Der
Fuhrpark besteht, wie meist bei größeren französischen
Circussen, aus optisch eindrucksvoll wirkenden neueren
Sattelzügen mit zusätzlichen großen Anhängern. Alle
Fahrzeuge sind einheitlich in rot mit weißen Applikationen
gehalten, viele tragen in gelben Lettern den Schriftzug „Stephane
Zavatta“. Lediglich der Fassaden-Eingangs-Kassenwagen will
nicht so ganz zum dem aufwendigen, sehr neu wirkenden
übrigen Material passen. Er und der abgerissene Frontzaun,
an dem sich kaum noch eine Glühbirne in den Fassungen
findet, stammen wohl unverändert aus einer Periode, als
man noch als Kleincircus über die französischen Dörfer
reiste. Herausragend die vier
Wohnwagen-Konvois der Familie. Herausgeputzte und aufgemotzte Kenworth-Trucks sind mit Wohnaufliegern bzw. Anhängern
kombiniert, die Ausmaße bieten, wie sie andernorts so leicht
nicht noch einmal zu sehen sind. Auszüge über die komplette
Seitenlänge, verchromte Anbauteile und schiere Größe verbreiten
Pracht und Prunk, wie es hierzulande bei keinem Circuswohnwagen
zu sehen ist. Das Tüpfelchen auf dem „i“ ist dann der gestylte
riesige „Hummer Jeep“, der beim Umsetzen von einem zum anderen
Platz in einem geschlossenen Anhänger transportiert wird.
Die Stadt wurde großzügig mit
Plakaten verziert und ständig kreisen mehrere Werbefahrzeuge,
per Marschmusik und Laustsprecherdurchsage ihre Botschaft
verbreitend, durch die Straßen. Wie vielfach bei französischen
Circussen praktiziert, werden Ermäßigungskarten mit der Zusage
„2 Karten bezahlen - die 3. Gratiseintritt“ ausgelegt. Genau mit
diesen Karten verursachten wir den nächsten Eklat an der Kasse.
Die Praxis der Kassiererinnen ist vorsichtig ausgedrückt die
reine Abzocke. Wir waren sechs ausländische Circusbesucher. Die
ersten drei schafften nach gut zehnminütiger Diskussion, dass
die Ermäßigungskarte Gültigkeit erlangte und zur Anwendung kam.
Nach einem Wechsel des Kassenpersonals hatten die anderen drei,
einige Minuten später, weniger Erfolg. Auch die Dolmetscherhilfe
eines weiteren deutschen Circusbesuchers half nicht. Die Zusage
auf Grund der Ermäßigungskarte wurde nicht eingehalten, die
Karte für ungültig und nur im gemeinsamen Besuch mit Kindern für
einsetzbar erklärt. Nach endloser Debatte wurde ein höherer nur
geringfügig ermäßigter Preis gezahlt. Offensichtlich setzt man
darauf, das man durch geringe Sprachkenntnisse nicht richtig
versteht und „unbedingtes hineinwollen“ auf Grund der weiten
Anreise die Forderung nach Zahlung jeden verlangten Betrages
durchsetzbar macht. Bei den einheimischen Besuchern waren diese
Diskussionen nicht zu beobachten. Hat man dann endlich das kleine,
durch einen riesigen Verkaufswagen gut ausgefüllte, Vorzelt, den
anschließenden Tunnel und den äußerst engen Haupteingang
passiert, ist es an der Zeit, das Zeltinnere zu betrachten. Der
Artisteneingang wird von einem Wagen mit kleiner, mit rotem Samt
verhangener, Bühne gebildet, der wohl auch schon viele Jahre zum
Bestand des Circus zählt. Die geschmackvollen, üppig mit rotem
Samt und goldenen Litzen gestalteten Logen kontrastieren
auffallend zu der sehr abgespielten uralten, nur 10cm breiten
Piste, die unzweifelhaft ihren Ursprung in einem komödiantischen
Kleincircus hat. Das unbequeme, viel zu eng bemessene, typische
französische, neunreihige Gradin, natürlich ohne Rückenbretter
und mit rohen Holz-Sitzplanken bestückt, ist nur zu einem
Drittel aufgebaut. Der übrige Raum beherbergt hinter den Logen
noch zwei ebenerdige Reihen alter Klappstühle, sowie die
Requisiten.
