schimmel bilden unter der Peitschenführung von Michel Jarz faszinierende Laufformationen und verabschieden sich mit verschiedenen Steigern. Die dritte Saison in Folge bei Renz zu erleben ist Tamara (Weiser). In den vergangenen beiden Jahren erlebten wir sie jeweils mit einer Luftnummer. Dieses Jahr beweist sie ihre Vielseitigkeit mit Antipodenspielen. Doch auch hier verlässt sie recht bald die Trinka in Richtung Kuppel. An einem Seil wird sie nach oben gezogen, während sie auf ihren Armen und Beinen je einen Teppich rotieren lässt. Bravo. Zu einem "richtigen" Circusprogramm gehören Elefanten. Drei Damen dieser Spezies verbringen schon seit vielen Jahren ihre "Sommerferien" bei Herman Renz. Diesmal haben die Dickhäuter von Corty Althoff (vorgeführt von der Familie Donnert) nur einen Kurzauftritt, der überleitet zum Klischnigger Berkin Bolatov aus Kasachstan. Nach allerlei Verbiegungen zwängt er seinen Körper schließlich in einen Glaswürfel. Hausclown Milko, er ist wie Robert Ronday ein Mitglied des Direktionsteams, und Kollege Frenky haben dieses Jahr Unterstützung bekommen. Nach zuletzt sechs Jahren im Saisonprogramm des Circus Krone mit dem Spiegelentree macht Weißclown Bruno (Stutz) jetzt zusammen mit Milko und Frenky "Bonbons für die Kinder". Auch Brunos Frau ist wieder mit von der Partie. Sie darf als "Freiwillige" aus dem Publikum den Hut für die actionreiche Kochshow stiften. Die beiden tollpatschigen "Küchenhilfen" Milko und Frenky sowie der strenge "Küchenchef" Bruno bilden ein grandioses Trio - einfach köstlich. Auch in der nächsten Darbietung ist Bruno dabei. Mit seinem Gesang begleitet er das Pas de deux der Donnerts.


Duo Monastyrski, Flying Neves, Alexander Xelo

Schnelle Kleiderwechsel präsentiert das sympathische Duo Monastyrsky bei seinen Quick Change-Illusionen. Bevor es in die Pause geht, wandern die Blicke des Publikums unter die Circuskuppel. Dort präsentieren die Flying Neves mit südamerikanischem Temperament ihr fliegendes Trapez. Auch wenn der Dreifache an diesem Nachmittag bei beiden Versuchen knapp daneben geht: Die vier Brasilianer (drei Herren, eine Dame) zeigen eine tolle Show, die mit der Passage endet. Nach der Pause - wie könnte es in einem klassischen Circusprogramm anders sein - ist der Raubtierkäfig aufgebaut. Bevölkert wird er von acht Löwinnen und Löwen. Unter Anleitung von Yvonne und Knut Muderack zeigen sie ihr abwechslungsreiches Repertoire. Dazu tragen die deutschen Tierlehrer rote Livrees, im Käfig hängen Porträts der beiden Dompteure, und nach der Nummer gibt es Medaillen für die wackeren Helden. Nicht unbekannt, aber perfekt passend zum "Circo Classico". Rasant geht es weiter mit Alexander Xelo. Bis zu vier Diabolos hält der jugendliche Artist gleichzeitig in Bewegung. Das Auge kann kaum folgen, so irrwitzig sind seine Tricks. Eine Darbietung, die mich immer wieder fasziniert.


Duo Seguras, Zugaben, Familie Donnert

Aus Ungarn kommt die Familie Donnert mit Reiterspielen. Dabei zeigen sie u.a. das "Zwei-Mann-Hoch" auf dem Pferd. Völlig zu recht als Schlussnummer platziert ist das Duo Seguras. Was diese beiden Spanier auf dem Gebiet der Equilibristik zeigen, ist schlichtweg phänomenal. Zwischen den Darbietungen tauchen immer wieder Milko und Frenky auf. Ihre Späßen sind zum größten Teil nicht neu, doch sie werden hier auf eigenständige, sympathische Weise präsentiert. Auch beim Finale sind sie natürlich ganz vorne mit dabei. Während Robert Ronday ein Lied singt, stellt er nebenbei alle Mitwirkenden noch einmal namentlich vor, während diese nach und nach in die Manege kommen. Auch das exzellente Orchester und die hervorragende Lichtregie werden gewürdigt. Das Publikum feiert die Künstler und diese bedanken sich mit  zahlreichen Zugaben.

Und dann heißt es hinaus aus der Welt des "Circo Classico", hinein in das Leben außerhalb des Circuszauns. Was bleibt? Das Wissen, dass der klassische Circus eine höchst lebendige Form der Unterhaltung sein kann. Man muss ihn nur so zeigen, wie das bei Herman Renz der Fall ist. So schön kann Circus sein! Danke für eines der wundervollsten Circusprogramme, die ich bislang erleben durfte. Ich werde wiederkommen. Jahr für Jahr.

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Text und Fotos: Stefan Gierisch