Anders noch als bei Beatles und
Presley entschloss man sich, zunächst eine reisende Show zu
kreieren und erst später in Las Vegas heimisch zu werden. Soleil
setzt sich dabei selbst in die Tradition der drei Welttourneen,
die Michael Jackson während seiner Karriere beging. „The
Immortal“ setzt dabei die Schwerpunkte dort, wo Michael Jackson
selbst sie wahrscheinlich gesetzt hätte: bei seiner mitreißenden
Musik und seinem außergewöhnlichen Tanzstil.
Jean Sok
Hourth, Smooth Criminal, Dancing Machine
Aus den perfekt bis zum Anschlag
aufgedrehten Musikboxen erklingen dabei alle bekannten Hits des
„King of Pop“ – von „Beat it“ über „Thriller“, „Billie Jean“ und
„Earth Song“ bis „Black or White“. Für Mitsing-Garantie ist also
gesorgt. Zudem wurden auch weniger bekannte Stücke und Songs aus
der Zeit der „Jackson 5“ in die Show integriert. Während Michael
Jacksons Stimme vom Band eingespielt wird, setzt Soleil für die
Musikbegleitung auch in dieser Show auf eine elfköpfige
Live-Band (zwei Sänger und neun Instrumentalisten). Ebenso
großen Wert legen die Macher auf den Tanz. Das zeigt sich allein
darin, dass insgesamt zehn Choreografen mit der Ausarbeitung der
Show beschäftigt waren – ganz zu schweigen von den übrigen
kreativen Köpfen hinter „The Immortal“, die Soleil
traditionsgemäß mehr in den Fokus rückt als die eigentlichen
Akteure auf der Bühne. Bis zu 22 Tänzer agieren
zuweilen gleichzeitig auf der Bühne und versuchen sich an den
mittlerweile legendären Choreografien von Michael Jackson, so an
seinen roboterartigen Bewegungen zu „Dancing Machine“, dem „Anti
Gravity Lean“ (das weite Nach-vorne-lehnen des Oberkörpers) in „Smooth
Criminal“ und natürlich am Moonwalk. An Jacksons Perfektion
kommen sie dabei nicht heran. Aus dem Kreis der Tänzer stechen
die beiden Stepptänzer Joseph und Josette Wiggan sowie Jean Sok
Hourth heraus. Letzterer, am Bein amputiert, zeigt den bei
Soleil so beliebten Tanz auf Krücken.
They don't care about us, "Neverland-Ranch",
Fanatics
Auch die durch die Show führenden
Figuranten stammen aus der Schar der Tänzer. Neben fünf „Fanatics“,
die Michael Jacksons treueste Fans symbolisieren sollen und als
eine Art Animateure immer mal wieder auch im Publikum
auftauchen, steht an zentraler Stelle ein namenloser,
„gesichtsloser“ Mime – abwechselnd verkörpert durch die Tänzer
Salah Benemqawanssa oder Mansour Abdessadok. Jener Mime soll
laut Soleil „einen jeden von uns“ verkörpern, der am Ende der
Show selbst zu Michael Jackson wird und sich seinen Traum
erfüllt. Das ist einer jener Kitsch-Momente, ohne die „The
Immortal“ leider nicht ganz auskommt. Ein rotes Herz dient als
Grundmotiv und wird immer wieder aufgegriffen. So verwandeln
sich die tanzenden Roboter zu „They don´t care about us“ von
gierigen Zeitgenossen zu welchen mit Herz, zeigen
Einspielsequenzen eine heile Welt. Nach dem Vorbild der
berühmten Neverland-Ranch erscheinen immer wieder Paradiese für
Tiere und Kinder, die in der Optik eines „Bambi“-Films aber eher
dem Versuch gleichen, den Mythos Michael Jackson - auch post
mortem - weiterhin reinzuwaschen.
Star der Show: die Technik
Dabei sind die Einspielsequenzen
bzw. die Technik dahinter das eigentliche Highlight und der Star
der Show. Ein riesiger bespielbarer Baum, der „Giving Tree“ auf
Neverland darstellen sollte und auch im Logo zur Tour zu sehen
ist, wurde zwar inzwischen (zumindest in der besuchten Show)
aufgrund des enormen Aufwands nicht mehr errichtet. Aber auch so
ist das, was Soleil hier an technischen Raffinessen auffährt,
schlicht gewaltig. Im Bühnenhintergrund hängen drei riesige
LED-Wände, davor steht das Musiker-Podium, dessen Außenseiten
ebenfalls mit Videotechnik bespielt werden und aus dem in der
Bühnenmitte eine Treppe, natürlich illuminiert, entstehen kann.
Von den Seiten fahren zuweilen weitere Videoleinwände hinein und
schlussendlich lässt sich sogar der mittlere, natürlich als
Videoleinwand bespielbare Bühnenboden bis zu 90 Grad aufrichten.
So entstehen fulminante Bilderfluten, die neben Animationen und
Live-Bildern auch immer wieder Ausschnitte aus den
Jackson-Musikvideos aufgreifen. Über einen Steg gelangen die
Akteure zudem auf eine hydraulische Rundbühne inmitten des
Publikums. Zusammen mit dem ebenso grandiosen Lichtdesign
eröffnet sich ein geniales Überwältigungs-Theater, das einen nur
staunen lässt!
Baasansuren Enkhbaatar,
Strapaten, Felix Cane
Dabei
bleibt, zugegebenermaßen, die Artistik auf der Strecke.
17
Artisten sind in der Show vertreten. Zumeist aber gehen sie
gegen die Tänzer und Bilderfluten unter. Da schwingen vier
Akteure kurz an Strapaten durch den Raum, dort wird zu „This
Place“ auf dem schwankenden Mast Zeitung gelesen, da werden die
Grabsteine zu "Thriller" von Parkour-Springern überwunden. Ob
der einzelne Betrachter dies allerdings auch so wahrnimmt,
ist fraglich, wenn man sich als Zuschauer auf die Musik und die
Tänze konzentriert. Nur selten werden die Artisten in den
Mittelpunkt gerückt, dann aber gebührt ihnen die volle
Aufmerksamkeit. Dies zeigt sich auch im Schlussapplaus.
Interessant, dass Soleil diese Künstler gezielt als
„Gast-Artisten“ im Programmheft nennt. Zu „Is it scary“ windet
sich Kontorsionistin Baasansuren Enkhbaatar als Wurm durch ein
überdimensionales Buch, das ein von Michael
Jackson verfasstes Gedicht enthält und als Statue auf Neverland
zu finden ist. Fünf Chinesen vollführen auf einer auf der
Rundbühne ausgelegten Tricking-Bahn diverse Kapriolen, Salti und
Piroutten inklusive. Den größten Applaus erhält hingegen Felix Cane, die sich als Weltmeisterin ihrer Disziplin zu „She is
dangerous“ an der Polestange windet. Das Strapaten-Duo Luba
Kazantseva
und
Igor Zaripov war hingegen nicht zu sehen und wurde durch vier
weibliche Artisten am Luftring ersetzt. Sie arbeiten im Dunkeln,
nur ihre Kostüme leuchten. Ähnlich ist das Finale gestaltet, in
dem die Tänzer zunächst in illuminierten Anzügen zu „Billie
Jean“ performen, sich abschließend alle Akteure zu „Black or
White“ mit einer bunten Fahnenparade verabschieden und zu guter
letzt gar ein Bühnenfeuerwerk abgefeuert wird. |