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Freyming-Merlebach,
12. Juli 2008: Im Ein-Tages-Rhythmus geht es in diesen Julitagen
für den Cirque Medrano durch Lothringen, selbst kleinste
Ortschaften werden bespielt. Aufbauen, zwei Vorstellungen
spielen, abbauen, umsetzen und wieder aufbauen. Diese für das
gesamte Team sicher mit großen Anstrengungen verbundene
Strategie scheint aufzugehen. Als wir den Circus in
Freyming-Merlebach besuchen, scheint das ganze, 14.000-Einwohner
zählende Städtchen auf den Beinen zu sein. Beide Vorstellungen
an diesem Samstag sind bestens besucht. |
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Was sicher auch
an der hervorragenden Plakatreklame liegt: In Freyming-Merlebach
gibt es fast keinen Laternenpfahl, an dem keine der modern und
ansprechend gestalteten Medrano-Platten hängt. Aber nicht nur
die Werbung, sondern auch das Produkt weiß zu überzeugen: Die
Zuschauer erleben bei Medrano ein zweieinhalbstündiges Programm
klassischer Prägung. Mit durchweg guten Nummern besetzt, fehlt
es „Fantastique“, so der Titel der Show, eigentlich nur an einem
Live-Orchester. Denn auch atmosphärisch ist das Spectacle
gelungen umgesetzt, was nicht zuletzt an Marco Mariani, dem
sympathischen Monsieur Loyal, liegt. Und in Punkto Licht beweist
Medrano, dass man auch mit einer relativ spartanischen
Lichtanlage (vier Lichtkästen, ein Spot) ein Programm
ansprechend in Szene setzen kann.
Carlos Savadra und
Marco Mariani
Das prägende
Gesicht der ersten Hälfte ist Carlos Savadra. Der offenbar in
Frankreich durch die dortige Version der Fernsehshow
„Supertalent“ besonders populäre Tierlehrer ist 2008 als
komischer Stallbursche zu erleben. In dieser Rolle präsentiert
er eine komische Pferdenummer im Zusammenspiel mit einem
Schimmel, welcher als frecher Gegenspieler agiert, am Ende aber
doch Freundschaft mit seinem zweibeinigen Partner schließt. Im
Anschluss dirigiert Savadra sechs schwarz-bunte Kühe zu
Pferdefreiheit-verdächtigen Figuren. Den 6er-Zug Pferde, den
Savadra gewöhnlich ohne Zuhilfenahme einer Peitsche, nur mit
seinen Händen lenkt, bekommen wir an diesem Abend nicht zu
sehen. Dafür begegnet er uns im weiteren Verlauf der Show immer
wieder mit kleinen Zwischenspielen in der Manege. Meist im
Zusammenspiel mit Marco Mariani.
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Rita Labahn |
Gleich
nachdem die beiden das Publikum begrüßt haben und Savadra
eine „Freiheit“ mit lebensgroßen Plüschtieren vorgeführt
hat, gehört die Manege den Exoten des Hauses. Unter der
Peitschenführung von Ahrmed Es-Main Royal zeigen zwei
Friesen, zwei Kamele und ein Esel ihr Können. Royal ist
auch dabei, wenn Rita „Princess“ Labahn die
Medrano-Elefanten vorführt. Die beiden Inder und der
Afrikaner zeigen die
gängigen Tricks. Zusätzlichen Reiz gewinnt die Nummer
durch die sympathische Präsentation von Rita Labahn und
drei männliche Figuranten. |
Flying Regio,
Stephany Chen, Wang Yiang
Im
artistischen Bereich wartet der erste Teil mit den
Antipodenspielen von Stephany Chen, der Strapatenarbeit von Wang
Yiang und dem Flugtrapez der Flying Regio auf. Stephany Chen
erscheint mit einem chinesischen Schirm, welchen sie sodann mit
den Füßen jongliert. Ein Walze, Bälle und ein Feuerkreuz sind
weitere Requisiten ihrer Arbeit welche nahtlos in den
Strapatenakt übergeht, bei dem Chen und Yiang zunächst gemeinsam
in die Luft gehen. Allein zeigt der junge Mann eine kraftvolle
leistungsstarke Arbeit zu einem französischen Chanson. Wie
überhaupt dieser Chinese durch seine offene, dem Publikum
zugewandte Art nicht dem Klischee asiatischer
Hochleistungsartisten entspricht. „Typisch südamerikanisches
Flugtrapez“ – dieses Beschreibung trifft voll und ganz auf die
Flying Regio zu. Die Brasilianer zeigen mit dem ihnen eigenen
Temperament u.a. die Passage und den Dreifachen. Mit ihrem
komischen Taxi in der High Tech-Variante komplettieren die
DiLellos den Programmteil vor der Pause. Neben den üblichen
Macken eines solchen Gefährts dreht sich diese nostalgisch Taxe
auch in rasantem Tempo um die eigene Achse, während die
„ahnungslose“ Kundin auf dem Rücksitz Platz genommen hat.
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Nicht ganz
mithalten mit dem starken ersten Part können die Nummern nach
der Pause. Mit einer ganz und gar unkonventionellen
Raubtierdarbietung ohne Käfig startet dieser zweite Teil.
„Baroness“
Maxy Niedermeyer fährt mit einer Pferdekutsche in die
Manege. Auf dem Ross sitzt ein Tiger, in der Kutsche haben neben
Niedermeyer zwei Braunbären Platz genommen. An einer
Leine geführt zeigt der Tiger den Balkenlauf und Sprünge von
Postament zu Postament sowie über Hürden. Einer der beiden
Braunbären schlägt Purzelbäume und fängt die ihm zugeworfenen
Ringe. Der Eisbär, der eigentlich zur Stammbesetzung gehört,
bleibt an diesem Abend im Käfigwagen. |
Maxy Niedermeyer |
Georges Alexi,
Diorio
Modern ist
die Hula-Hoop-Show von Lisa DiLello, einer jungen, sympathischen Artistin im
Regenbogenoutfit. „Il m’a frappé“ (nicht zu verwechseln mit „Tut
weh“) ist das Erkennungszeichen von Georges Alexis. Der Bruder
von Krones Toni Alexis bringt gemeinsam mit seiner Partnerin und
dem Monsieur Loyal das für das französische Publikum so wichtige
Clownsentree in die Manege. Gespielt wird das Karate-Entree und
natürlich diverse Instrumente. Die Kinder auf dem Gradin und in
den Logen kreischen vor Vergnügen. Schlussnummer sind die „Diorios“,
hier in der Variante mit drei Fahrern in der Motorradkugel. Auch
in der vergleichsweise kleinen Besetzung verfehlt die Nummer
ihre Wirkung nicht und wird vom Publikum gefeiert. |
Monte Carlo-like ist das Finale inszeniert. Alle Mitwirkenden
tragen die Fahne ihres Heimatlandes, dazu wird der monegassische
Circusmarsch gespielt. Dann ist die Show vorbei. Die Zuschauer
verlassen zufrieden das Chapiteau und die Circus-Crew macht sich
auf den Weg in die nächste Gastspielstadt. Schon am folgenden
Nachmittag gibt Medrano im 60 Kilometer entfernten Phalsbourg
die nächste Vorstellung. |
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Text und Fotos: Stefan Gierisch, Sven Rindfleisch
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