CHPITEAU.DE

Cirque Starlight - Tour 2010
www.starlight-production.com

Genf, 2. April 2010: Eine Flugreise nach Kuba und zurück – dies ist das Thema der neuen Show des Schweizer Circus Starlight. Wiederum wurde für die fünfmonatige Tournee mit vielen Kurzgastspielen, zumeist in der französischsprachigen Westschweiz, eine komplett neue Inszenierung geschaffen. „StarFlight“ ist der pfiffige Titel. Während sonst bei Starlight häufig kanadische Artisten zu sehen sind, passend zum Cirque-Nouveau-Stil kanadischer Prägung, haben die Gassers heuer einige junge Kubaner in die Schweiz geholt, außerdem zwei französische Artistinnen und zwei Clowns aus Russland.

Während des Einlasses werden auf einer großen Leinwand im Hintergrund der rechteckigen Bühne Bilder aus der Probenphase gezeigt: Mit 20 Personen, darunter Regisseur, Choreographin und Fotograf, waren die Gassers nach Kuba geflogen und probten dort mit dem gesamten Ensemble einen Monat lang in einem Chapiteau des kubanischen Nationalcircus. Dort wurde die Show dann auch erstmals für drei Tage gezeigt – Starlight feierte Premiere in Kuba! Nach weiteren drei Wochen Proben im Quartier des Cirque Starlight im schweizerischen Porrentruy begann dann die Tournee. Chapiteau.de besuchte den Circus in Genf, wo man wegen Bauarbeiten auf dem traditionellen, sehr zentralen Circusplatz Plaine de Plainpalais wie im Vorjahr auf ein Areal an den Vernets-Kasernen ausweichen musste. Im vierten Jahr verfolgen wir nun die Entwicklung des Circus Starlight. Nach etwas sperrigeren Kreationen rund um eine Hausbesetzungs-Szenerie („Squat“, 2007) und allgegenwärtige Klappstühle („C’comme, 2008), ließen sich der ironische Blick auf den traditionellen Circus im Jahr 2009 („Coulisse“) und nun die „StarFlight“-Flugreise auch ohne die Erklärungen im Programmheft verstehen.


Las Andeliye, Trio Bordeaux, Jessica Gasser mit Duo Fénix

Die erste Hälfte des Programms beschreibt die Flugreise nach Kuba – vom Check-in bis zur Landung. Da werden zum Beispiel am Flughafen Gepäckstücke gewogen und erscheint die Kilogramm-Anzeige auf der Leinwand. Oder es wird das Flugzeug an die Leinwand projiziert, das die Akteure dann mittels einer nachgebauten Flugzeugtreppe betreten. Wenn dann das Gepäck per Leinwandeinblendung nach oben geladen wird, erklimmt auch die erste Artistin luftige Höhen: die Französin Amélie Duport an zwei parallelen Vertikalseilen, an denen sie unter anderem verschiedene Haltetricks zeigt. Im Inneren des Flugzeugs kämpfen Direktionssohn Christopher Gasser, wie 2009 wieder in der komischen Rolle eines echten Griesgrams, und seine beiden russischen Clownskollegen Yury Mikhaylik und Igor Yaroshevich um die besten Plätze an Bord. Später, in einem weiteren Auftritt, mimen sie mit kreisenden Taschentüchern ein Propellerflugzeugs. Leider jedoch wird bei ihren Pantomimen nicht immer deutlich, worum es gerade geht, etwa bei ihrem Auftritt im Schneetreiben kurz vor dem Finale. Jessica Gasser nutzt die Zeit „über den Wolken“, um ein Buch zu lesen – und liest auch unbekümmert in jeder erdenklichen Pose weiter, während sie gemeinsam mit den beiden kubanischen Flugkapitänen alias Erisley Garcia Sanchez und Edelio López Vásquez alias Duo Fénix eine Handstandnummer zeigt. Amélie Dupart, hier mit Partnerin Johanna Vina, ist auch Akteurin der zweiten Luftnummer im Programm, nun am Hängeperche. Die beiden Frauen agieren abwechselnd als Porteure.


Duo Romy, Ensemble, Jessica Gasser

Kreisende, bunte Lichter auf der Leinwand symbolisieren schließlich den Landeanflug auf Kuba. Die drei Kubanerinnen des Trios „Las Andeliye“ liefern hier auf ihren Einrädern einen temperamentvollen Vorgeschmack auf das Land, zu typisch kubanischer Musik und in bunten Kostümen. Der Spagat auf den Schultern zweier Einrad fahrender Partnerinnen, später auch der Stand in der Brücke auf den Schultern zweier radelnder Mädchen gehören zum Repertoire der Nummer, ebenso eine Passing-Jonglage mit acht Ringen. Die „StarFlight“ ist nun gelandet, die Passagiere nutzen den Ausstieg für einen kollektiven Tanz – dann ist Pause. Nun ist natürlich die Erwartung geweckt, dass im zweiten Teil des Programms, nachdem das Ensemble in Kuba angelangt ist, voll auf Tempo gesetzt wird, auf kubanische Musik und Lebensfreude, auf Karibik-Feeling pur, wie bei der Einradnummer. Dem ist, wenn überhaupt, leider nur zum Beginn so. Wenn auf der Leinwand kubanische Autos durchs Verkehrschaos drängeln und dazu die Kubaner des Duo Fénix in ihrem zweiten Auftritt Mastakrobatik zeigen. In einer bunten Strandszenerie mit Cocktailbar und Livegesang. Die bekannte Arbeit von Jessica Gasser am Schwungtrapez (Genickhang, Abfaller) leitet dann nämlich über in eine ganz ruhige Reise ins karibische Meer, verkörpert durch Wellengang aus sich bewegenden Stoffbahnen. Da wird im Luftring-Boot übers Wasser gerudert, werden an der Angel nicht Fische gefangen, sondern Bonbon-„Köder“ unters Publikum gebracht.


Johanna Vina

Und dann zelebriert die „Meerjungfrau“ Johanna Vina ihre mit Kontorsionselementen verknüpfte Handstandarbeit. Nun geht es schon wieder zum Rückflug – das Duo Fénix alias die beiden Flugkapitäne schwebt hierzu in seiner dritten Darbietung an roten Seidentüchern mit einzeln und zu zwei gearbeiteten Tricks. Ein ungewöhnliches Genre für ein männliches Duo. Zur Gepäckentladung, dem „Kofferwerfen“, passt dann gut die Ikariernummer der beiden Muskeltypen des kubanischen Duos Romy. Auf den Einsatz einer Trinka wird verzichtet, der Untermann hat nur ein kleines Kissen an den Rücken geschnallt und liegt ansonsten am Boden. Zur Darbietung gehört unter anderem eine Abfolge von zehn Salti, die jeweils im Sitzen gestartet und gelandet werden. Und dann wird es, zum Finale, wieder Zeit für einen fröhlichen Flugzeug-Ausstieg.

Die Show 2010 ist gekennzeichnet von einer schönen Grundidee und vielen kreativen Einfällen, hinsichtlich der Zusammenarbeit mit Kuba sicher auch von einem gewissen Mut zum Risiko. Allerdings war das 2009er Programm artistisch stärker und die neue Kreation, zumindest beim Besuch an der dritten Tourneestation Genf,  noch nicht ganz so schwungvoll und mitreißend wie "Coulisse" – wobei das Direktionspaar Heinrich und Jocelyne Gasser versicherte, dass während der ersten Wochen der Tournee noch weiter am „StarFlight“ gefeilt werden sollte.

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Text: Markus Molll; Fotos: Tobias Erber, Sven Rindfleisch