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Signau, 1.
September 2007: Der Circus Harlekin ist ein kleiner feiner Circus, den die
Primarlehrerin Monika Aegerter und der Kaufmann Peter Pichler
vor 15 Jahren ins Leben gerufen haben. Ihn nun
aber in der Rubrik “klein aber fein” vorzustellen, würde diesem
Unternehmen nicht gerecht werden, da es sich nicht um einen „Kleincircus”
hiesiger Prägung handelt. |
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Der kleine, blitzsaubere
blau/rote Viermaster, ergänzt mit einem passenden Vorzelt,
schmuckem Frontzaun und eingerahmt vom gepflegten rot/weißen
Fuhrpark wirkt auf den zumeist Wiesenplätzen und vor den
Bergpanoramen der Dörfer und Städtchen des Berner Mittel- und
Oberlandes wie ein Bilderbuchzirkus. Das Reisegebiet des “Bern
Oberländer Nationalcircus”, beheimatet ist man in Thun, liegt in
der Zentralschweiz. Außer im Heimatkanton kann man den Harlekin
im Wallis, am Neusiedler See, im Fribourger Land oder im
Emmental antreffen. Eigene Tiere besitzt der Circus keine, es
wird für die Saison entsprechend engagiert. Wie in der Schweiz
üblich, wird in jedem Jahr ein komplett neues Programm geboten,
angesichts der fast gleichen jährlichen Route ein normaler
Vorgang. Das Chapiteau bietet in Logen und auf dem 5 reihigen,
davon 3 Reihen mit Schalensitzen, Gradin rund 500 Personen
Platz. Getreu dem Motto “Ambiance und Qualität” wirken Gardine
und Logen in dunkelblauem Stoff mit goldenen Applikationen
festlich.
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Alte Kameraden |
Das sechsköpfige
ukrainische Circusorchester unter der Leitung von Vadym
Kovalchuk trifft den richtigen Ton und sorgt so für eine
schwungvolle und perfekte Begleitung des Programms. Die
diesjährige Produktion wird von einem liebevoll gestalteten
Charivari eingeleitet. Das Zitat aus dem alljährlich aktuellen
Programm beschreibt es treffend: „Die Turner- und
Zirkusgesellschaft beehrt sich, das hochwohllöbliche Publikum zu
begrüßen und das Programm zu eröffnen.” Im Stil „alter
Kameraden” präsentiert sich die Truppe als männliche und
weibliche Sportlerriege. Das Ehepaar
Tkach aus der Ukraine sorgt mit seiner Rola-Rola Darbietung als
Duett Bingo für einen furiosen Start. Nicht alltägliche Tricks
mit komödiantischem Talent präsentiert geben der Nummer ihren
Drive. |
Otilia, Legola, Valery
Tkach
Sohn Valery begeistert im zweiten Teil als Jongleur. Mit
fünf Reifen und verschieden langen Stäben, die auf einem
Mundstab gefangen und balanciert werden, überzeugt er das
Publikum. Eine bulgarisch-ungarische Artistenfamilie ist dreimal
in der Manege zu erleben. Tochter Otilia arbeitet am Luftring
und Mutter Fatime lässt geschickt die Hula-Hoops kreisen. Den
dritten Auftritt hat “Mr. Jumping” mit seinem komischen
Trampolin. Als Pausennummer platziert, entfacht er einen tollen
Wirbel. Auch wenn genrebedingt eine gewisse Affinität zu Ray
Dondy und Don Martinez unverkennbar ist, handelt es sich um eine
gelungene eigenständige Darbietung. Die beiden
diesjährigen Tiernummern kommen von Circus Stey. Peter Pichlers
Tochter Nicole dirigiert vier Palominohengste, denen im zweiten
Teil eine Esel- Lamafreiheit folgt. Wie in jedem Jahr steht die
Direktion als Clownsduo “Les Nicas”, Monika Aegerter als
Weißclown Madame „Nica”
und Peter Pichler ist August „Pedro”,
in der Manege. Alljährlich wechselnde Entrees und Reprisen
werden mit viel Schwung, Spielfreude und eigenständigen
Elementen gebracht. In dieser Saison unterstützt der Schweizer
Allroundartist Legola die beiden in den Entrees. Seine
Großillusionen verkauft er mit einem tüchtigen Schuss Komik
zusammen mit der Schweizer Artistin Katherina, die herrlich eine
“freiwillige“, jüngere, leicht schusselige, überschwänglich
begeisterte, zur Mithilfe gebetene, einheimische Frau aus dem
Publikum verkörpert. Nach der Pause eröffnet Katherina den
zweiten Programmteil mit ihrem Tanz auf dem Seil, in dessen
Verlauf sie ihre Fertigkeiten im Arkodeonspiel unter Beweis
stellt.
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Maria Wolf |
Die Familie
Wolf, zuletzt bei Charles Knie, reist nun in diesem Jahr mit
Harlekin. Maria hat mit ihren Diabolos sehr an Routine gewonnen
und präsentiert sich im Girlie-Stil zu leider ein wenig
nervender, als einzige Nummer, Bandmusik. Die
Ring-Stirnperchenummer der Geschwister kommt hervorragend an.
Den Schlusspunkt setzt dann die Wolf Family mit der trickstarken
Darbietung auf freistehender Leiter. Das Publikum ist restlos
mitgerissen, wenn die Höhe der Kuppel des Harlekin-Chapiteaus
den Schlusstrick gerade noch so zulässt. Ein wenig
Folklore schwingt durchs Zelt, als die Direktion auf Akkordeons
das Finale einleitet; Legola in Älpler-Tracht drei Ziegen kurz
ein paar Tricks zeigen lässt. Die Artisten und Mitarbeiter
werden einzeln vorgestellt und zeigen noch eine kleine Zugabe.
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Als großer Fan des „Kölsche
Karnevals” lässt Peter Pichler oftmals entsprechende Musik im
Programm zu hören und seit Jahren ist bei Harlekin Tradition,
dass die Direktion zum Abschied live singt. Das “Bye Bye my Love” der Bläck Fööss wurde mit eigenem
Text versehen und erklingt, bis sich das Zelt geleert hat. Die
Verbundenheit von Circus und Publikum zeigt sich deutlich, wenn
die beiden Direktoren am Frontzaun die Besucher mit Handschlag
verabschieden und in den meisten Fällen einige persönliche Worte
gewechselt werden.
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Circus Harlekin bietet alljährlich ein liebevoll
zusammengestelltes Programm von gut zwei Stunden Dauer. Die
Freundlichkeit der Direktion, Artisten und Mitarbeiter wirkt
herzlich und hat nichts geschäftsmäßig Aufgesetztes. Alljährlich
ist der Besuch dieses kleinen feinen Schweizer Circus ein fester
Eckpunkt auf der Reise durch die Circuswelt unserer
eidgenössischen Nachbarn. |
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Text und Fotos: Friedrich Klawiter
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