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Circus Monti - Tour 2011
www.circusmonti.ch

Arlesheim, 7. Mai 2011: Im Schweizer Circus Monti vertraut die Direktions-Familie Muntwyler die Gestaltung der Programme fast jedes Jahr einem anderen Regisseur an. Da mag es fast erstaunen, dass sich – bei allem Wandel, immer komplett neuen Programmottos und stets frischen Ideen – doch ein typischer „Monti-Stil“ durch alle Produktionen zieht. Die Melange aus Circus und Theater, das Verträumte, die eher leiseren Töne, das „pädagogisch Wertvolle“, all das macht die Monti-Note aus. Die Kontinuität im Wandel wird auch darin begründet sein, dass die wechselnden Kreativen fast immer Studienjahre an der Scuola Teatro Dimtri verbracht haben.

Dies gilt auch für die aktuellen Macher Rico Grandjean (Regie) und Tom Tafel (konzeptionelle Mitarbeit). Andreas Muntwyler, der für diese Saison zum Circus seiner Familie zurückgekehrt ist, unterstützte beide als Regieassistent. Das Programm „En bloc“ erzählt die Geschichte eines Wohnblocks. Leitfrage: Was sind das für ganz unterschiedliche Charaktere, die zufällig unter einem Dach, aber doch in anderen Welten leben? Anstelle des klassischen Artisteneinganges bildet heuer ein Gerüst mit mehreren Etagen die Kulisse, verkörpert den Häuserblock. „En bloc“ sind aber auch verschiedene, unterschiedlich geformte Holzkisten mit diversen Öffnungen, die ständig die Plätze in der Manege wechseln. Sie dienen, ideenreich eingesetzt, als Podien, Requisiten und Kulisse. In einem weiteren Handlungsstrang berichtet Erzähler Dominique Jann von einem Circuszelt, das von einem Sturm davongetragen wird und andernorts wieder landet.


Jonas Egli sowie Tobias, Mario und Johannes Muntwyler

Direktionssohn Tobias Muntwyler feiert in diesem Jahr bereits sein 10. Manegenjubiläum. Er pendelt zwecks seiner Kaufmannsausbildung zwischen der Berufsschule in Aarau, dem Lehrbetrieb in Wohlen und dem Circusbüro. Sooft es seine Zeit erlaubt, tritt er gemeinsam mit Jonas Egli - als coole Skater - in einer Diabolonummer auf, die gleich zu Programmbeginn einen der Show-Höhepunkte setzt. Die erwähnten Kisten dienen hier als Podien, um die Diabolos über zwei Ebenen fliegen zu lassen; die Diabolos fliegen durch die Öffnungen einer Kiste, und schließlich verfügt eine der Kisten noch über eine „Rutschbahn“ im Inneren. Über diese werden fünf Diabolos ins Rollen gebracht, von Egli gefangen und weitergeworfen zu Muntwyler. Dieser fängt sie wiederum mit dem Seil und lässt sie fliegen, bis fünf Diabolos durch die Luft kreisen. Im dritten Anlauf gelingt bei unserem Besuch der famose Trick. Tobias Muntwylers jüngerer Bruder Mario, bisher immer mit Partnern in der Manege zu sehen gewesen, zeigt heuer seine ersten Solonummer, zunächst mit fünf Ringen, dann mit fünf Keulen. Auch Vater Johannes ist heuer wieder in der Manege aktiv. Er verkörpert – bewusst so gar nicht in die Wohnblock-Story passend – einen Sultan in typisch orientalischer Kostümierung. Auf dem Kurzschwert im Mund balanciert er, Spitze auf Spitze, einen Säbel und lässt sich so auf einem „fliegenden Teppich“ sitzend unter die Zeltkuppel ziehen. Nach einem scheinbaren Defekt der „Fernbedienung“ für den Teppich, steigt er – weiterhin den Säbel balancierend – über eine Strickleiter wieder in die Manege. Muntwylers Lebensgefährtin Armelle Fouqueray dagegen nimmt in dieser Saison eine Manegen-Auszeit und konzentriert sich auf administrative Tätigkeiten. Alle drei Darbietungen der Muntwylers sind im ersten Programmteil zu sehen. Eine außergewöhnliche Bodenakrobatik zeigt Raphaël Perrenoud, bei der er unter voller Ausnutzung der Spielfläche Salti, Flic Flacs & Co. kombiniert. Sarah Lett mit rasanten Drehungen und Wendungen im Cyrrad, diesem in Mode gekommenen Rhönrad nur aus einem Reifen, ist dann bereits Pausennummer. Am Ende ihres Auftritts gesellen sich weitere Artisten in Cyrrädern, auf Skateboard und Fahrrad dazu. Insgesamt kommt die erste Programmhälfte leider nicht recht in Schwung, bleibt ein wenig hinter den hohen Erwartungen zurück, trotz der starken Diabolonummer zu Beginn.


Giulio Lanzafame, Kulisse, Marie-Eve Dicaire

Besser gefällt der zweite Programmteil, der mit Terry Cranes außergewöhnlicher, auf interessante Fesslungen und Entfesslungen setzende Vertikalseilarbeit beginnt. Ihm folgt Marie-Eve Dicaires hervorragende, langsam und kräftezehrend vorgetragene Handstandkür. Dass sie eine Zierde für jedes Programm wäre, dafür sprechen auch ihre vergangenen Engagements unter anderem bei Soleil-, G.O.P.- und Palazzo-Produktionen. Ein Tanz des Ensembles – kein Monti-Programm ohne solche Gruppen-Szenen – leitet über zum Auftritt des Duos Madrona, Rachel Nehmer und Benjamin Wendel, am still hängenden Trapez mit einigen durchaus riskanten Tricks. Mick Holsbeke ist der kreative Komiker im Ensemble. Nach u.a. einer vergnüglichen Diabolo-Persiflage, bei der er seinen eigenen weiß bestrumpften Fuß „jongliert“, hat er nun seinen stärksten Auftritt – als Kugelläufer zwischen einem Wald aus Holzkisten, der nicht mehr weiß, wie er seine Balancen stoppen soll. Etwas ganz anderes als die üblichen Reprisen und herrlich komisch! Giulio Lanzafame, der in der Eröffnungsszenerie bereits kurz auf einem Schlappseil in Form einer Wäscheleine balanciert hat, ist auch die Schlussnummer vorbehalten. Zum Teil auf einem Stuhl sitzend, jongliert er bis zu fünf rote Bälle nicht nur mit den Händen, sondern auch mit nackten Füßen. Eine äußerst anspruchsvolle Arbeit, die aber wegen ihres ruhigen Charakters an dieser Stelle etwas unglücklich im Programm platziert ist. Sechs Artisten auf einem Fahrrad, drei auf einem zweiten leiten mit dieser letzten, kurzen Ensemblenummer ins Finale über, in dem sich die Artisten über begeisterten Applaus und Zugaberufe freuen können. Wie immer wird das Programm mit eigens komponierter Musik vom siebenköpfigen Orchester begleitet.

Auch wenn uns die Monti-Programme der letzten Jahre insgesamt mehr überzeugt haben, ist doch immer wieder die hohe Professionalität hervorzuheben, mit der hier gearbeitet wird. Das gilt für die mit viel Kreativität und Liebe zum Detail gestalteten Programme ebenso wie für den mustergültigen Wagenpark oder das edle, inhaltlich wie grafisch herausragend gute Programmheft. Offenkundig gibt auch der Erfolg den Machern recht.

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Text: Markus Moll; Fotos: Tobias Erber, Sven Rindfleisch