CHPITEAU.DE

Circus Crocofant - Tour 2010
www.circus-crocofant.de

Kempten, 5. Mai 2010: Als „der kleinste Großcircus“ bezeichnete sich der Circus Crocofant vor einigen Jahren selbst, und diese Beschreibung ist nach wie vor treffend. Denn eigentlich ist es wirklich ein kleiner Circus, den die Familie von Francois Meise mit wenigen Mitarbeitern betreibt. Und doch zeichnet ihn vieles aus, was zu einem großen Unternehmen gehört: ein Programm mit Raubtieren und Elefanten, sehr guten Artisten, präsentiert in einem schönen Zelt mit moderner Licht- und Tontechnik.

Schon von außen bietet der „Crocofant“ einen einladenden Anblick mit dem markanten roten Viermastzelt von Scola Teloni, das erst im Jahr 2009 eingeweiht wurde. Ringsherum gruppieren sich die blau-cremefarben-roten Wagen mit nostalgischem Touch. Modern dagegen die Technik im Inneren des Zeltes: Musikeinspielungen in hoher Qualität, gutes Licht mit fünf Scannern unter der Zeltkuppel und eine geschmackvolle rote Gardine im Hintergrund geben dem Programm einen ansprechenden Rahmen.


Christian Walliser 

Christian Walliser ist nach seinem schlimmen Unfall im November pünktlich zur Saisonpremiere des „Crocofant“ wieder in die Manege zurückgekehrt. Hier präsentiert er zunächst die sechs älteren Tiger, die erst von Catharina Gasser, dann von Gerd Siemoneit vorgeführt wurden, schließlich an den Circus Zalewski verkauft wurden und nun in Walliser einen neuen Besitzer gefunden haben. Zum Repertoire der Gruppe gehören unter anderem ein dreifacher Hochsitzer, die Pyramide, das Überspringen von auf Podesten stehenden Tigern, die Tigerbar und das gemeinsame Abliegen. Nach diesen erfahrenen Tieren hatten beim Besuch von Chapiteau.de drei jüngere Tiger ihren Auftritt, die Walliser vom Circus René und Patrizia Althoff bzw. Heiko Olf erhalten hat. Hier ließ er sich selbst, rücklings gegen den Balken gelehnt, beim Balkenlauf überschreiten. Sprünge über den Tierlehrer und über Tiger schlossen diesen Teil der Vorführung ab. Jene drei Tiger aus Wallisers zwölfköpfigem Bestand, die ihn im November angefallen haben, traten Anfang Mai noch nicht wieder auf. Einziger Grund sei, dass die Tiere vor allem Sprünge beherrschen, für die schwere Podeste benötigt werden. Diese konnte Christian Walliser nach eigenen Worten wegen der schweren Verletzung an der linken Hand, die er bei dem Unfall erlitten hat, noch nicht richtig tragen. Er wolle aber auch diese drei Tiere schnellstmöglich wieder in seinen Auftritt integrieren, sagte er vor Ort gegenüber Chapiteau.de. Ganz aktuell berichtete Christian Walliser, dass das erste dieser drei Tiere zumindest wieder in den Proben dabei ist.


Rudy Janecek

Für den artistischen Part der Show sorgt zum einen die dreiköpfige Familie Janecek. Sohn Rudy erweist sich als ganz hervorragender Jongleur. Mit fünf Fußbällen beginnt er seine Darbietung, dann wechselt er zu der Arbeit mit Keulen, die er mit Pirouetten sowie Vorwärts- und Rückwärtssalto kombiniert. Fünf Keulen hält er ausdauernd und schnell in vielerlei Varianten in der Luft, danach sechs und sieben Keulen jeweils kurz. Über einen Schulterperche mit sechs Plattformen lässt er einen Gummiball in einen Korb am Ende der Stange hüpfen. Die Highspeed-Arbeit mit drei Keulen, bei der die Requisiten vor den Augen der Besucher verschwimmen, beendet diese erstklassige Vorführung.


Clara Janecek

Stark auch die Perchenummer der gesamten Familie alias Truppe Venus: Rudolf Janecek trägt seine Frau Clara auf einer Stirnperche und erklimmt dabei eine zweigeteilte Leiter, während die Partnerin im Einarmer balanciert. Auf einer Schulterperche, vom Vater getragen, ist eine Plattform montiert, auf der Rudy Janecek einen Salto schlägt. Schließlich erklimmt Rudolf Janecek auch einen Mast, während er seine Frau auf der Stirnperche balanciert. Auch Rudy agiert als Untermann; während seine Mutter auf der Stirnperche einen Kopfstand wagt, jongliert er vier Keulen. Clara Janecek hat zudem im ersten Programmteil einen eigenen Auftritt mit den Hula Hoop-Reifen, die sich auch dann weiter um ihren Körper drehen, wenn sie sich unter die Zeltkuppel ziehen lässt.


Clown David, Nikita Meise, Karah Kavak sen. 

Die beiden weiteren artistischen Nummern steuert die Tochter des Hauses, Nikita Meise bei, beide Male in der Luft: Zunächst arbeitet sie, unter anderem mit Kontorsionselementen ohne Longensicherung am kreisenden Luftring, der mit zwei zusätzlichen Halteschleifen weitere Tricks ermöglicht. Später kehrt sie wieder mit einer schönen Tücher-Arbeit im Flitterregen. Nikitas Freund David gibt den Clown, der im ersten Teil der Show auf die kommenden Nummern einstimmt: Zunächst träumt er als Requisiteur, der den Zentralkäfig kehren soll, von einer Karriere als Raubtiertrainer und dirigiert imaginäre Großkatzen. Später versucht er sich dann als Kistenjongleur, ehe der wahre Könner Rudy Janecek die Manege betritt. Nach der Pause präsentiert David in zwei Auftritten seine Versionen von bekannten Reprisen des Schweizer Clowns André: zunächst den „Haifisch-Angriff“ (im Boot statt in der Badewanne), dann das Wischmopp-Duett mit sich selbst (mit Playback in deutscher Version). Nachdem die ursprünglich verpflichtete Hochseiltruppe Tashkenbaev ihr Engagement verletzungsbedingt nicht antreten konnte, rückte im April zunächst Karah Kavak senior (Anton Kocka) ins Programm, der inzwischen aber bereits wieder ausgeschieden ist. Der Altmeister ließ sich von seinen beiden Assistenten zunächst eine Riesenschlange umlegen und nahm den Kopf des Tieres in den Mund. Für Nervenkitzel sorgte er, als er seine vier großen Krokodile hypnotisierte und diese, mit Hilfe der Assistenten als Träger, auf der Piste ablegte – direkt vor den Logengästen. Direktor Francois Meise steigerte die Spannung noch mit seinen Bemerkungen über die enorme Beißkraft der Tiere und ihre messerscharfen Zähne. Nicht gezeigt wurde beim Besuch in Kempten dagegen die hauseigene Elefantendressur mit zwei Afrikanern. Die Tiere seien in der „Musth“: „Tut mir furchtbar Leid, ist aber so“, erklärte Direktor Meise in seiner stets gelassenen Art dem Publikum und leitete knapp 100 Minuten nach Beginn der Vorstellung das kurze Finale ein.

Auch ohne Elefanten und trotz der relativen Kürze des Programms, bot der „Crocofant“ an diesem Nachmittag ein interessantes, qualitätvolles Programm in ansprechender Verpackung und zeigte sich, im Vergleich zum ersten Besuch durch den Autor in der Saison 2008, noch weiter gesteigert.

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Text: Markus Moll; Fotos: Tobias Erber