|
Basel, 14. Juni
2008: Seit der gemeinsamen Produktion mit dem Cirque du Soleil
im Jahr 1992 spielt Knie wieder durchgehend Circus, wie er
typisch ist für den Schweizer Nationalcircus. Hochstehende
artistische Darbietungen gehören ebenso dazu wie ausgesuchte
Clowns – oftmals solche, die eher von den Kleinkunstbühnen als
aus den Circusmanegen bekannt sind – und natürlich die
anspruchsvollen Tierdressuren der Direktionsfamilie. Dazu gibt
es immer ein erstklassiges, großes Circusorchester, ein
ausgefeiltes Lichtdesign und eine Regie, die die Bestandteile zu
einem Ganzen zusammenfügt. |
|
Der Knie-Stil
eben. So ist es auch bei „Bellissimo“, der Produktion 2008, die
viele bekannte Gesichter zurück in die Manege dieses größten
Schweizer Circus bringt. |
Mario Berousek, Duo Nostalgia, Fujian Lasso Groupe
|
So dürfte Mario
Berousek dem Stammpublikum noch in bester Erinnerung sein. Nach
der Ouvertüre durch Orchester und Ballett eröffnet er den
artistischen Part des Programms. Mit seinen Jonglagen im
Hochgeschwindigkeitstempo hat er die Gäste im seit dieser Saison
neuen Chapiteau ebenso blitzschnell im Griff wie seine silbernen
Keulen. Dass er neben seinem Handwerk auch die Show perfekt
beherrscht, versteht sich von selbst. Es verwundert mithin
nicht, dass gleich die erste Nummer mit Taktapplaus gefeiert
wird. Eher introvertiert wirkt dagegen das Duo Nostalgia.
Nichtsdestotrotz präsentieren diese beiden aus der
Borzovi-Truppe hervorgegangenen Artisten ihre Kür am Trapez
sinnlich, flott und mitreißend - gespickt mit vielen Tricks
dieses Genres. War der erste Teil bis dahin von einer heiteren,
temperamentvollen Grundstimmung geprägt, so setzt die
Lasso-Akrobatik der Fujian Lasso Groupe den Kontrapunkt. Die Percussion-Begleitung gibt den Rhythmus der Darbietung vor.
Zugegeben, die Leistungen der Gruppe sind beeindruckend und die
Präsentation von Artistik mit Lassos außerhalb der
„Westernspiele“ in hiesigen Familiencircussen ist sicherlich
innovativ. Weniger begeistert hingegen die strenge, kalte
Choreographie, die nicht zu der bis dahin präsentierten Stimmung
passen mag. |
Geraldine Knie, Maycol Errani, Fredy Knie jun.
|
Zu dieser
beschwingten, positiven Atmosphäre trägt die Musik einen
gewichtigen Teil bei. Sowohl hinsichtlich der Auswahl als auch
was die Umsetzung durch Ruslan Fil und das Knie-Orchester
angeht. Noch lange nach der Tournee mit dem kanadischen Cirque
war die Musik stark von den Soleil-typischen Sounds geprägt.
Diese Zeiten scheinen nun (fast) vorbei. Wunderschön ist
beispielsweise die mitreißende Umsetzung der Hohen Schule von
Geraldine Katharina Knie und ihrem Partner Maycol Errani.
Eingeleitet wird die Reitkunst der beiden von einem feurigen
Zigeunerballett, begleitet sodann von einem Tangopaar in der
Mitte der Manege. Rassig und leidenschaftlich geht es somit
thematisch nach Südamerika. Und das eben auch musikalisch. Eine
Darbietung, die Keinen kalt lässt. Wunderschön anzusehen ist
ebenfalls die Vorführung von Pferden und Trampeltieren durch die
Familie Knie. Zunächst bringt Mary-Jose Knie fünf Friesen
zusammen mit einem schwarzen Pony in die Manege. Fredy Knie jun.
vereint anschließend Friesen, Palominos und Vollblutaraber zu
anspruchsvollen Formationen. Ganz so wie der regelmäßige
Besucher das im Hause Knie erwartet. Gleiches gilt für die
Dressur von sechs wunderschönen Trampeltieren. Die Vorführung
der Ponys obliegt Ivan Frederic Knie, der sich aber an diesem
Abend von seinem Großvater „vertreten lässt“.
