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Circus Universal Renz - Tour 2009
www.universal-renz.de ; 55 Showfotos

Butzbach, 25. Juni 2009: Krone, Flic Flac, Roncalli – das ist das Spitzentrio der deutschen Circuslandschaft, dem sich die Riege der zweitgrößten deutschen Circusse anschließt. Eine Gruppe mittelgroßer bis großer Circusunternehmen, die – mit unterschiedlichen Schwerpunkten – auf den klassischen Dreiklang von Tieren, Clowns und Akrobaten setzen. Einer dieser zweitgrößen ist der Circus Universal Renz. Das Unternehmen bietet in der Zweitgrößen-Liga wohl das stärkste Programm im artistischen Bereich und zudem alle relevanten Tierdressuren, legt gleichzeitig aber auch weniger Wert auf eine durchgestylte Show à la Charles Knie und edles Ambiente.

Es ist eine Frage der persönlichen Vorlieben, wie gut man sich im Ergebnis unterhalten fühlt. Um das weiß-gelbe Chapiteau gruppiert sich der einheitlich silberfarbene Wagenpark. Das Vorzelt ist praktisch nur mit dem Restaurationswagen links bestückt, Dekorationen, Sitzgelegenheiten oder Stehtische fehlen. Im etwas düsteren Ambiente des Spielzeltes fällt besonders der große Artisteneingang auf. Wo früher mittig das Orchester saß, wurde die freie Fläche nun mit Stoffdekorationen in schwarz, glitzer-blau und gold abgehängt, was in Kombination mit den glitzer-blauen Stoffrauten am oberen Ende des Artisteneingangs ein eher provisorisch anmutendes Bild ergibt. Störend die beiden permanent offen stehenden Vorhänge links und rechts, durch die man ständig Requisiteure kommen, gehen und Gerätschaften verstauen sieht. Umfangreich und modern ist die Lichtanlage, die hier an drei waagrechten Stahlträgern zwischen den Masten angebracht ist. Der Sound aus den Boxen wirkt dagegen eher dünn. – Das Programm beginnt in der besuchten Vorstellung mit 20-minütiger Verspätung, was wohl auch auf den guten Besuch zurückzuführen ist. Ausführlich erläutert Direktor Daniel Renz vor Vorstellungsbeginn immer wieder die Möglichkeit, gegen Aufpreis aus den Bankreihen auf der Tribüne in eine bessere Sitzkategorie mit wesentlich bequemeren Stuhl-Plätzen zu wechseln. Eindringlich warnt er vor Versuchen, sich ohne gültiges Ticket einen besseren Platz zu suchen.


Daniel Renz, Pom Pom

Nach der Pause werden dann nochmals die Karten kontrolliert. Omnipräsent in der Vorstellung ist Daniel Renz als Sprechstallmeister. Wortreich und häufig ziemlich laut führt er durchs Programm. Renz selbst bereitet das augenscheinlich allergrößtes Vergnügen, und auch beim Publikum kommt er in seiner authentischen Art bestens an. Die gut gelösten Umbauten sorgen für einen flotten Ablauf dieses reinen Nummernprogramms – besonders hervorzuheben ist der konkurrenzlos schnelle Käfigabbau.


Sandra Kovatcheva

Beeindruckend stark ist das artistische Programm. Zu den Highlights gehören die Auftritte der vierköpfigen Camadi-Truppe. Zunächst arbeiten die früheren Flic Flac-Artisten auf dem Hochseil. Schrägseilauf- und abgang, Bocksprung über zwei Partner, Zwei-Mann-Hoch auf dem Einrad, Seilspringen und das Zwei-Mann-Hoch mit drittem Mann als „Schubkarre“ gehören zum Repertoire. Auf dem Todesrad werden vor dem Finale alle gängigen Tricks geboten – Seilspringen, Blindlauf und verwegene Sprünge auf der Radaußenseite inklusive. Ebenfalls von Flic Flac bekannt ist Claudia Bremlov, Schwester von Patricia Renz, mit ihrer hervorragenden Antipodenarbeit. Anstatt als sexy Krankenschwester arbeitet sie hier natürlich klassisch und jongliert mit ihren Füßen zunächst bis zu vier Röhren, dann türmt sie zehn Kisten aufeinander und balanciert das wackelige Konstrukt mit den Füßen. Stark auch die genretypische Mastenarbeit der drei Simbabwe Boys. Das Duo Kovatchevi ist mit drei Darbietungen im Programm zu sehen. Sandra Kovatchevi präsentiert ihre Jonglage mit fünf Keulen, vier Fußbällen und abschließend vier Fackeln in der besuchten Vorstellung fehlerfrei. Der scheinbar betrunkene Randalierer, der zum Programmbeginn die Raubtiernummer stört, entpuppt sich später als David Kovatchevi.

