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Circus Barum - Tour 2007
www.circus-barum.de

Fulda, 29. April: "Prickelnd und berauschend wie ein gutes Glas Champagner", so hat Gerd Siemoneit-Barum einmal die Nummern charakterisiert, die er für seine Programme bevorzugt. Treffender kann man den typischen Barum-Stil kaum beschreiben: Sympathische Artisten mit Persönlichkeit, das große Orchester und natürlich immer wieder die starken Tierdressuren in einer spritzigen Show ohne Füller. So habe ich den Circus Barum stets geschätzt, fast schon verehrt. In den letzten Jahren nun traten statt engagierter Artisten verstärkt Mitglieder der Direktionsfamilie auf.

Barum wurde seiner eigenen Maxime immer weniger gerecht. Vor einem Jahr verließ ich zum ersten Mal richtig enttäuscht das weiße Chapiteau. Für 2007 nun kündigte das Haus Siemoneit an, mehr Wert auf Inszenierung zu legen, im zweiten Teil gar eine durchgehende Show zu bieten und mit Petit GouGou einen "Star" im Programm zu haben. In der Hoffnung, wieder einen Barum zu erleben, wie ich ihn die ganzen Jahre geschätzt habe, fuhr ich Ende April nach Fulda.

Der erste Eindruck passt. Das neue strahlend weiße Chapiteau macht einen blendenden Eindruck, wenngleich ein Vorzelt fehlt. Viele Circusbesucher aller Altersklassen bahnen sich ihren Weg ins Zeltinnere, um auf den Schalensitzen des neuen Gradins Platz zu nehmen. In der Manege sind Petit GouGou und Maximilian Siemoneit-Barum bereits im warm up-Dialog mit dem Publikum. Wie von Barum gewohnt, gehört der eigentliche Auftakt dem Orchester unter der Leitung von Kazmierz Bilan, welches jetzt wieder aus zwölf Personen besteht. Rebecca Siemoneit-Barum erscheint, um ihr "großes und kleines Publikum zu begrüßen" und die Manege für die erste Tierdarbietung freizugeben. Ignat Ignatov hat seine Jockey-Pferde abgegeben, ist dem Circus aber als neuer Hausdresseur erhalten geblieben. Wie im Vorjahr Sandro Montez, präsentiert Ignatov zunächst vier Lamas sowie anschließend den 12er Zug brauner und weißer Araber. Der Tierlehrer versteht es, sich und die Tiere gut zu verkaufen.


Duo Grigorescu, Les Saits

Nachdem Petit GouGou das Thema Pferdedressur auf seine Weise aufgegriffen hat, gibt es Probleme mit dem Licht, die sodann Pierre Bauer per auf den Pick up montierten schwankenden Masten beseitigt. Das Duo Grigorescu überzeugt mehr durch Musikalität als durch Witz. Die Fülle an unterschiedlichen Instrumenten, die Consuella aus ihrem Umhang holt um auf Ihnen zu spielen verblüfft. Die Art der Präsentation könnte lebendiger sein. Weitaus spritziger kommen Les Saits mit ihrer gegenüber dem Vorjahr veränderten Comedy-Magie rüber. Zu Charleston-Melodien zeigen die drei Nachwuchszauberer zwar keine Star-Illusionen, doch bringen sie ihre Tricks sympathisch rüber, nie ohne ein Augenzwinkern. Herrlich, wenn Maximilian Siemoneit-Barum und David Paschke ihre Partnerin Rosita in vier Kisten "verpacken" und sich partout nicht mehr an die richtige "Zusammensetzung" erinnern können. Mittels "trial and error" kommen sie schließlich zum Ziel. Die Minipferde werden jetzt von Rebecca Siemoneit-Barum vorgeführt. Diese Dressur geht über in ihre Hunderevue - eine sinnvolle Zusammenstellung.