Duo Guildony, Cardinali Clowns,
Stephanie Beautor
Auf Grund des reduzierten
Platzangebotes „ausverkauft“ beginnt die Show vor etwa 650
Besuchern mit der Dressur der hauseigenen Tiger. "William Caribelli" bringt je zwei weiße und normalfarbene Tiere in den
kleinen Käfig. Einer der beiden weißen Tiger hat an beiden
Vorderbeinen Geschwülste von mehr als 20cm Durchmesser und große
Probleme beim gehen. Ein Tier in einem solchen Zustand hat in
einer Circusmanege nichts verloren. Caribelli bevorzugt einen
ruhigen, mitunter ziemlich unkonventionell wirkenden
Präsentationsstil. Zahlreiche Tricks, insbesondere
Sprungvariationen - u. a. über den Vorführer hinweg - werden
ausnahmslos in kurzer Distanz zu den Tieren, nur unter
Zuhilfenahme zweier Gerten, gezeigt. In einem zweiten Auftritt
sehen wir den Dompteur zusammen mit seiner Frau als Duo "Guildoy".
Fünf Huskies und ein Chouchou ziehen einen Hundeschlitten in die
Manege. Voller Spielfreude wirbelt die Meute durch die Manege
und zeigt ihr Erlerntes. Nur der „Mambo Nr. 5“ will als
Musikbegleitung nicht so recht zu dieser ein wenig nordisch, im
Eskimolook, gestylten Nummer passen. Generell scheint man ein
großes Faible für heiße Latino-Rhythmen zu haben, fast alle
Auftritte werden mit dieser Art Musik, sie kommt aus der
Konserve, präsentiert. Ein weiteres Mal erleben wir diese
Artisten, nun zusammen mit ihrem Sohn als "Cardinali"
Clown-Familie. Wie oft in französischen Circusprogrammen sind
sie als Schlußnummer platziert. Mit viel Musik und Klamauk
reißen die drei das Publikum nochmals richtig mit.
Truppe Akbar |
Miss Cathy Klissing präsentiert
ihre zahlreichen Abfaller in moderner Choreographie an
Vertikaltüchern. Stephanie Beautour ist die Pferdeflüsterin
dieses Circus. Einem Groß und Klein folgen drei
Tigerschecken Doppelponys. Die Pferde arbeiten alle mit
hohem Tempo und laufen absolut perfekt. Als Truppe Akbar
wird der Exotenzug angekündigt. Drei junge Frauen in
orientalischen Kostümen leiten die Nummer mit ein wenig
Bauchtanz ein. Der „Exotenzug“ ist dann eine
Aneinanderreihung von Einzeldressuren von: ein Kamel, ein
Zebra, ein Lama, zwei Dromedare. Auch diese Tiere
absolvieren ihre Tricks mit hoher Präzision. Noch im
ersten Programmteil darf Elefant Indra, angeleitet von
"Fred Jackson", eine überschaubare Zahl Tricks zeigen.
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Die Pause zieht
sich dann ein wenig in die Länge, es dauert halt bis die
zahlreichen Kinder auf dem Elefantenrücken fotografiert sind.
Das ausgesprochene Fotografierverbot scheint, genau wie die
Ermäßigungskarten, keine allgemeine Gültigkeit zu haben. Es gilt
allem Anschein nach nur für Kamerabesitzer. Gegen die
zahlreichen „Handyfotos“ wird nicht der geringste Bannstrahl
gerichtet. Cardinali jun. hat zwei Auftritte
als Reprisenclown Willi, wobei seine Toreroparodie guten Anklang
findet. Equilibrist Raphael zeigt eine Reihe von Handständen auf
seinem Flaschenstuhl. Abweichend von der sonst üblichen Praxis
türmt er anschließend keine Stühle zu einer hohen Pyramide,
sondern arbeitet sich auf einer fixierten Leiter, die er
mehrfach durch aufstecken von Teilen verlängert, in die Höhe.
Einzige engagierte Artisten dieses Programms sind die Flying
Milla. Zu dritt bieten sie im ersten Teil eine kurze Arbeit auf
dem Trampolin. Direkt nach der Pause zeigen sie zu fünft ihre
bekannte schwungvolle Arbeit am fliegenden Trapez. |
Indra |
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