Der bestens einsichtige Platz
offenbart den großen Umfang des von Barelli mitgeführten
Materials. So wird schnell klar, dass die Werbeaussage vom
„zweitgrößten Circus Deutschlands“ nicht ohne soliden
Hintergrund gemacht wird. Neben diversen Neuanschaffungen im
Wohnwagenequipment der Familie fällt vor allen Dingen der
flammneue Stall ins Auge. Das weiße große langgestreckte Zelt
steht frei, braucht keine Abseglungen und bietet in geräumigen
Boxen dem gesamten umfangreichen Tierbestand des Circus Platz.
Opening, Timmy
Barelli, Alexandra
Beinahe bis auf den letzten Platz
ist das Gradin besetzt, als das neue Programm der aktuellen
Spielzeit beginnt. Timmy Barelli erscheint im Habitus eines
Hausmeisters – im roten Kittel – und fegt die letzten
Sägemehlkrümel von der Piste. Vom Oberrequisiteur zu mehr Eile
animiert, wendet er sich der Bühne zu, entdeckt dort eine rote
Stallmeisteruniform und träumt von einer großen Karriere.
Alexandra, die Tochter der Tashkenbaevs, kommt dazu, beginnt
ihre Kür am Ringtrapez. Ein-, zweimal ist sie wieder auf der
Bühne zurück, bestärkt Timmy in seinem Vorhaben, hilft beim
Umziehen und Schminken. Diese des Öfteren einem Opening
zugrunde liegende Idee wird hier sehr charmant, mit vielen
eigenständigen Elementen versehen, präsentiert. So wird denn der
Hausmeister Timmy in den Clown verwandelt. Dann hebt sich der
Vorhang, gibt den Blick frei auf die prächtige Kulisse und das
nunmehr elfköpfige Orchester, mit Sänger, sorgt für einen ersten
Aha-Effekt im Gradin. Das komplette Ensemble kommt, Konfetti ins
Publikum werfend, durch die Aufgänge auf die Bühne, und Franz Barelli
heißt Willkommen.
Franz Barelli,
Rolina Barelli, Daniel Badea
Dann sorgt Daniel Badea als
Jongleur auf freistehender Leiter für einen furiosen Auftakt.
Zunächst arbeitet er kurz mit fünf kleinen Bällen zu ebener
Erde. Es folgen Jonglagen mit fünf Keulen bzw. Ringen auf der
Leiter. Handstand auf der Leiter und Fackeljonglage auf der
Bühne beschließen diesen Auftritt. Die Nummern der
Direktionsfamilie werden in bewährter Weise en bloc präsentiert.
Großer orientalischer Umzug als Einleitung, dann die vier Kamele
im Zusammenspiel mit den vier Friesen. Darauf folgt die bekannte
Arbeit der sechs Dromedare. Timmys Jongleur-Reprise mit den drei
Regenschirmen überbrückt die Installation der Tuchstrapaten.
Diese zweite Darbietung unter der hohen Kuppel des
Barelli-Palastes besticht seit jeher durch die perfekte Symbiose
von Genre, Musik/Gesang, Licht, Kostüm. Salima Folcos Auftritt
erzielt denn auch an diesem Abend wieder die gewünschte Wirkung
auf die Zuschauer. Rolina Spindler-Barelli präsentiert elegant
und mit großer Ausstrahlung die Araberfreiheit. Die Hohe Schule
reitet Ramona in neuem Styling. Der Auftritt wird nun im
Zigeunerlook ohne begleitende Tänzerin geboten. Das große Entree
von Timmy und seinen drei Mitstreitern garantiert auch weiterhin
Erfolg und großen Applaus. Zurückgekehrt in die Barelli-Manege,
oder besser gesagt über diese, sind die vier Tashkenbaev. Ihre
starke Trickfolge wird hervorragend gearbeitet und sehr
sympathisch verkauft. Sie begeistern jedes Mal aufs Neue mit
ihrer exzellenten Nummer. Dann hat der Direktor das Wort. Harry
Spindler-Barelli bittet zur Pause und offeriert einen Besuch der
reichhaltigen Tierschau, auf dass sich ein jeder von den
erstklassigen Haltungsbedingungen und dem einwandfreien Zustand
selbiger überzeugen kann. Hierbei legt er ein rhetorisches
Talent an den Tag, das allen Respekt verdient.
Katja, Timmy
Barelli, Kenya Boys
Den zweiten Programmteil eröffnet
das Duo Romanoff an der Ring-Stirn-Perche. Bodo Wünsch und seine
Tochter Jenny verkaufen ihre Tricks in gewohnt souveräner,
publikumswirksamer Manier. Harry Barelli kündigt die folgende
Exotendressur an, betont dabei, dass es Wildtiere seien und
auch immer bleiben werden. Zum Circus gehörten traditionell
Tiere, auch Wildtiere. Mit guten Haltebedingungen und
vertrauensvollem Umgang sei deren Verbleib im Circus auch
weiterhin möglich und zu verantworten. Dann kommen die Zebras
unter der Peitschenführung von Franz Barelli zu ihrem
Manegendebüt. Sie zeigen eine ansprechende Laufarbeit,
wenngleich ein wenig Unsicherheit und fehlende Routine nicht zu
verbergen sind. Dann ist es soweit, das Comeback – oder wie die
französischen Circusse in ihrer Werbung mit Vorliebe titeln: „Le
Grand Retour“ – von Hannibal. Nach einigen Monaten Absenz ist
der Flusspferdbulle wieder Teil der Barelli-Menagerie und wird
von Franz wie gewohnt präsentiert. Mit einem weiteren Debut
wartet das aktuelle Barelli-Programm auf. Katja, eine weitere
Tochter der Tashkenbaev, hat sich Hula Hoop als Disziplin
gewählt. Eine ansprechende Kür hat sie sich erarbeitet. Perfekt
wie eh und je die Freiheitsdressuren, vorgeführt von Harry
Barelli. Ein Achterzug Friesen, das Groß-und-Klein sowie diverse
Da-Capo-Pferde folgen den Kommandos des Direktors. Das neue
Entree „Opera“ ist naturgemäß auch von der Spielfreude der
„Freiwilligen“ abhängig, bringt die Stimmung auf den Höhepunkt.
Neu im Programm die Finalnummer. Die fünf Kenya-Boys bieten das
komplette Repertoire schwarzafrikanischer Springertruppen.
Limboshow, Reifenspringen und Pyramidebauen werden flott und
routiniert gearbeitet. Es ist ein Trend der letzten Zeit: In
vielen führenden Circussen gehört ein wenig Gesang zum Finale.
Timmy Barelli leitet mit dem Freddy-Quinn-Song „Ja, wir sind
Artisten“ zum Finale über. Wie gewohnt wird es ganz groß mit
Seifenblasen und Konfettiregen zelebriert. Die Choreographie ist
ein wenig modifiziert, unter anderem treten nun auch Rolina und
Harry Barelli genau wie die anderen Artisten einzeln vor, um
ihren wohlverdienten Applaus entgegen zu nehmen.
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