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Suhr, 11. Juni
2006: Wer kennt ihn nicht, den wunderbaren Film „Die fabelhafte Welt
der Amelie“? Ein zauberhaft verspielter Film, der Frankreich mit
fantastischer Bildsprache, verträumter Kaffeehausmusik und höchst
sympathischen Darstellern zum Mekka der Romantik stilisiert, dabei
aber nie ins Kitschige abdriftet. „Piazza Monti“, das aktuelle
Programm des Schweizer Circus Monti, wirkt wie eine Fortsetzung des
französischen Publikumserfolgs in der Manege. Sehr französisch, sehr
musikalisch und sehr sehr charmant. |
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Finale, Darie Chouinard-Moisan und Yannick Blackburn, Madeleine
Prevost-Lemire
In
zweimonatigen Probearbeiten entwickelte das junge Team aus Artisten,
Musikern und Clowns unter der Leitung von Didi Sommer (Comedia Zap)
ein bezauberndes artistisches Kammerspiel. Im Zentrum steht dabei die
mediterrane „Piazza Monti“, auf der das Leben pulsiert. Die Idee, die
artistischen Nummern in eine solche Szenerie einzubinden, ist nicht
neu, bemerkenswerter Weise gelingt es dem Monti-Team aber, diese Idee
konsequent bis zum Ende durchzuhalten. So verliert Darie
Chouinard-Moisan gleich zu Beginn im Getümmel ihr Taschentuch. Nach
mehreren vergeblichen Anläufen gelingt es dem Finder Yannick Blackburn
endlich, im Rahmen eines sinnlichen Trapez-Aktes das Taschentuch
zurückzugeben. Oder nehmen wir Madeleine Prevost-Lemire: Sie vollführt
ihre Drahtseilkünste auf einer oberirdischen Telefonleitung. Und das
Finale ist ein Dorffest samt Tanz um den Maibaum.
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Victor und Kati |
Die
Qualität der artistischen Nummern schwankt dabei von durchschnittlich
bis herausragend. Darauf kommt es bei Monti allerdings überhaupt nicht
an, da alle Artisten das gewisse Etwas haben. Stärkste Nummer im
Programm ist sicher die umwerfend komische Hand-auf-Hand-Akrobatik von
Victor und Kati. Er hünenhaft, sie süß und zierlich, vollführen sie
packende Artistik: So fängt Victor seine Partnerin gleich zweimal
unabgefedert in seinem Nacken auf. Bemerkenswert auch die mit
Bodenakrobatik kombinierte Partnerjonglage von Mario Muntwyler mit
seinem Vater Johannes, seines Zeichens Zirkusdirektor. Gemeinsam mit
seinem Bruder Tobias führt Mario auch die hauseigenen Ziegen vor und
lässt die gelehrigen Tiere die Schulbank der Dorfschule drücken. |
Muntwylers |
Ensemble-Szene,
Finale, Cécile Steck und Didi Sommer
Einen ganz eigenen, aber
höchst komischen Stil haben auch die Clowns der „Piazza Monti“, Didi
Sommer und Cécile Steck. Sie strotzen vor Spielfreude und abgefahrenen
Ideen. Wenn die beiden etwa mit ihrem Geier Zwiesprache halten, dann
quietschen nicht nur die Kinder vor Vergnügen. Überhaupt versprüht
„Piazza Monti“ eine unglaubliche Lebensfreude und verzichtet auf all
zu viel einschläfernde Poetik. Die große furiose Gruppennummer vor der
Pause etwa macht einfach Spaß – noch nie habe ich eine
Menschenpyramide so elegant zusammenstürzen sehen. Und vor allem wird
hier deutlich: Monti ist Teamwork. Teamwork, der allen Beteiligten
sichtlich Spaß macht. Darüber hinaus beweist Monti, dass auch eine
Human Beatbox (Brian Bronkar Lee) und ein akrobatischer Feuerteufel
(Simon Chaban) eine Circusshow ungemein bereichern können. |
Klar, Puristen werden über die sehr theaterhafte
Inszenierung und den Verzicht auf exotische Tiere die Nase rümpfen,
vielleicht sogar Monti die Berechtigung absprechen wollen, die
Bezeichnung Circus zu führen – trotz der nostalgischen Circuswagen
-, wer aber die Vielfalt der circensischen Kunst zu schätzen weiß,
der findet in Monti ein liebenswertes Kleinod. Ein Kleinod, das im
Herzen berührt und deshalb vielen großen Shows mit ihren
spektakulären Attraktionen eine Nasenspitze voraus ist.
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Text und Fotos: Sven Rindfleisch
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