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Metz, 18. November
2006: C est vachement
bien!- einen wahnsinnig guten
Circus verheißt das aktuelle Motto dieses
Unternehmens. Ein wenig verloren wirkt der
mittelgroße Circus an einem trüb verregneten
Tag auf dem riesigen Platz im Messegelände von
Metz. Gut zwei Dutzend roter Sattelzüge und
Anhänger, sie tragen den Circusnamen in weiß
auf blauem Grund, sind um Chapiteau und den
geräumigen Stall gruppiert. Einige Campings
vervollständigen die Szenerie. Der Sattelzug mit
der Kasse, er begann seine Karriere vor einigen
Jahrzehnten offensichtlich als Schießbude, ein
weiterer Zug und ein kurzer Zierzaun bilden die
Front. |
Anfang Mai hatte man ein neues großes Chapiteau von 68 x 44, dessen vier Masten längs
in einer Reihe angeordnet sind, eingeweiht Es
wurde bereits nach wenigen Tagen von einem Sturm
total zerstört. So reist man also wieder mit
einem alten runden roten Viermaster von ca. 28 m
Durchmesser. Das wieder neu erstandene Chapiteau
wird nun erstmals zum Weihnachtsgastspiel in
Paris aufgebaut. Der äußere Eindruck und
auch die Musikberieselung während des Einlasses,
der Hoch- und Deutschmeistermarsch, Gladiatoren-
und Circus Renzmarsch und ähnliche bilden das
Repertoire, lassen auf einen eher
durchschnittlichen Circusgenuss in einem
mittelgroßen Circus schließen - doch sehen wir
weiter.
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Direktor André-Joseph, er ist 1973 geboren und seine Schwester
Sabrina sind Mitglieder der sechsten Generation der
traditionsreichen Bouglione
Dynastie. Zusammen mit Ehefrau Sandrine, eine
Tochter des Dompteurs Daniel Suskov, sind sie
laut Pressetext, die jüngste Circusdirektion
Europas. Sie legen sehr großen Wert wird auf die
Programmgestaltung. Gelungene Übergänge, stimmige Reprisen und
ungewohnte Zusammenstellungen machen aus den einzelnen Nummern eine
kurzweilige Komposition einer kompletten durchgängigen Show in der
nichts aufgesetzt oder gekünstelt wirkt. |
Eine hervorragende Lichtregie, die ohne jede Materialschlacht
auskommt, trägt sehr zur gelungenen Umsetzung des Konzeptes bei.
Eine ganz besondere Erwähnung, weil ganz besonders, verdient die
Musik in diesem Circus. Die absolut circusuntypische Auswahl wird als Konserve von
einer sehr guten Anlage eingespielt, trägt sehr
zur besonderen Atmosphäre bei. Verheißungsvolle
Klänge - so, genau so muss es vor einhundert und
mehr Jahren geklungen haben, als die
Straßenparade der Komödianten um die Ecke biegt
und die Straße heraufzieht um die Bewohner des
Ortes zum Besuch der Vorstellung zu animieren.
Dieses Bild drängt sich auf durch die Gestaltung
des Charivari der Truppe. Es geht nahtlos über
in eine abwechslungsreiche Gruppenjonglage.
Keulen, Reifen, Feuerkeulen und Meteore wirbeln
durch die Luft, während die Lamas dirigiert vom
etwa zehnjährigen André-Daniel Bouglione die
Szene umrunden.
Ist es ein zufälliges
Zusammentreffen, oder ist sich die Direktion des
Mozartjahres bewusst? Wie dem auch sei, die
meisten Kostüme und Musikstücke in diesem
Programm führen auf höchst stimmige Art und
Weise zu dieser Assoziation. Eine kurze
Voltigereiterei wird vom Clown
gestört und führt nahtlos weiter zu
einigen Großillusionen der Familie Bouglione.
Der Chef des Hauses präsentiert ein Groß
und Klein, dem seine Frau eine Freiheit von
je drei Kamelen und Araberhengsten folgen lässt.
Sämtliche Dressurnummern werden perfekt
präsentiert. Die Tiere beherrschen ihr
Repertoire, dass sie willig und harmonisch
zeigen. Die Trickfolgen der zahlreichen
Dressurgruppen sind vielfältig und
unterschiedlich, die einzelnen Nummern perfekt
einstudiert, ohne Längen und werden charmant und
souverän vorgeführt. Sehr gute Clownerie zeigen Clermont Pithan aus Brasilien und Tony Flores
aus Südafrika. |
Dunja und Sergej Sidorenko-Vartanova
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Im Habitus mehr Komiker denn
Clown bringen sie zahlreiche bekannte Reprisen, teils gemeinsam,
teils alleine. Insgesamt viermal mit
Unterstützung eines Zuschauers, der hier als
echter Mitspieler eingesetzt wird und nicht als
Opfer, auf dessen Kosten die Späße
gemacht werden. Noch während des Glockenspiels
der Clowns kündigen die vier Ochsen, die Sandrine Bouglione vorstellt, mit ihren
Kuhglocken den nahenden Auftritt an.Zum Tango
bitten Dunja und Sergej Sidorenko-Vartanova
zunächst in der Manege und dann auf dem Seil.
Der Rhythmus wechselt zu Salsa und mit einem
Rückwärtssalto krönt Sergej die Darbietung.
Fünf Tiger folgen André Bouglione zu den
Klängen eines Flötenkonzerts in die Manege. Die
gefällige Folge geläufiger Tricks wird ruhig
ohne Effektheischerei gezeigt, die Schönheit der
Tiere unterstrichen durch ein Menuett.
Feuersprung und Steiger krönen den Auftritt. Die
Direktion reitet eine doppelte Hohe Schule. Eine
zehnköpfige Gänseschar umrundet lautstark die
Manege und überlässt der daran anschließenden
Esel- Lamafreiheit des Juniors das Feld. Den
Kontrapunkt im Programm, in glitzerndem Outfit
zum Sound einer harten E-Gitarre und schneller
Beats, setzt Tony Flores. Er entpuppt sich als
talentierter Jongleur, der vier große Bälle,
Keulen und bis zu neun Ringe schnell und sicher
beherrscht. Der anschließende Auftritt der fünf
Araber-Schimmel unter Leitung von Sandrine
Bouglione ist sehr schön inszeniert und eine
perfekt präsentierte Freiheit. |
Die
Eröffnungsmusik erklingt, die Parade der
Komödianten kehrt zurück und eröffnet ein
kurzes Finale in dem die Mitwirkenden einzeln
vorgestellt werden. Ein liebevoll und ideenreich
gestaltetes, gut zweistündiges Programm, dessen
zauberhafte Atmosphäre besonders durch Licht und
die wirklich herausragende Musikauswahl
entscheidend geprägt wird, entlässt die
zahlreichen sehr zufriedenen Besucher in die raue
Wirklichkeit des heraufziehenden tristen
Novemberabends. |
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Text und Fotos: Friedrich Klawiter
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