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Zirkus Probst - Tour 2009
www.zirkusprobst.de ; 50 Showfotos

Erfurt, 26. September 2009: Im Jahr 20 nach dem Mauerfall hat die Circuswelt immer noch ihren „West-“ und ihren „Ostprobst“. Dabei soll die Bezeichnung „Ostprobst“ keineswegs abwertend klingen. Im Gegenteil, dieser Circus (er schreibt sich allerdings nach wie vor mit Z und k) hat in den östlichen Bundesländern sein Stammpublikum und reist deswegen konsequent dort – ein paar Städte im Westen werden ebenfalls regelmäßig besucht, bilden aber die Ausnahme.

Alle zwei Jahre spielt das Unternehmen von Rudolf Probst mehr oder weniger in den gleichen Städten. Die Bevölkerung dort weiß, was sie an ihrem Probst hat und hält dem Circus die Treue. Dieser tut denn auch alles, um diese Zuschauer nicht zu enttäuschen. Das Publikum bekommt ein ehrliches und mit viel Herzblut gemachtes Programm. So blickt Probst auf eine bislang sehr erfreuliche Tournee (Ende ist am 2. Dezember in Staßfurt) zurück. Mithin kann es sich die Familie leisten, sich über die Wintermonate ganz auf die neue Saison zu konzentrieren, ohne in Weihnachtscircus-Aktivitäten involviert zu sein. Kooperationspartner sowie die Zusammenarbeit mit regionalen Medien tragen ebenfalls zum wirtschaftlichen Erfolg bei.


Alexandra, Mercedes und Jessica Probst

Für den gelegentliche Besucher aus dem Westen ist auch nach zwanzig Jahren noch einiges gewöhnungsbedürftig. Etwa der rauhe (aber herzliche) Umgangston beim Einlass oder aber die herrliche Form der Doppelmoderation mit teilweise synchron gesprochenen Sätzen. Gerne gewöhnt man sich an die vergleichsweise günstigen Eintrittspreise und das erfreulich hohe Niveau der hauseigenen Tierdressuren. Für letztere zeichnen Rüdiger Probst, seine Schwester Mercedes sowie deren Töchter Jessica und Alexandra verantwortlich. Die Domäne der Damen ist die Pferdedressur. Dabei belassen sie es nicht bei er bloßen Vorführung, sondern gestalten ganze Schaubilder mit Mensch und Tier. Im ersten Teil erleben wir sie mit verschiedenen Variationen zum Thema Ponyfreiheit. Zunächst sind es sieben, später zehn und zum Schluss drehen an diesem Nachmittag gar 19 Tiere ihre Runden. Natürlich bewähren sie sich auch als Steiger. Alle sind mit Glöckchen behängt, sodass es ein vielstimmiges Geläut gibt, wenn die Vierbeiner durch die Manege fegen. Kombiniert werden die Ponys mit den Reitkünsten der gelernten Pferdewirtin Alexandra Probst, die sich unter anderem als Springreiterin präsentiert. Die Damen tragen dazu geschmackvolle schwarz-weiße Kostüme und sind mit großem Enthusiasmus dabei. Insbesondere Mercedes Probst ist die Leidenschaft anzumerken, mit der sie ihrer Arbeit nachgeht. Diese Frau lebt Circus. Ganz in ihrem Element ist sie beim andalusischen Bild, das sie von einer Bühne in der Manegenmitte aus dirigiert. Elegant im spanischen Stil gewandet leitet sie das große Tableau mit andalusischen Hengsten und einer Vielzahl von Tänzerinnen und Tänzern sowie Reiterinnen und Reitern. Gezeigt wird eine Mischung aus (berittener) Freiheit und Hoher Schule. Dazu verschiedene Steiger und Tanzeinlagen. Alles passt wunderbar zusammen, das Temperament Andalusiens wird erlebbar und überträgt sich auf das Publikum. Dies äußert sich in rhythmischem Mitklatschen. Dabei wird einmal mehr der Wert eines guten Liveorchesters erlebbar. In diesem Fall sind es sieben Musiker aus der Ukraine, die akzentuiert begleiten und so die Wirkung dieses Bildes – aber selbstverständlich auch der gesamten Show – enorm steigern.


