CHPITEAU.DE

Piraten, Piraten! - Tour 2008
www.pirates-pirates.com

München, 18. Mai 2008: „Piraten, Piraten! – Die größte Live-Piratenshow der Welt“: Die Werbung von Stardust Circus International für seine neue Artistenproduktion setzt fast ausschließlich auf das Seefahrer-Motto. Der Flyer erwähnt zwar, dass „zahlreiche Acts aus dem großen chinesischen Staatscircus“ zu sehen sind – dass es sich um ein Programm ausschließlich mit chinesischen Artisten aus Wuhan handelt, wird aber nicht geschrieben. Offenbar zieht der Titel „Chinesischer Staatscircus“ allein nicht mehr die Massen. Anlass genug für Stardust, traditionelle chinesische Circus-Disziplinen vom Reifenspringen bis zur Tellerjonglage in eine trendige Verpackung zu hüllen.

Der „Fluch der Karibik“ lässt grüßen. „Pirates, Pirates!“ ist noch bis Sonntag, 15. Juni 2008, täglich außer montags im Winterbau des Circus Krone in München zu sehen. Dann endet die Europa-Tournee, die nach Angaben der Produktionsleiterin Hetty Vermeulen ein großer Erfolg war. Den mageren Zuspruch am Samstag, 18. Mai, erklärte sie plausibel mit dem Fußball-Bundesliga-Finale und Bayerns Meisterfeier am gleichen Abend. Ansonsten soll die Show auch in München sehr erfolgreich laufen.


Hutjonglage - "Gold", Seidentücher - "Traumflug"

Die Pressemappe enthält ein ausführliches Interview, Produzent Henk van der Meyden in den Mund gelegt, das ohne Umschweife die Schwierigkeiten bei der Präsentation chinesischer Artistenprogramme beschreibt: „Bis vor einigen Jahren bestand das Programm des chinesischen Zirkus aus Topnummern, die mit kurzen Unterbrechungen aufeinander folgten. Die Leistungen waren fantastisch, aber solch ein Programm hatte wenig Tempo und die chinesische Musik wurde eintönig. Die Beleuchtung war einfach.“ Der Text beschreibt weiter, wie Stardust mit seinem „westlichen Kreativteam“ jahrelang „hart an der Entwicklung der Präsentation gearbeitet“ hat. Bereits Shows wie „Ying Yang“ und „Hans Christian Andersen“ seien sehr erfolgreich gewesen, den wichtigsten Schritt sehe man aber nun in „Piraten, Piraten!“. Das liege am Tempo, der Ausstattung, der Choreographie, der Musik und den Kostümen – „die Vorstellung ist zu einem schnellen Videoclip mit Spannung, Schönheit und Sensation“ geworden. Was das Unternehmen hier schreibt, ist alles bemerkenswert richtig. Nur: Echte Manegen-Persönlichkeiten, Typen mit Ausstrahlung, die durch Charisma mitreißen – die fehlen nach wie vor. Das liegt natürlich auch an den Nummern selbst: Die allermeisten Darbietungen, die Stardust heuer präsentiert, sind große, raumfüllende Gruppennummern mit vielen Akteuren. Der Star ist das Ensemble, niemand sticht heraus, keiner verzieht eine Miene. Dass chinesische Artisten meist mehr Kunstturner als Entertainer sind, weiß man auch bei Stardust – behauptet aber, die Zeiten seien vorüber, in denen es der „Ausstrahlung der Artisten an Gefühl fehlte“, ihre Darbietungen etwas „Sportliches und Roboterartiges“ gehabt hätten. Stardust meint, die Artisten nun bereits zu „Performern“ gemacht zu haben, die „vollkommen in ihrer Rolle aufgehen“. Naja. Richtig ist immerhin, dass gegen Ende der Piraten-Produktion noch so etwas wie Lebensfreude präsentiert wird: beim „Traumflug“ eines Paares an blauen Seidentüchern samt Kussszene, bei der fabelhaften Schlussnummer "Gold" – Hutjonglage hoch fünfzehn mit nun überschäumend fröhlichem Ensemble ganz in Piratenschatz-Gold – und beim mitreißenden Finale im Technosound, das Stehbeifall geradezu provoziert.


Perche - "Grenzenlos", Schleuderbrett - "Hoch, höher, am höchsten", Reifenspringer - "Die Todespiraten".

Auch wenn bis gegen Ende ein wenig die Seele fehlt, überzeugt „Piraten, Piraten!“ natürlich als ausgefeilt in Szene gesetztes Spektakel mit absoluten Top-Leistungen (und ohne Einsatz von Kindern!): Sprünge durch einen 2,60 Meter hohen Reifen. Artisten, die auf „Weltkugeln“ balancieren und dabei Perchestangen halten, an deren oberen Ende Artisten von Stange zu Stange springen, Salti und Pirouetten schlagen. Und eine Schleuderbrettnummer mit Salti auf zwei Stelzen und auf einer, mit dem Fünf-Mann-Hoch ohne Stange – und mit einem Rückwärtssalto, bei dem ein Artist dem zweiten auf den Schultern sitzt. Der Sensationstrick endet im Vier-Mann-Hoch.


Tellerjonglage - "Schimmernde Wogen", Masten - ""Hoch oben im Mast", Kontorsion/Schalenpagode - "Meeresspiegel"

Die Show wird eröffnet mit Klettern, Springen und Salti schlagen an sechs fest stehenden und später auch schwingenden (Schiffs-)Masten. Es folgen komplizierte Jonglagen mit Diaboli und „Meteoren“, also Seilen mit Tellern als Gewichten an den Enden. Zu berührender Klaviermusik demonstrieren zwei „Meeresnymphen“ Kontorsionen und Schalenbalancen, unter anderem im Mundstand. Kämpferische Szenen, Fahnen- und Trampolinspringen vereint eine Darbietung namens „Rot und Schwarz“. Und in der Luft sehen wir „Fliegende Adler“ in sich kreuzenden Flugbahnen an Bungeeseilen. Für wunderschöne Bilder sorgen schließlich 15 Mädchen, die jeweils acht Teller auf langen Stäben rotieren lassen – ein Meer tanzender Teller füllt die Manege. Zwei Mädchen lassen ihre zusammen 16 Teller auch im Kopf-auf-Kopf weiterdrehen…


"Tausend Hände", Meeresgöttin "Oceana"

Circus im eigentlichen Sinne ist das alles freilich nicht, eher Theater mit artistischen Mitteln – und mit Elementen der Revue. Schließlich sehen wir wundervolle, tänzerische Bilder mit vielen Akteuren in fantastischen Kostümen, zum Beispiel bei der Nummer „Tausend Hände“. „Piraten, Piraten!“ beeindruckt also durch Hochleistungsartistik, perfekte Choreographien rund um das Thema „Piraten und Meer“ und die aufwendige Ausstattung. Ein großer Ring über der Manege, bestückt mit Licht- und Tontechnik, sorgt für ringsum optimale Beschallung und bewusst düsteres, aber vielseitiges und aufwendiges Licht. Nur eines fehlt, wie gesagt, in weiten Teilen der Show: die Ausstrahlung echter Vollblut-Artisten.

__________________________________________________________________________
Text: Markus Moll; Fotos: Tobias Erber