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Circo di Praga - Tour 2009
http://circodipraga.sitonline.it ; 60 Showfotos

Mailand, 20. November 2009: Im Grunde ist der Circo di Praga der Familie Cristiani trotz einiger engagierter Artisten ein großer Familiencircus. Ein Familiencircus allerdings, der wesentlich mehr zu bieten hat, als fast alles, was in Deutschland unter dieser Bezeichnung firmiert. Der größte und entscheidende Unterschied ist, dass di Praga nicht nur aus einer Familie besteht, sondern von mehreren Generationen und Geschwistern geführt wird. Dies wirkt sich natürlich positiv auf das Programm aus. Denn während dieses in deutschen Familiencircussen oftmals von nur einer Handvoll Akteuren beststritten wird und somit naturgemäß viele Zweit- und Drittnummern gezeigt werden, sind die zahlreichen Mitglieder der Familie Cristiani nur mit ihren Paradenummern im Programm zu sehen oder verstärken das in italienischen Circussen offenbar obligatorische Ballett.

Punkten gegenüber deutschen Familiencircussen kann der Circo di Praga freilich auch in puncto Stil. Das fängt bei den auffälligen rot-weißen Zeltanlagen sowie dem ordentlichen, wenn auch betagten Fuhrpark an, geht über die ideenreiche Präsentation der Show (Licht, Ansager, Ballett, fantasievolles Charivari und Finale) und endet bei geschmackvollen Kostümen, wie wir sie auch von in Deutschland engagierten italienischen Artisten gewohnt sind. Dass uns di Praga dennoch nicht in Gänze überzeugt hat, lag in erster Linie an der Musikauswahl, die zwar stets künstlerisch wertvoll, aber selten mitreißend und damit auf Dauer etwas ermüdend war.


Duo Brinati

Wenn man ehrlich ist, gelingt es erst Priscilla Errani mit ihrer fulminaten Hula-Hoop-Show im sexy Spinnenoutfit das nicht besonders zahlreich erschiene Publikum aus der Reserve zu locken – und das als vorletzte Nummer. Dabei ist es nicht so, dass sich die vorher gezeigten Nummern leistungsmäßig verstecken müssten. So bleibt etwa die Arbeit des Duo Brinati am Haltestuhl, inklusive Genickhang-Wirbel in Erinnerung. Alle weiteren artistischen Nummern sind Solo-Darbietungen. Drei davon (Säbelbalancen, Antipoden, Kopfstand) werden von weiblichen Artistinnen ausgeführt. Männlich wird es nur zweimal: Priscilla Erranis Ehemann Marco Morassi jongliert zum Auftakt des Programms mit Bällen und Keulen zu Tango-Rhytmen und Igor Rossante beendet die Show ebenfalls jonglierend (Bälle gen Boden), integriert aber zusätzlich Tricks auf dem Einrad in seine Nummer. Üppig fällt auch der tierische Bereich aus. Eva Cristiani zeigt zu Beginn der Show einen 6er-Zug Pferd und reitet später begleitet durch das Ballett eine Hohe Schule auf zwei Pferden. Das Exoten-Tableau mit einem Nilpferd und zwei Zebras als größtem Schauwert wird von Anna Cristiani vorgeführt. Ebenfalls aus dem Hause Cristiani kommt die fünfköpfige Tigergruppe, die von Danilo Cristiani präsentiert wird. Schlusstrick ist ein Hochsitzer. Hinzu engagiert wurde die Hundenummer der Familie Zorzan sowie Danglar Rossante mit drei Seelöwen. Ungewöhnlichster Trick: Einer der Meeressäuger bugsiert einen Ball in einen Basketballkorb.


Eva und Danilo Cristiani, Adriano Zambelli

Wenig Anklang fand trotz sympathischem Auftretens und geschmackvollem Kostüm Clown Adriano Zambelli, der gemeinsam mit einer Partnerin zudem eine relativ gewöhnliche Kistenillusion zeigte. Welches künstlerische Potenzial die Familie Cristiani, aus der auch der bekannte Tigerdresseur Redi Cristiani und Charles Knies Ehefrau Doriana stammen, besitzt, zeigte sich dann ganz deutlich zum Schluss der Show, im phantasievollen Finale, an dessen Ende alle Artisten ganz in weiß gewandet unter einem überdimensionalen Tuch erscheinen und den Applaus des Publikums entgegen nehmen. Dieser könnte sicher noch heftiger ausfallen, wenn der Circo di Praga, wie schon erwähnt, auf eine etwas mitreißendere Musikauswahl setzen würde und zumindest eine artistische Gruppennummer im Programm hätte.

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Text: Sven Rindfleisch; Fotos: Tobias Erber, S
ven Rindfleisch