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Cirque du Soleil - Michael Jackson 2012
www.cirquedusoleil.com

Wien, 2. Dezember 2012: Seit der Cirque du Soleil im Jahr 2006 erstmals eine Musikshow rund um die Beatles entwickelte, haben die Macher offensichtlich Spaß an dem Konzept gefunden. Auf die Hits der „Fab Four“ folgte 2010 die Hommage an Elvis Presley. Während The Beatles Love weiterhin am Strip zu sehen ist, wurde Viva Elvis bereits in diesem Sommer wieder eingestellt und durch eine andere Soleil-Produktion ersetzt. 2011 dann, zwei Jahre nach dem Tod von Michael Jackson, erschuf man eine Show für den Unsterblichen, The Immortal. Folgerichtig wurde die Tournee auch so benannt.

Anders noch als bei Beatles und Presley entschloss man sich, zunächst eine reisende Show zu kreieren und erst später in Las Vegas heimisch zu werden. Soleil setzt sich dabei selbst in die Tradition der drei Welttourneen, die Michael Jackson während seiner Karriere beging. „The Immortal“ setzt dabei die Schwerpunkte dort, wo Michael Jackson selbst sie wahrscheinlich gesetzt hätte: bei seiner mitreißenden Musik und seinem außergewöhnlichen Tanzstil.


Jean Sok Hourth, Smooth Criminal, Dancing Machine

Aus den perfekt bis zum Anschlag aufgedrehten Musikboxen erklingen dabei alle bekannten Hits des „King of Pop“ – von „Beat it“ über „Thriller“, „Billie Jean“ und „Earth Song“ bis „Black or White“. Für Mitsing-Garantie ist also gesorgt. Zudem wurden auch weniger bekannte Stücke und Songs aus der Zeit der „Jackson 5“ in die Show integriert. Während Michael Jacksons Stimme vom Band eingespielt wird, setzt Soleil für die Musikbegleitung auch in dieser Show auf eine elfköpfige Live-Band (zwei Sänger und neun Instrumentalisten). Ebenso großen Wert legen die Macher auf den Tanz. Das zeigt sich allein darin, dass insgesamt zehn Choreografen mit der Ausarbeitung der Show beschäftigt waren – ganz zu schweigen von den übrigen kreativen Köpfen hinter „The Immortal“, die Soleil traditionsgemäß mehr in den Fokus rückt als die eigentlichen Akteure auf der Bühne. Bis zu 22 Tänzer agieren zuweilen gleichzeitig auf der Bühne und versuchen sich an den mittlerweile legendären Choreografien von Michael Jackson, so an seinen roboterartigen Bewegungen zu „Dancing Machine“, dem „Anti Gravity Lean“ (das weite Nach-vorne-lehnen des Oberkörpers) in „Smooth Criminal“ und natürlich am Moonwalk. An Jacksons Perfektion kommen sie dabei nicht heran. Aus dem Kreis der Tänzer stechen die beiden Stepptänzer Joseph und Josette Wiggan sowie Jean Sok Hourth heraus. Letzterer, am Bein amputiert, zeigt den bei Soleil so beliebten Tanz auf Krücken.


They don't care about us, "Neverland-Ranch", Fanatics

Auch die durch die Show führenden Figuranten stammen aus der Schar der Tänzer. Neben fünf „Fanatics“, die Michael Jacksons treueste Fans symbolisieren sollen und als eine Art Animateure immer mal wieder auch im Publikum auftauchen, steht an zentraler Stelle ein namenloser, „gesichtsloser“ Mime – abwechselnd verkörpert durch die Tänzer Salah Benemqawanssa oder Mansour Abdessadok. Jener Mime soll laut Soleil „einen jeden von uns“ verkörpern, der am Ende der Show selbst zu Michael Jackson wird und sich seinen Traum erfüllt. Das ist einer jener Kitsch-Momente, ohne die „The Immortal“ leider nicht ganz auskommt. Ein rotes Herz dient als Grundmotiv und wird immer wieder aufgegriffen. So verwandeln sich die tanzenden Roboter zu „They don´t care about us“ von gierigen Zeitgenossen zu welchen mit Herz, zeigen Einspielsequenzen eine heile Welt. Nach dem Vorbild der berühmten Neverland-Ranch erscheinen immer wieder Paradiese für Tiere und Kinder, die in der Optik eines „Bambi“-Films aber eher dem Versuch gleichen, den Mythos Michael Jackson - auch post mortem - weiterhin reinzuwaschen.