Alexandra, Rüdiger und Mercedes Probst

Nicht nur auf edle Pferde, sondern auch auf ganz gewöhnliche  - und nicht ganz so gewöhnliche - Haustiere verstehen sich die drei Probst-Frauen. Alexandra präsentiert diese Revue, wird dabei aber immer wieder von der „verrückten Alten“ (Mercedes) gestört, die allerlei ungewöhnliches Viehzeug dabei hat. So bringt sie in einem Korb einige „verrückte Hühner“ mit und zeigt einen astreinen „Schweinsteiger“. In der eigentlichen Darbietung hat es „Bäuerin“ Alexandra mit zwei Eseln, vielen Ziegen und einem kleinen Hund zu tun. Mutter und Tochter präsentieren gemeinsam einen Miniaturwagen von Probst, der von zwei Hängebauchschweinen gezogen wird und dem mehrere Hühner entsteigen. Damit setzen sie einen originellen Schlusspunkt vor der Pause. Nach der Gelegenheit zum Besuch von Tierschau bzw. umfangreicher Restauration ist im Chapiteau der Zentralkäfig aufgebaut. Dort führt Rüdiger Probst ruhig seine derzeit aus sechs sibirischen Tigern bestehende Raubtiergruppe vor. Die Tiere bilden eine Pyramide sowie einen Teppich, zeigen verschiedene Hochsitzer und den Sprung durch einen beleuchteten Reifen, um nur einige der Tricks zu nennen. Probst pflegt dabei einen sehr engen Kontakt zu vielen seiner Tiere. Fünf weitere Tiger sollen in absehbarer Zeit ihr Manegendebüt geben. Sechs Lamas, vier Kamelen und zwei Steppen-Zebras sind seine vierbeinigen Partner beim Exotentableau. Die Tiere zeigen eine variantenreiche Laufarbeit, die Lamas zusätzlich ihre Sprungkraft, eines beweist sich sogar als Steiger.


Beatrice Weidner, Duo Ulan, Truppe Enkbaatar

Auch im artistischen Part mischt die Familie Probst mit. Jessica, Absolventin der staatlichen Fachschule für Artistik in Berlin, entführt mit ihrer Kür an den Tüchern in die „Welt der 70er“, so die Ansage. Das Motto ist vor allen Dingen in der Musik umgesetzt. So endet ihre Arbeit mit schönen Bildern und verschiedenen Abfallern zu „Waterloo“ von Abba. Beatrice Weidner kennen wir u.a. vom „Westprobst“ und von Busch-Roland. Wie gewohnt, zeigt sie Jonglagen auf und an einer schiefen Ebene. Dabei kommen neben Keulen, Bällen und Reifen auch Feuerkugeln zum Fliegen. Den Löwenanteil am artistischen Programm hat aber die Truppe Enkbaatar inne. Zu acht eröffnen die Damen und Herren aus der Mongolei das Programm mit Seilspringen in den verschiedensten Variationen. So sorgen sie für einen fröhlichen, lebendigen Auftakt. Sie beweisen ihre Sprungkraft im Zwei-Mann-Hoch oder verbinden das Seilspringen mit kraftvollen Handvoltigen. Welche Sprünge sie mit Unterstützung vollführen können, demonstrieren sie zu zehnt am Schleuderbrett. Dabei erleben wir sowohl Sprünge auf eine Matte als auch auf Menschentürme. Höhepunkt ist der Fünf-Mann-Hoch, unterstützt von einer Perchestange.


Davis Vassallo

Ebenfalls aus der Mongolei stammt das Duo Ulan. Die beiden Damen zeigen schöne Voltigen am ruhenden und schwingenden Trapez, welches an beiden Seiten mit Tüchern versehen ist. Die Tricks sind durchaus spektakulär und werden sinnvollerweise mit Longen abgesichert, teilweise auch durch diese unterstützt. Den gerne zitierten Glücksgriff hat Probst mit dem Engagement von Davis Vassallo gemacht, einem Spaßmacher par excellence. Er schafft es, mit einer Tüte Popcorn zu spielen, ohne dabei einen Zuschauer mit dem Tüteninhalt zu überschütten. Ferner schafft er es, vier Gäste (in diesem Fall Kinder) in die Manege zu holen, sie auf Stühle zu setzen ohne sie zu verknoten und dabei jede Menge Heiterkeit zu verbreiten. Allein das ist heutzutage (leider) schon eine große Kreativitätsleistung. Der junge Clown ist nicht nur ungeheuer sympathisch und witzig, er hat ebenfalls akrobatische Fähigkeiten, welche er auf dem Sprungseil beweist. Seine Paradenummer ist das Orchester mit Musikern aus dem Publikum. Trotz bekanntem Grundaufbau gibt es auch hier viele eigenständige Ideen, die die Zuschauer zu Lachsalven hinreißen.

Natürlich endet diese klassische Programm mit einem Finale. Das Moderatorenduo Regine Wohlfarth und Marko Morling hat dabei seinen letzten Galaauftrit. Das Orchester spielt noch einmal furios auf. Alle Artisten verabschieden sich. Es gibt ein kleines Feuerwerk in der Manege. Im Mittelpunkt steht die Direktion in Person von Mercedes und Rüdiger Probst, die sich so auf gebührende Weise von den begeisterten Zuschauern verabschiedet. In zwei Jahren wird Zirkus Probst wieder in Erfurt gastieren. Dann natürlich mit neuen Attraktionen. Sicherlich wird auch dann wieder ein treues Publikum für gut besuchte Vorstellungen sorgen. Die Schlange vor dem Chapiteau zeigt auf jeden Fall, dass auch die Abendvorstellung an diesem Tag nicht vor leeren Rängen stattfinden wird.

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Text und Fotos: Stefan Gierisch