|
Nijmwegen, 3. Mai 2008:
Nach dem niederländischen
Nationalcircus Herman Renz betreibt Alberto Althoff das
zweitgrößte Circusunternehmen in den Niederlanden. Auf dem
weitläufigen Rasengelände im Stadtpark von Nijmwegen wirkt der
Circus äußerst einladend. Das Material, komplett in weiß und
orange gehalten, strahlt mit der Frühlingssonne um die Wette.
Sattelfahrzeuge und Containern sind um ein hohes Kuppelzelt von
ca. 38 Metern Durchmesser gruppiert. Auf einen Zaun ums Gelände
wird, wie meist in unserem Nachbarland, verzichtet. |
Eigene Tiere hat
der Circus keine, sie werden für die Spielzeiten gemietet. Vor
der Front ist noch ein Todesrad aufgebaut, auf dem Besucher des
„Königinnentages“ - am 30. April war der niederländische
Nationalfeiertag und auf dem Gelände um den Circus fand ein
Volksfest und Flohmarkt statt - sich einmal als Artist
versuchen konnten.
Die Shows bei
Alberto Althoff werden von Ehefrau Katharzyna inszeniert. Das
diesjährige Motto lautet “Wilder Westen” und wird bereits im
Eingangsbereich umgesetzt. Die Restauration wurde im Westernlook
gestaltet, Countrymusic schallt aus den Boxen und die
Mitarbeiter sind als Cowboys bzw. Indianer unterwegs.
Reprisenclown Pepino Lagroni wuselt als “betrunkener Mexikaner”
umher.
Yussuf |
Die
Inszenierung der Vorstellung gerät allerdings recht
eigenwillig, gliedert sie sich doch in drei sehr
unterschiedlich gestaltete Bereiche. Das Wildwest-Thema
wird nur zu Beginn der Vorstellung fortgeführt. Während
aller Darbietungen des “Western Blocks” bevölkern Artisten
und Mitarbeiter in entsprechender Aufmachung die Manege,
sitzen auf der Piste, halten sich vor der Gardine auf. Auf
diese Weise wird, unterstützt durch die passende Musik und
ausgezeichnete Beleuchtung, sehr viel Atmosphäre erzeugt.
Aus dem Charivari der Truppe entwickelt sich die
Kraftjonglage von Youssef. Nun hantiert er im Outfit eines
Schmiedes mit schweren Hämmern, großen Metallkugeln und
balanciert abschließend einen Amboss auf seiner Stirn.
Anschließend präsentiert Alberto Althoff die Kaltblüter
von Fliegenpilz, die ihre Circuskarriere vor vielen Jahren
bei Bernhard Casselly begonnen haben. Die Faltynys mit
ihrer Lasso- und Messerwurfnummer passen natürlich perfekt
ins Thema. |
|
Mit einem kurzen
Finale findet die Western-Inszenierung ihr Ende und die Show
wird nahtlos als klassisches Nummernprogramm fortgeführt. Ein
zweites Mal sehen wir den Direktor in der Manege, diesmal mit
den zehn Schweinen von Fliegenpilz, die kurz ein paar Runden in
Formation laufen. Direkt im Anschluss an eine nett anzusehende
Reprise von Pepino Lagroni versuchen die Di Lello Clowns
Frohsinn zu verbreiten. Nach einigen Blödeleien, auf die man
leicht und locker verzichten könnte, beweisen sie gemeinsam ihre
virtuose Musikalität. Posnas Pudelrevue als dritte und letzte
Tiernummer, ausgestattet mit reich verzierten und komplett
verchromten Requisiten, beschließt trickreich den ersten
Programmteil. |
Di Lello Clowns |
Jiri
Hromadko, Di Lello Clowns, Helandra Faltyny
Dem zweiten
Programmteil hat die Regie den modernen Circus verordnet. Ein
dunkler Holzboden bedeckt die Manege. Flippige moderne Kostüme,
laut hämmernde Beats aus den Boxen und akzentuiertes Licht
erinnern in gewisser Weise an vergangene FlicFlac-Produktionen.
Die Truppe von Alex Ramien sorgt mit ihrer Motorradkugel gleich
für einen stimmigen Start dieses Showblocks. Anschließend
erleben wir Georgo. Hinter diesem Pseudonym verbirgt sich der
sehr junge Diabolojongleur Jiri Hromadko aus Tschechien. Cool,
variantenreich und sehr sicher agiert er mit bis zu drei
Diabolos. Absolut unpassend dagegen die folgende Clownerie der
Di Lellos. Abgesehen davon, dass klassische Clownerie zu dieser
Art Programmgestaltung nicht geht, ist das Gezeigte wirklich
eine Zumutung. Eine Ballettparodie, für die den beiden kein Gag
zu flach und niveaulos ist, wird bis in alle Ewigkeiten gedehnt.
Wenn dann der männliche Part endlich in “Liebestöter Unterhosen”
dasteht und man glaubt das Ganze sei überstanden folgt sogleich
die Ernüchterung und die gnadenlose Fortsetzung der Marter. Ein
nicht enden wollendes Spiegelentree nimmt seinen Beginn und
wieder werden alle nur denkbaren Plattheiten bemüht, ohne auch
nur einen einzigen Zuschauer zu erheitern. Nachdem dieser
Ausrutscher der Regie überstanden wurde, leitet Life-Rap von
Alex Ramien die Jonglage von Helandra Faltyny ein. Charmant
arbeitet sie mit großen Bällen und bis zu fünf Tennisschlägern.
Aus der Vorsaison prolongiert wurden die Kenia Boys. Sie
arbeiten ihre Melange aus Limboshow, Reifenspringen und
Pyramidenbau nun modern gestylt, anstelle der folkloristisch
anmutenden Kostüme. Dramatische Klänge aus den Boxen und
Fackelträger begleiten den Aufbau des Todesrades. Die so
entfachten Erwartungen des Publikums erfüllen die Artisten der
Ramien-Truppe mit ihrem zweiten und abschließenden Auftritt
vollkommen. |
Ein fröhliches, tänzerisch
ansprechend choreographiertes Finale hat Tradition in diesem
Circus und bringt noch einmal alle Akteure in die Manege. Ein
begeistertes Publikum bedankt sich mit Standing Ovations. Einzig
die überlaute Musik beeinträchtigt ein wenig den Genuss dieser
Circusshow. |
__________________________________________________________________________
Text und Fotos: Friedrich Klawiter
|