Vergleichbares
bietet in Europa eigentlich nur der französische Cirque Arlette
Gruss. Während die Gruss-Shows allerdings eher dem
schöngeistigen Stil des Cirque du Soleil verpflichtet sind,
setzt Renz auf bodenständige, leicht verständliche
Inszenierungen und bleibt somit der Tradition des Circus als
Theater des Volkes treu. "Jungle Fantasy" gelingt heuer nun ganz
besonders überzeugend. Insbesondere im ersten Teil wurde das
Dschungel-Motto - tatkräftig unterstützt durch eine
sensationelle Lichtregie (Gilbert Weiser), ein versiert
aufspielendes Orchester und die Akzente setzenden Ansagen von
Direktor Robert Ronday - perfekt umgesetzt. Den roten Faden der
Show bilden die Clowns Milko und Frenky, die uns in passendem
Tropen-Outfit mit auf eine Safari nehmen. So erleben wir die
beiden unter anderem mit ihrem verrückt spielenden Urwald-Taxi
und auf der Jagd nach einem großen Affen.
Tom Dieck junior,
Milko und Frenky
Zu Beginn der Show
allerdings zelten die beiden im Zentralkäfig und werden vom
Gebrüll von Tom Dieck juniors Löwen vertrieben. Diese beweisen
sich unter der eleganten Peitschenführung von Dieck junior
insbesondere als sprunggewaltig und sorgen mit Scheinangriffen
für eine gehörige Portion Nervenkitzel. Anschließend erleben wir Tamara
Weiser, die als geheimnisvolles Dschungelwesen bis zu vier
Teppiche mit den Füßen jongliert und sich dabei sogar gen
Zeltkuppel ziehen lässt. Geradezu zwingend ist angesichts des Programmmotos natürlich auch das Engagement einer afrikanischen
Springertruppe. Diese fünf Jungs kommen aus Ghana und zeigen in
ihrem ersten Auftritt in farbenprächtigen Kostümen und mit der
gewohnten mitreißenden Lebensfreude die üblichen
Menschenpyramiden. Ein Artist der fünfköpfigen Truppe beweist
nach Art eines Klischniggers aber auch extreme Beweglichkeit.
Karah Khavak,
Simona und Aston
Auf die
Afrikaner-Truppe folgt Michel Jarz mit einem kleinen Exotenzug
aus dem Hause Fliegenpilz: Drei Zebras, ein Kamel, vier Guanakos
und zwei Rinder. Als Tarzan und Jane erleben wir anschließend
Simona und Aston, die in ihre Kür an grünen Tuchstrapaten sogar
den Genickhangwirbel eingebaut haben. Ebenso kongenial zum
Dschungel-Thema passend ist dann freilich auch die Pausennummer:
Karah Khavaks aufwendig, im Stil von Indiana Jones inszenierte
Reptilienshow mit Schlangen, Krokodilen, Skorpionen, Waranen und
Vogelspinnen. Eine Nummer, die eigentlich rein vom Schauwert
lebt, aber dennoch ungemein publikumswirksam ist und im
Zuschauerraum für helle Aufregung sorgt und somit ganz sicher
das erhoffte Pausengespräch ist.
Tamara Weiser |
Hälfte zwei
beginnt mit einem artistischen Ausrufezeichen: Die Flying
Neves aus Brasilien, die bereits in der vergangenen Saison
bei Herman Renz engagiert waren, zeigen am Flugtrapez die
üblichen Tricks des Genres (Dreifacher Salto und Passage) -
der Bezug zum Dschungel wird hier allerdings nicht wirklich
deutlich. Ganz anders ist das natürlich beim zweiten
Auftritt der afrikanischen Artisten aus Ghana, die sich
dieses Mal als Feuerspucker und Limbotänzer präsentieren.
Und auch der indische Elefant von Adriana Folco passt zum
Thema und wird obendrein noch wunderbar schwungvoll und
trickreich präsentiert. Folcos Sohn Amedeo übrigens gab im
ersten Programmteil sein Manegendebüt mit einer kurzen
Ponyfreiheit. Ebenfalls in die Dschungel-Szenerie eingepasst
ist der zweite Auftritt von Tamara Weiser. Ihre im
Tigerkostüm vorgetragene und stimmungsvoll ausgeleuchtete
Arbeit am Schwungseil, die hauptsächlich aus Posen besteht
und Abfaller vermissen lässt, gehört allerdings zu den
wenigen Schwachpunkten des Programms. Auch und gerade weil
sie das Tempo der Show ausbremst. Schlussnummer ist dann
völlig zurecht die leistungsstarke Hand-auf-Hand-Darbietung
des russisch-bulgarischen Duo Serjo. Zusätzlichen Reiz
gewinnt die vom Schweizer Nationalcircus Knie und Flic Flac bekannte Nummer durch
eine alle Register ziehende Lichtregie, die die beiden
Artisten in phantastisches blaues beziehungsweise rotes
Licht taucht. |
Duo Serjo, Adriana
Folco
Liebe zum Detail
beweist das Hermann-Renz-Team auch im Finale. Nicht nur, dass
dafür extra eine Wasserorgel aufgebaut wurde, die mit
illuminierten Fontänen den Einmarsch aller Artisten begleitet.
Nein, um dem Schlussbild auch noch das letzte i-Tüpfelchen
aufzusetzen, erscheinen das vierköpfige Hausballett und die
Afrikaner-Truppe in farbenprächtigen Inka-Kostümen. Man kann es
also nicht anders sagen: Herman Renz zeigt auch 2010 eine Show,
die in puncto Inszenierung und Atmosphäre Maßstäbe setzt.
Zeitgemäßer und stimmungsvoller kann man klassischen Circus
jedenfalls kaum präsentieren. |