Während seines neu einstudierten Solo-Auftritts entpuppt der Pseudo-Trunkenbold sich als klassischer Rola Rola-Künstler. Gemeinsam zeigen die Kovatchevis ihre leistungsstarke und risikoreiche Arbeit am Washingtontrapez. Nachdem Tatjana Lenta ausgeschieden ist, ist auch das „Duo TaGal“ aufgelöst, und Galina Szabo arbeitet daher alleine und publikumswirksam an dem kombinierten Requisit aus Luftring und Schwungseil.


Daniel Renz jr., Billy Wilson Smart, Patricia Renz

Der Universal Renz gehört heute zu den wenigen Unternehmen in Deutschland, die ihrem Publikum noch alle drei klassischen Großtierdressuren – Pferde, Elefanten, Raubtiere – bieten. Direktor Daniel Renz eröffnet das Programm seit vielen Jahren mit der Präsentation seiner nunmehr vier Tiger. Hochsitzer, Sprünge und Balkenlauf – zusätzlich erschwert durch „Slalom-Stäbe“ – gehören zu dieser ausgedehnten, 15-minütigen Dressurnummer, die mit der Roten Karte für einen Tiger endet. Elefanten sind gleich zweimal vertreten: in der bekannten Rasur-Komödie mit einem Herrn aus dem Publikum und Elefantendame Maja, hier unter der Anleitung von Daniel Renz, sowie in einer Dressurnummer mit Maja und ihren beiden indischen Artgenossinnen. Der neue Vorführer Billy Wilson Smart stellt hier die temporeiche Laufarbeit in den Vordergrund. Viel Tempo kennzeichnet auch die Präsentation der fünf Kamele durch Daniel Renz junior, der in Auftreten und Gestik deutlich an seinen Vater erinnert. Zum Abschluss drehen, traditioneller Gag bei Universal Renz, Lamas und Esel eine Runde durchs Circuszelt zwischen Logen und Gradin. Die Pferde werden im Wechsel von Yvonne Lübben und Patricia Renz gezeigt – in der besuchten Vorstellung sahen wir Frau Direktor persönlich mit einem Fünferzug Friesen in handfester, temporeicher Präsentation. Für die Clownerie zuständig ist Pompom – er stellt eine Rockband zusammen, fährt mit einer Dame aus dem Publikum Auto, schießt seinen Teddybär scheinbar per Kanonenschuss in die Zeltkuppel und darf dann – à la „Musizieren ist hier verboten“ – das Publikum nicht via Pauke zu einer Party animieren. Sympathische Auftritte, die allerdings auch Gelegenheiten für manche Straffung böten.

Daniel Renz hat seinen Circus in den vergangenen Jahren fortwährend ausgebaut, bietet eines der stärkste Programme in Deutschland, erfreut sich großen Publikumszuspruchs und offenbar auch wirtschaftlichen Erfolges. Eine Leistung, freilich die eines guten Teams insgesamt, die in den einschlägigen Diskussionen über die „Zweitgrößten“ erstaunlicherweise kaum gewürdigt wird. Es sind die eingangs beschriebenen Randbedingungen – die Atmosphäre im Zelt, die Gesamtpräsentation des Programms, der rauhe Umgang mit dem Publikum – die dafür sorgen, dass der Rezensent den Circus Universal Renz weniger begeistert verlassen hat. Was könnte man aus diesen Programmpunkten für eine wirklich große Show gestalten! Beim Publikum in der besuchten Vorstellung kam das Gebotene dagegen sehr gut an.

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Text: Markus Moll; Fotos: Stefan Gierisch