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Sarrasani - Circussterne 2008
www.sarrasani.de

Wiesbaden, 12. April 2008: Dinner-Theater in Dresden, Auftritte als Juror in einer Fernseh-Talentshow, Hallenshows in Wiesbaden und Bamberg, Zeltvermietung, Organisation von Events aller Art und und und… André Sarrasani hat in den vergangenen Jahren viel gemacht, nur Circus im Zelt bot er nicht mehr an – das, wofür der große Name Sarrasani steht. Jetzt tut er es doch wieder: bei nur zwei Gastspielen in Wiesbaden und Düsseldorf. Inmitten der Innenstadt von Wiesbaden, auf dem „Dern’schen Gelände“, wurde das rote Chapiteau aufgebaut.

Ein Tauschgeschäft: Sarrasani stellt für das Festival „European Youth Circus“ im Herbst an gleicher Stelle das Zelt und darf dafür zweimal kostenlos auf dem Innenstadt-Platz gastieren. „Das Winterspektakel“ hieß das Motto beim Wiesbaden-Gastspiel in den Rhein-Main-Hallen vor einem Jahr, nun brachte André Sarrasani für die Zeltproduktion „Circussterne“ mit, begleitet von einer top-professionellen Werbe- und PR-Arbeit im Vorfeld. Was die Schwächen der Hallenshow waren, sind nun die Stärken des neuen Programms. Umgekehrt verhält es sich leider genauso: Was in der Halle gelungen war, ist es im Zelt nicht.


I Baccala, André Sarrasani

Die Rhein-Main-Hallen waren ob ihrer schieren Größe für ein kleines Varieté-Programm schlicht ungeeignet, die Show verlor sich daran. Im kleinen Chapiteau mit 900 Plätzen kommen nun die Darbietungen wieder viel besser zur Geltung, stimmt das Ambiente. War das Programm in der Halle dürftig, hat André Sarrasani nun ein vergleichsweise üppiges Aufgebot zusammengestellt, mit sieben artistischen Darbietungen, zwei Dressurnummern und einer „Human Beatbox“. Dazu ist er – anders als beim „Winterspektakel“ – selbst vor Ort. Der Circus-Chef zeigt einige seiner wirkungsvollen Großillusionen und präsentiert sich dabei als charmanter Showman – wenn er scheinbar eine Glasplatte durchdringt, Assistentinnen mit brennenden Stäben durchbohrt, mühelos die Gedanken einiger Zuschauer errät oder seinen Tiger in einen Käfig und Frauen aus diesem herauszaubert. Wie in der Halle sind auch die fabelhaften Clowns „I Baccala“ dabei. Camilla Pessi und Simone Fassari starten auch hier mit ihrer Apfel-Jonglage und steigern sich bis zum hinreißend lustigen Chaos-Aufstieg aufs Trapez. Kommen wir zu den Schwächen: Während in der Halle die Sarrasani-Band ausnahmslos alle Darbietungen live begleitet hatte, kommt nun die Musik vom Band – und dies auch noch ziemlich leise, weil die Stadt nach Anwohnerprotesten entsprechende Auflagen gemacht hat. Letzteres kann man natürlich nicht dem Circus anlasten, aber dennoch stört es. Und schließlich hatte man sich in der Halle alle Mühe gegeben, das Programm stimmungsvoll in Szene zu setzen; Lloyd Kandin war als singender Weihnachtsengel roter Faden im Programm. Nun wird einfach Nummer an Nummer gereiht, drei Zauber-Assistentinnen versuchen sich als Ballett zur Eröffnung – das war’s.


Hard Nock, Leonid Beljakov, Victor Ponce

André Sarrasani, der bisweilen das Entertainment neu erfunden haben will, präsentiert im Programm „Circussterne“ in erster Linie ganz klassisches Varieté. Den artistischen Auftakt machen die „Hard Nock“, Fredy Nock und Partner Mika, auf dem Hochseil. Vom Schräglauf über das Seilspringen und den Bocksprung über den stehenden Partner bis zum Zwei-Mann-Hoch mit Sprung des Obermannes Fredy auf das Seil reicht das Repertoire, das ohne jede Sicherung präsentiert wird. Im zweiten Programmteil kehren die Artisten mit ihrer Todesrad-Darbietung wieder. Jongleur Victor Ponce jongliert mit drei Tamburinen, fünf Keulen, lässt zehn Teller auf einem langen Tisch kreiseln und zeigt abschließend eine Jonglage mit bis zu fünf Hüten, die blitzschnell vom Kopf in die Hand wechseln. Er reißt das Publikum mit; die Stimmung war in der besuchten Vorstellung durchweg hervorragend. Einen besonders guten Griff hat André Sarrasani mit der lustigen und trickreichen Hundedarbietung von Leonid Beljakov gemacht, bei der sich der Tiger an der extradicken Leine als winziger Chihuahua entpuppt.


Igor Purdenko und Olga Moreva, Duo Flamingo, Yuri Mamchych

Es folgt das weibliche Kontorsionsduo Flamingo, dessen Kunst für eindrucksvolle Fotos taugt – live sieht man jedoch, dass viele der Kraft-Tricks recht wackelig gearbeitet werden. Kraft und Kontorsionen zeigt auch Yuri Mamchych, und zwar zu klassischen Klängen an den Strapaten – eine der interessantesten Darbietungen des Abends. Kunstvoll präsentieren sich in einer weiteren Luftdarbietung auch Igor Purdenko und Olga Moreva am Hängeperche. Äußerst schwach ist die praktisch trickfreie Seelöwenvorführung des Duos Clarrison, ungeheuer unterhaltsam aber die „Human Beatbox“ Robert Wolf alias „Robeat“. Im Rahmen seiner Jurorenrolle in der RTL-Castingshow “Das Supertalent“ hat André Sarrasani den 19-Jährigen entdeckt, der nun im Circuszelt seine Kunst zeigt, mit dem Mund ein ganzes Schlagzeug oder ein Didgeridoo ersetzt, Michael-Jackson-Sounds vorwärts und rückwärts draufhat und selbst das Echo eines Schlagzeuges nachahmt. Silvia Silvia in einer klassischen Kunstschützen-Nummer mit allen gängigen Tricks – unter anderem schießt sie sich selbst über acht Banden einen Apfel vom Kopf – komplettiert das Programm.

Aus dem großen Angebot an Nummern hätte man durch geschicktere Verpackung sicher noch mehr machen können. Dennoch sind die „Circussterne“ insgesamt weitaus sehenswerter als „Das Winterspektakel“ ein gutes Jahr zuvor – und dem Publikum hat es offenkundig sehr gefallen. Beste Stimmung in der besuchten Vorstellung, bei der Premiere sogar Beifall im Stehen – was will man mehr?

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Text: Markus Moll; Fotos: Tobias Erber