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Genf, 2.
Mai 2009: Schon im letzten
Jahr schrieb ich, „Circus Nock präsentiert klassischen Circus
auf der Höhe der Zeit“. Und um es vorwegzunehmen: Dieses Urteil gilt
zweifelsfrei auch in diesem Jahr. Die aktuelle Show „Nockissimo“
ist für Liebhaber des klassischen Circus wieder ein echter Quell
der Freude. Nock zeigt dabei im Grunde erneut ein reines
Nummernprogramm, das den klassischen circensischen Dreiklang aus
Tieren, Clowns und Akrobaten transportiert, dabei aber großen
Wert auf höchst stilvolle Präsentation legt und sich so von
vielen Konkurrenzunternehmen unterscheidet. |
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Tanger Troupe,
Suzanne Chipperfield, Alexandra Nock und Alejandro Milla
Exquisites Licht,
mitreißende Livemusik, geschmackvolle Kostüme und vor allem
durchweg sympathische Akteure sorgen für eine stimmungsvolle
Atmosphäre, wie sie man in vielen anderen Unternehmen
klassischer Prägung leider vergeblich sucht. Nock setzt
dabei aber nicht nur auf Atmosphäre, sondern hat auch in diesem
Jahr ein wirklich starkes, komplett neues Lineup zu bieten.
Perfekt ist die Eröffnungsnummer ausgewählt: Die achtköpfige
Tanger Troup – die Zweitnummer der Hochseiltruppe Castilla -
sorgt mit den typischen Tricks einer marokkanischen
Springertruppe für Schwung und wird mit frenetischem Applaus
gefeiert. Etwas schade nur, dass diese mitreißende Stimmung erst
vor der Pause wieder aufgegriffen wird, wenn das Acobatic Jazz
Trio seine leistungsstarken Handvoltigen zu fetziger Swingmusik
präsentiert. Dazwischen dominieren schwermütig angehauchte
Nummern etwa die Hula-Hoop-Show von Nataliya Kherts oder das
Duett von Alexandra Nock und Alejandro Milla am Standtrapez.
Komplettiert wird Teil eins des Programms von zwei Tiernummern.
Zunächst zeigt Franziska Nock mit Suzanne Chipperfeld einen
kleinen Exotenzug (zwei Kamele, zwei Lamas und drei Zebras),
dann sind die beiden mit einem Sechserzug edler Pferde (drei
Apfelschimmel, drei Friesen) zu sehen, deren Präsentation durch
ein Solo-Pony und einen ausdauernd vorwärts steigenden Friesen
abgerundet wird. Eine doppelte Hohe Schule im zweiten Teil des
Programms ist der dritte gemeinsame Auftritt von Nock und
Chipperfield.
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Cesar Dias
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Einen echten
Glücksgriff hat der Circus heuer im übrigen auch mit dem clownesken
Part gemacht. Ging Cesar Dias während seines Winter-Engagements im
Circus Krone noch völlig unter, darf er bei Nock sein komisches
Talent voll ausspielen. Greift er auch im wesentlich auf Klassiker
(Motorradfahrt, Kampf mit dem Mikrophon, Klatschkonzert) zurück und
bemüht auch des öfteren Freiwillige aus dem Publikum, gelingt es ihm
doch für ausgelassene Heiterkeit und viele Lacher zu sorgen. Nach der Pause
beginnt das Programm mit der bekannten Löwendressur von Yvonne und
Knut Muderack, die zurzeit zwar nur vier Tiere beinhaltet, aber
dennoch flüssig vorgetragen wird und viele Sprünge und Hochsitzer,
auch des männlichen Löwens, zeigt.
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Yvonne
Muderack, Anna Lebedeva, Danger Castilla
Auffällig, dass auch in der
zweiten Hälfte gleich zwei romantische präsentierte Luftdarbietung
das Tempo etwas rausnehmen. Allerdings sind Nataliya Kherts
spektakuläre Abfaller am Schwungtrapez und auch die trickstarke
Vertikalseilkür des Duo Air Loves natürlich aller Ehren wert.
Erstmals in West-Europa zu sehen ist die jungen Bodenjongleurin Anna
Lebedeva, die bis zu sieben Bälle im Umlauf hält. Die junge Russin
ist die Tochter eines Tierlehrerpaares, das dereinst mit einer
Kamelnummer bei Nock engagiert war. Schlussnummer sind
leistungsgerecht die Danger Castilla auf dem Hochseil. Normalerweise
zu viert (zwei Männer, zwei Frauen) unterwegs, war die Truppe in der
von uns besuchten Vorstellung verletzungsbedingt auf drei Personen
reduziert, die aber dennoch mit einem umfangreichen Repertoire (Zwei-Mann-Hoch,
Fahrrad-Pyramide, Seilspringen) noch einmal für Stimmung im
Chapiteau sorgten. |
Völlig zu recht mit Ovationen im Stehen umjubelt, wurde dann das
wie stets schwungvoll gestaltete Finale. Für die Begeisterung
des Publikums spricht auch, dass kaum ein Zuschauer das Zelt
vorzeitig verließ. Im Gegenteil: Selbst nachdem Cesar Diaz seine
finale Saxophon-Einlage beendet hatte, hatte es kein Zuschauer
eilig, den Ort des Geschehens zu verlassen. Offenbar konnten
viele der Besucher – einschließlich dem Rezensenten - nicht
genug bekommen von der einzigartigen Atmosphäre, die eine
gelungene Circusshow, wie es „Nockissimo“ zweifelsfrei ist, zu
Schaffen weiß. Nock gehört demnach auch 2009 zu den wenigen
Unternehmen, für die ich auch für einen zweiten Besuch bereit
bin, eine weite Reise zu unternehmen. |
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Text: Sven Rindfleisch; Fotos: Sven Rindfleisch,
Tobias Erber
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