Star der Show: die Technik 

Dabei sind die Einspielsequenzen bzw. die Technik dahinter das eigentliche Highlight und der Star der Show. Ein riesiger bespielbarer Baum, der „Giving Tree“ auf Neverland darstellen sollte und auch im Logo zur Tour zu sehen ist, wurde zwar inzwischen (zumindest in der besuchten Show) aufgrund des enormen Aufwands nicht mehr errichtet. Aber auch so ist das, was Soleil hier an technischen Raffinessen auffährt, schlicht gewaltig. Im Bühnenhintergrund hängen drei riesige LED-Wände, davor steht das Musiker-Podium, dessen Außenseiten ebenfalls mit Videotechnik bespielt werden und aus dem in der Bühnenmitte eine Treppe, natürlich illuminiert, entstehen kann. Von den Seiten fahren zuweilen weitere Videoleinwände hinein und schlussendlich lässt sich sogar der mittlere, natürlich als Videoleinwand bespielbare Bühnenboden bis zu 90 Grad aufrichten. So entstehen fulminante Bilderfluten, die neben Animationen und Live-Bildern auch immer wieder Ausschnitte aus den Jackson-Musikvideos aufgreifen. Über einen Steg gelangen die Akteure zudem auf eine hydraulische Rundbühne inmitten des Publikums. Zusammen mit dem ebenso grandiosen Lichtdesign eröffnet sich ein geniales Überwältigungs-Theater, das einen nur staunen lässt!


Baasansuren Enkhbaatar, Strapaten, Felix Cane

Dabei bleibt, zugegebenermaßen, die Artistik auf der Strecke. 17 Artisten sind in der Show vertreten. Zumeist aber gehen sie gegen die Tänzer und Bilderfluten unter. Da schwingen vier Akteure kurz an Strapaten durch den Raum, dort wird zu „This Place“ auf dem schwankenden Mast Zeitung gelesen, da werden die Grabsteine zu "Thriller" von Parkour-Springern überwunden. Ob der einzelne Betrachter dies allerdings auch so wahrnimmt, ist fraglich, wenn man sich als Zuschauer auf die Musik und die Tänze konzentriert. Nur selten werden die Artisten in den Mittelpunkt gerückt, dann aber gebührt ihnen die volle Aufmerksamkeit. Dies zeigt sich auch im Schlussapplaus. Interessant, dass Soleil diese Künstler gezielt als „Gast-Artisten“ im Programmheft nennt. Zu „Is it scary“ windet sich Kontorsionistin Baasansuren Enkhbaatar als Wurm durch ein überdimensionales Buch, das ein von Michael Jackson verfasstes Gedicht enthält und als Statue auf Neverland zu finden ist. Fünf Chinesen vollführen auf einer auf der Rundbühne ausgelegten Tricking-Bahn diverse Kapriolen, Salti und Piroutten inklusive. Den größten Applaus erhält hingegen Felix Cane, die sich als Weltmeisterin ihrer Disziplin zu „She is dangerous“ an der Polestange windet. Das Strapaten-Duo Luba Kazantseva und Igor Zaripov war hingegen nicht zu sehen und wurde durch vier weibliche Artisten am Luftring ersetzt. Sie arbeiten im Dunkeln, nur ihre Kostüme leuchten. Ähnlich ist das Finale gestaltet, in dem die Tänzer zunächst in illuminierten Anzügen zu „Billie Jean“ performen, sich abschließend alle Akteure zu „Black or White“ mit einer bunten Fahnenparade verabschieden und zu guter letzt gar ein Bühnenfeuerwerk abgefeuert wird.

Diese Produktion verdeutlicht einmal mehr, wie sich der Cirque du Soleil in den letzten Jahren entwickelt hat – vom alternativen Theatercircus zu einer Entertainment-Maschinerie. Denn das ist „The Immortal“ ohne Frage: perfektes Entertainment. Dafür sorgen ausgesucht gute Artistik, große Tanzbilder, natürlich Michael Jacksons einmalige Musik und eine beeindruckende Demonstration heutiger Video- und Lichttechnik.

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Text: Benedikt Ricken; Fotos: Cirque du Soleil