|
Franco Knie jun. und Chris Rui
Seinen Auftritt
nicht nehmen lässt sich hingegen Chris Rui Knie, Sohn von Franco
Knie jun. und Linna Knie-Sun. Gemeinsam mit Franco Knie
präsentieren sie im zweiten Teil die sechs Elefanten des
Unternehmens mit einer neu zusammengestellten Auswahl aus dem
großen Repertoire der Dickhäuter. Der jüngste Knie ist mit
passendem Kostüm und Elefantenhacken im XXS-Format voll bei der
Sache. „Höhepunkt“ dürfte für ihn wohl die Fütterung einer
Banane an eine der abliegenden Elefantendamen sein. Der
begeisterte Applaus des Publikums ist ihm auf jeden Falls
sicher. Da die Ungarische Post von Geraldine Katharina Knie nach
wie vor nicht im Programm ist und es in diesem Jahr keine
engagierte Tierdressur gibt, bleibt es leider bei diesen drei
Darbietungen mit Tieren.
Anton Belyakov, Fratelli Errani,
Alexis Brothers
Somit gehört der
Rest der zweiten Hälfte Artisten und Komikern. Anton Belyakov
präsentiert sich, wie auch schon bei seinem ersten
Knie-Gastspiel, als Engel an den Strapaten zur Musik von Pink
Floyd. In einer völlig neuen Aufmachung brillieren die Fratelli
Errani mit ihren preisgekrönten ikarischen Spielen. Durch
feurige Latinomusik (die Kostüme sind passend gewählt) gewinnt
ihre ohnehin schon mitreißende Darbietung weiter an Wirkung.
Diese beiden Entertainer verstehen es nur zu gut, ihr Publikum
zu begeistern, welches die beiden frenetisch feiert. Dabei
ziehen sie alle Register. Natürlich ist auch der Scheinsturz
weiterhin im Repertoire. Das bewundernde Staunen über die schier
unglaublichen Leistungen steht bei den Alexis Brothers im
Vordergrund. Was diese beiden Extremtalente der
Handstand-Akrobatik leisten ist schon phänomenal. Mehr als zehn
Jahre haben sie im Cirque du Soleil gearbeitet, was sich in der
Art ihrer Präsentation – Musik inklusive – deutlich zeigt.
Pavel Boyarinov,
Chaos-Theater Oropax
Kommen wir zu
dritten Säule des Programms, der Komik. In diesem Jahr sind die
Zuschauer aus Deutschland deutlich im Vorteil, denn das
Chaos-Theater Oropax kommt ebenfalls aus diesem Land und spricht
somit Hochdeutsch. Die aus den Vorjahren gewohnten
„Sprachbarrieren“ zum Schwyzerdütsch (Ursus & Nadeschkin, Duo
Fischbach, Viktor Giacobbo etc.) entfallen somit. Was die beiden
Komiker zeigen ist äußerst sehens- aber eben auch hörenswert.
Hauptsächlich setzen sie auf Wortwitz. Ein Mönch ist dabei
meistens im Spiel. Mit einem gewissen Hang zur Übertreibung kann
man ihre letzte Einlage gar als „Sensationsnummer“ bezeichnen.
Einer der beiden Brüder aus Freiburg hängt dabei kopfüber in
einem mit Wasser gefüllten Aquarium – und das ziemlich lange.
Ruhig und liebevoll sind hingegen die beiden Geschichten, die
Clown Pavel Boyarinov erzählt. In der einen spielt er mit einem
Schmetterling, in der anderen mit einem Spielzeugelefanten, der
sich als Hund entpuppt. Er bildet somit den leisen Gegenpol zu
den Sketchen des Duo Oropax. Im Gegensatz zu seinem ersten
Knie-Gastspiel tritt er 2008 ohne Partner auf.
|
Stark vertreten
ist bei „Bellissimo“ die achtköpfige Compagnie. Immer wieder
sind die sechs Damen und zwei Herren im Verlauf des Programms zu
sehen, sowohl im Ensemble als auch solistisch. Natürlich haben
sie auch im Finale ihren Part, bei dem sowohl die Mitwirkenden
als auch das Publikum noch einmal Alles geben. Will heißen, es
gibt zig Zugaben in der Manege und Standing Ovations von den
Rängen. Ganz so wie man das eben von Knie gewohnt ist. In den
donnernden Schlussapplaus mischt sich die Vorfreude auf den
nächstjährigen Besuch im Schweizer Nationalcircus. Knie 2009:
Erneut typisch Knie oder vielleicht doch mal wieder eine
Überraschung?
|
__________________________________________________________________________
Text: Stefan Gierisch; Fotos: Stefan
Gierisch, Sven Rindfleisch
|