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Philadelphia, 18.
April 2007: Ringling Brothers and Barnum &
Bailey, der Name übt auch nach über 130 Jahren seines Bestehens
eine ganz besondere Faszination auf Circusfreunde weltweit aus.
Auch ich konnte mich nicht dem Drang entziehen, einmal „die
größte Schau der Welt“ live zu erleben. Durch meine räumliche
Nähe zu Philadelphia war es mir vergönnt, am Mittwoch den 18.
April die 137ste Produktion der Roten Einheit zu besuchen. Das
diesjährige Programm „Bellobrations“ steht ganz im Zeichen des
Allroundtalents Bello Nock, der sich mit clownesken Reprisen und
spektakulärer Artistik wie ein roter Faden durch das Programm
zieht. |
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Obwohl das Unternehmen im Laufe
der Jahre viel von seiner ehemaligen Größe verloren hat, bereist
es noch immer mit drei unterschiedlichen Produktionen,
sogenannten Units, die gesamten kontinentalen Vereinigten
Staaten von Amerika. Die Units, gekennzeichnet mit den drei
Farben Blau, Rot und Gold, wechseln alle zwei Jahre ihr Programm
und Gastspielstätten. Während die kleine Goldeinheit mit einem
1-Manegen Programm Kleinstädte bespielt, bereisen die beiden
großen Einheiten Rot und Blau die Sportarenen der großen US
Metropolen. Da die Produktionen alle zwei Jahre ihr Programm
ändern besitzt die Blaue Einheit immer die gerade
Produktionsnummer, während die Rote ständig die ungerade Edition
präsentiert.
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Palazovi |
Die Vorstellung
begann, wie in den USA üblich, mit dem Singen der Nationalhymne
und der Präsentation der US Flagge. Während normalerweise die
Flagge von einer bezaubernden jungen Dame auf dem Rücken eines
Elefanten präsentiert wird, hatte man zu diesem Anlass den
lokalen, weiblichen Pfadfindertrupp eingeladen, der ein wenig
unbeholfen aber dennoch voller Stolz seine Pflicht erfüllte.
Nach dieser patriotischen Einlage zeigte das ungarischen
Artistenduo BMX Extreme (Viktor Bako & Benedek Ezteri) eine
temporeiche BMX Rad Nummer gespickt mit Reprisen der 12-köpfigen
Clowntruppe. Fließend erfolgte der Übergang zur farbenprächtigen
Eröffnungsparade aller Akteure mit dem spektakulären
„Bungeeseilauftritt“ Bello Nocks. Sensationsgeladen ging es mit
der Schleuderbrettnummer der Palazovi Truppe aus Bulgarien
weiter. Neben verschiedenen Kombinationen begeisterten sie das
Publikum vor allem mit ihrer 5 Mann hohen Pyramide. |
Aguilar Brothers,
Tabayara Maluenda
Während die bisherigen Nummern den kompletten
Hallengrund nutzten wurde nun extra für die Dressurnummer des
Ehepaars Schwichtenberg und Tabayara Maluendas drei aufblasbare
Manegen aufgebaut. In einer farblich äußerst harmonischen
Dressur wurden in drei Manegen jeweils eine Zebrafreiheit, und
zwei Pferdefreiheiten mit weißen Arabern, schwarzen Friesen,
Fjordpferden und Pintoschecken gezeigt. Die mexikanischen
Aguilar Brüder mit ihrer waghalsigen Darbietung am doppelten
Hochseil lenkten die Aufmerksamkeit des Publikums in luftige
Höhen, während am abgedunkelten Boden zeitgleich der Aufbau des
Zentralkäfigs vor sich ging. Der chilenische Dompteur Tabayara
Maluenda führte seine weißen und goldenen Tiger temporeich in
bester „Clyde Beatty Manier“vor. Ausgefallenen Tricks in der
Darbietung, inklusive Tigersprung über den auf seinen Händen
stehenden Dompteur, bereicherten die Nummer.
Bello Nock,
Alejandro Vargas Elefanten, Truppe Zunyi
Der Abbau wird von Bello Nock und
Erendira Wallenda an zwei schwankenden Masten nervenaufreibend
überbrückt und gefolgt von einem äußerst ungewöhnlichen Auftritt
aller Akteure inklusive Elefanten, Pferden und Hunden mit
kitschigen „Bello-Plastikperücken“. Nach der Pause erwartete das
Publikum die Truppe Flying Poemas an zwei Fliegenden Trapezen.
Genau wie bei der folgenden, doppelten Hundenummer der Zotovas
und der Olates wusste man nicht wo man hinsehen sollte und hatte
ständig das Gefühl etwas zu verpassen. Der hervorragenden
Kontorsionsnummer der 18 Mann, Frau und leider auch
Kinderstarken Truppe Zunyi aus China folgte einer der absoluten
Höhepunkte des Programms, Ringlings große Elefantenherde. Zehn
Dickhäuter inklusive reitenden Tänzerinnen vorgeführt von
Alejandro Vargas füllten den gesamten Hallengrund und versetzten
das Publikum in Staunen. Anschließend stellte noch einmal Bello
Nock sein artistisches Können auf dem doppelten Todesrad,
zusammen mit Nikolas Wallenda, unter Beweis. Traditionell
beendete die menschliche Kanonenkugel, hier in doppelter
Ausführung des Duos Misers, gefolgt vom großen Finale, das
Programm. |
Obwohl das
Programm, laut amerikanischen Circuskennern, in keiner Relation
zu früheren Aufführungen steht, bietet die 137ste Ausgabe der
„größten Schau der Welt“ noch immer Weltklasse-Unterhaltung mit
Spitzenartistik, guten Tierdressuren und sonst leider immer
seltener werdenden Truppendarbietungen. |
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Text: Marco Kristen; Fotos: Marco Kristen,
RBBB
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