Petit GouGou, Andrea Ayala, Mirko und Krzysztof

Petit GouGou und David gehen sodann auf Schmetterlingsjagd. Als sich Petit GouGou nach deren Ende auf der Piste niederlässt schwebt ein Prachtexemplar dieser Spezies durch die Luft. Andrea Ayala lässt sich, ein wehendes Tuch in den Händen, an den Haaren unter die Kuppel ziehen. Während ihrer Zopfhang -Kür erleben wir sie als Jongleuse mit Ringen und Fackeln. Nach einer weiteren Reprise bringt Ignat Ignatov vier Zebras in einer Freiheit und einem 8er-Zug Kamele in die Manege. Ein Guanako überspringt die liegenden Kamele und natürlich hat auch Barum-Maskottchen Tsavo seinen Auftritt. Selbstverständlich lässt es sich Jockeyreiter Ignatov nicht nehmen, eine Runde auf dem Nashorn zu drehen. Die Nummer vor der Pause gehört den Polen Mirko und Krzysztof auf dem Todesrad. Das Trickrepertoire ist beachtlich, die Art ihrer Präsentation - insbesondere die Kostüme - allerdings von gestern.


Dainel Raffo, Ensemble

Erwartungsgemäß eröffnet eine Raubtierdarbietung den zweiten Teil. Mit Daniel Raffo als neuem Mann im Zentralkäfig hat die Direktion einen guten Griff gemacht. Neun Tiger zeigen ein abwechslungsreiches Repertoire u.a. mit Hochsitzern, einem Fächer und diversen Steigern. Schon während des Abbaus beginnt der Programmteil "Zwischen Balkan und Orient". Der Käfig wird in einen Schwertkampf einbezogen, Petit GouGou unterhält das Publikum auf dem Gradin mit kleinen Kabinettstückchen. In der Manege versuchen er und seine Partner sich als Schlangenbeschwörer. Sodann erscheint Ignat Ignatov zu Pferd um anschließend kurz einige Dromedare vorzuführen. Im folgenden Umzug reitet Rosita Berosini stehend auf einem Kamel, auf einem Wagen zeigt eine Artistin Kunststücke am Reck. Außerdem dabei, diverse Figuranten, wie etwa die gesamte Familie Siemoneit-Barum junior.


Anatoli Zhukov,

Alle Mitwirkenden sind in orientalische Gewänder gekleidet, die Musik ist passend dazu ausgewählt. Die Idee, mit einem übergeordneten Thema ein zusammenhängendes Schaubild zu gestalten, ist sicherlich reizvoll. Die Umsetzung ist in diesem Fall leider wenig überzeugend. Es gibt einzelne Ideen, ein durchgehendes Konzept wird hingegen vermisst. Es geschieht wenig, das das Hinschauen wirklich lohnt. Die Kostüme sind zwar thematisch passend, aber recht konventionell. Schwächen bei der Beleuchtung tun ihr Übriges. Wirklich faszinierend sind die Künste von Anatoli Zhukov. Ganz gleich, ob der Fakir Unmengen von Wasser speit, sich seiner Fesseln aus Ketten entledigt oder riesige Feuersäulen spuckt, diese Darbietung lässt Staunen.


Rebecca Simoneit-Barum, Finale

Vor dem Finale singt Rebecca Siemoneit-Barum Ausschnitte aus zwei Circusliedern, bevor das gesamte Ensemble zum originell gestalteten Finale in die Manege kommt. Darin wird das orientalische Motiv beim gemeinsamen Tanz aller Mitwirkenden wieder aufgegriffen. Der endgültige Abschied gehört Petit GouGou, wenn er mit gepacktem Koffer von dannen zieht.

Insgesamt hat mir Barum anno 2007 deutlich besser gefallen als die letztjährige Show. Vor allen Dingen im ersten Teil kam über weite Strecken wieder das typische Barum-Feeling auf. Die Übergänge sind fließender, die Show hat ein ordentliches Tempo, die einzelnen Darbietungen kommen sympathisch rüber, wenngleich die meisten von ihnen für sich genommen nicht die Barum-Qualität vergangener Tage erreichen. Enorm unterstützt wird die Gesamtwirkung durch das Orchester und die gute Musikauswahl. Die Beleuchtung hingegen ist ausbaufähig. Der "Star" Petit GouGou wird während der Vorstellung nicht als solcher herausgestellt. Er übernimmt den Part des Reprisenclowns. Eine Rolle, die er gemeinsam mit seinen Partnern hervorragend ausfüllt. Um das eingangs zitierte Bild aufzugreifen: Es "blubbert" wieder bei Barum. Bis zum Champagnerprickeln ist es aber noch ein gutes Stück Weg. Möge Barum ihn gehen.

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Text: Stefan Gierisch; Fotos: Stefan Gierisch, Sven Rindfleisch