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Circus Fliegenpilz - Tour 2007
Mongolischer Staatscircus

 Bielefeld, 18. Mai 2007: "Mongolischer Staatscircus"? "Circus Fliegenpilz"? Die Circusplakate, die das Bielefelder Straßenbild bereichern, verkünden beides - Ort und Zeitraum des Gastspiels sind jeweils identisch. Auf dem Festplatz Johannisberg angekommen, stehen dort das bekannte rote Chapiteau mit den weißen Punkten (kleinere Variante) sowie Circuswagen im vertrauten Fliegenpilz-Design. Vor dem Aufgang ins Zelt wird man wiederum von jungen Damen in traditionellen asiatischen Gewändern begrüßt und ins Innere gebeten, wo den erfahrenen Besucher wieder das von Fliegenpilz vertraute Ambiente erwartet.

Im Programm dann Tierdressuren der Familie Hölscher, Clowns aus Russland und Artisten aus der Mongolei. Genau um dieses Programm soll es hier gehen. Informationen zum aktuellen Zustand des Unternehmens werden bewusst ausgeblendet. Es wären ohnehin zumeist Spekulationen.


Boutique, Beatrix Hölscher, Mongolisches Ensemble

Zu den vertrauten Fliegenpilz-Gesichtern gehört jenes von Eugeniusz Kawalec. Zusammen mit fünf weiteren Musikern bestreitet er den Auftakt und die weitere Begleitung des Programms, sofern das 12-köpfige mongolische Ensemble nicht auf Bandmusik setzt. So wie dies bei den Handvoltigen der Fall ist. In folkloristischen Kostümen, eingebettet in eine kleine Choreographie mit Trommeln, werden die Flieger bis hin zum Drei-Mann-Hoch durch die Luft geschleudert. Nach diesem wirbelnden Start übernimmt Beatrix Hölscher mit den Thüringer Kaltblütern die Manege. Eine Solodarbietung am Luftring schließt sich an, bevor die russischen Clowns  ihren ersten Auftritt haben. Vater und Sohn beziehen das Publikum in ihr Spiel mit Hüten ein. Die beiden sind sympathisch und mit Spaß dabei, sodass das Zuschauen eine Freude ist. Sollte in der Kategorie Clownerie selbstverständlich sein, ist aber heutzutage leider nicht immer der Fall. Aus dem Tableau von Bauernhoftieren zeigt Beatrix Hölscher 11 Turopoljer-Schweine. In moderner Aufmachung präsentiert ein junges Duo sein Pas de deux am Boden. Der Reprisenclown erscheint diesmal mit Partnerin, welche mit kesser Rothaar-Frisur den fröhlich-frechen Part gibt und die Zeitung halten darf, die mit der Peitsche in kleine Schnipsel zerteilt wird. Auf Landgang befinden sich jene Tauben, die jahrelang ihre Runden im "Seerosenboot" gedreht haben. Beatrix Hölscher zeigt mit ihnen - begleitet von einem Kakadu - die bekannten Tricks im UV-Licht. Hula Hoops in peppiger Aufmachung entspricht nicht unbedingt den Erwartungen an ein mongolisches Artistenprogramm. Umso positiver ist die Überraschung, hier eine solche Darbietung zu erleben. Die junge Artistin lässt schwungvoll jede Menge Reifen um ihren Körper kreisen. Im Gegensatz zu den meisten anderen artistischen Nummern erklingt hier Livemusik, wodurch die für dieses Genre typische mitreißende Wirkung vollends entfaltet wird. Nach einer kurzen Hula Hoop-Reprise ist der erste Teil beendet.


Beatrix Hölscher, Mongolisches Ensemble

Nach der Pause geht es trocken weiter. Der in den vergangenen 15 Jahren unter dem Tupfen-Chapiteau gezeigte "Circus unter Wasser" pausiert. Stattdessen bekommt zu Beginn des zweiten Programmteils ein anderes Element seinen Platz: Das Feuer. Geschluckt und gespuckt wird es von einem Fakir aus der Mongolentruppe, der von vier Assistentinnen sehr stimmungsvoll begleitet wird. Nicht nur auf einem Nagelbrett lässt er sich nieder, sondern auch auf einem in Rundform zusammengelegten Sägeblatt. Ebenfalls originell ist sein Schlusstrick. Während unter seinem Rücken Scherben liegen, stapeln sich auf seinem Körper mehrere Personen. Quasi in einer Einzelfreiheit präsentiert Beatrix Hölscher die Flusspferddame Elsbeth, welche für eine Karotte gerne die Zähne zeigt. Noch einmal geht es an den Luftring. Diesmal mit einem Duo. Die Tricks sind komplett verschieden zur Darbietung im ersten Teil, so dass diese vermeintliche Dopplung nicht zu einen "schon gesehen"-Effekt führt. Die beiden Kontorsionistinnen sorgen für eine weitere Überraschung der mongolischen Art. Nicht traditionell, sondern mit Rastazöpfen und in chiquen roten Outfits zeigen Sie ihre sehenswerten Verbiegungskünste zu Livemusik. In kompletter Besetzung zu dritt erscheinen die Clowns ein weiteres Mal. Frau und Sohn unterstützen das Familienoberhaupt bei seiner Kraftjonglage. Tierdarbietung Nummer fünf von und mit Beatrix Hölscher ist die Vorführung zweier Seelöwen, denen die Umstellung vom Wasserbassin auf den Manegenboden besonders schwer gefallen ist, wie Beatrix Hölscher erzählt. Trotzdem sind sie mit Freude bei der Sache und spielen ihr ganzes Showtalent aus. Verstärkt werden sie von einem Pelikan, der durch den Verzicht auf die Wassershow wohl seinen ursprünglichen Job verloren hat. Perfekt ausgewählt ist die Nummer vor dem Finale. Zu acht entfachen die mongolischen Artisten als Seilspringer einen wahren Wirbel. Die Seile kreuzen sich in allen erdenklichen Kombinationen und die menschlichen "Sprungtürme" erreichen bis zu drei Etagen. Die ausgelassene Stimmung überträgt sich auf das Finale, in welchem sich alle Mitwirkenden vom Publikum verabschieden. Ganz beendet ist die Show erst, nachdem die Clowns Sterne unter der Kuppel erstrahlen lassen.

Es ist schon eine ungewöhnliche Zusammenstellung, mit der die Familie Hölscher in diesem Jahr auf Tournee ist . Was auf den ersten Blick recht heterogen erscheint, erweist sich als eine durchaus "runde" Show, zumal die Mongolen in der Aufmachung ihrer verschiedenen Darbietungen geschickt variieren. Praktisch gesehen ergeben sich Bruchstellen nur beim Wechsel von Live- auf Bandmusik  und den teilweise etwas längeren Umbaupausen. Insgesamt eine Show, die sich sehen lassen kann.

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Text und Fotos: Stefan Gierisch