Der Circus
bietet auf dem Aalener Festplatz ein einladendes Bild: Drei
aufwendig bemalte Wagen bilden die Front; der mittlere ist der
bekannte Durchgangswagen mit Kasse und Klassenzimmer der
Circusschule, die beiden äußeren stammen vom Circus Berlin und
tragen auch noch entsprechende Aufschriften. An das große,
auffällig hohe Chapiteau, dem die Quaderpole seine markante Form
geben, schließt sich die Tierschau mit ihren großzügigen
Stallungen und dem großen Elefanten-Außenpaddock mit massivem
Zaun anstatt Weidedraht an.
Alicia und Nico Spindler
Im Hauptzelt
ist zu Beginn der Vorstellung bereits die Wassermanege aufgebaut
und das Wasser eingelassen, mehrere Gänse ziehen während der
gesamten ersten Halbzeit ihre Kreise auf der Wasserfläche. Der
üblichen Anordnung einer Wassermanege entspricht die runde
Plattform in der Mitte, auf der die artistischen Darbietungen
stattfinden. Allerdings verbirgt sich darin noch keine Technik
für Licht- und Wasserspiele, wie es zum Beispiel von Fliegenpilz
bekannt ist. Stattdessen befinden sich im Wasserbecken links und
rechts der Plattform einige Fontänen. Nun ist „Circus unter
Wasser“ immer mit der Frage verbunden, wie das nasse Element
eigentlich genutzt werden soll – im Wasser selbst findet bei
Voyage aktuell gar nichts statt, aber immerhin wurde der
Programmteil „unter Wasser“ in eine kleine Geschichte
eingebunden, deren Kapitel von Moderatorin Bettina Richter
charmant verlesen werden. Es geht um die junge Circusartistin
Alicia (Spindler), die den Zorn des Meeresgottes Neptuns auf
sich zieht und von ihm zur Meerjungfrau verwandelt wird. Nur
wenn es ihr gelingt, durch ihre Auftritte die Herzen des
Publikums zu erobern, soll sie ihre menschliche Gestalt
zurückerhalten. Gelegenheiten hierzu bieten sich bei ihrer
Artistik am Luftring, bei einer Taubenrevue und schließlich bei
der Antipodenarbeit, bei der verschiedene Walzen, u.a. mit
Fackeln besetzt, mit den Füßen jongliert werden. Als
Schlusstrick befestigt Alicia ein Gestell mit drei Plattformen
und einem Korb an der Spitze an ihren Füßen. Geschickt lässt sie
einen Fußball die drei Plattformen hinaufwandern und bugsiert
ihn schließlich gekonnt in den Korb an der Spitze.
Anastasia Rogall
und Andreas Bügler
Unterstützung
auf ihrem Weg zur „Menschwerdung“ erhält die Meerjungfrau auch
von den weiteren Artisten im Programm – auch wenn deren Zahl
diesmal überschaubar ist. Während Voyage auch schon mit üppiger
besetzten Programmen reiste (z.B. 2010: Mutter und Tochter
Trechina, Mandy Mercedes, Manuel Lorador, Duo Berosini und Mr.
Lauretti), sind in dieser Saison nur zwei Artisten engagiert,
Andreas Bügler und seine Freundin Anastasia Rogall. Bügler
erweist sich als sympathischer Reprisenclown, der den Kontakt
zum Publikum findet, zum Beispiel bei seiner Variante des
„Popcorns“ mit eigenständigen Ideen (u.a. werden für tosenden
Applaus kleine Popcorntütchen verschenkt) und passend zum
Wassercircus mit dem Hai-Angriff im Planschbecken à la Clown
André. Im zweiten Programmteil spielt er mit einer Reihe von
Kindern die „Reise nach Jerusalem“. Anastasia dagegen ist eine
vielseitige Artistin mit Ausstrahlung. Auf und an einem ovalen
Metallgestell mit integrierten Tisch kombiniert sie Haltetricks
wie bei einer Luftnummer, Handstände und vor allem Kontorsion;
u.a. setzt sie sich mit den Füßen einen Hut auf den Kopf. Das
klassische Vertikalseil ist im Circus fast schon rar geworden,
doch Anastasia Rogall präsentiert daran Tricks wie einen Wirbel
an einer Hand und später an einem Bein. Direktionsspross Nico
Spindler ist zudem mit einer kurzen Handstandarbeit zu sehen, an
deren Ende er die Treppe des Requisits Stufe für Stufe auf
Händen hinunter springt. Insgesamt ist der erste, durchaus
einfallsreich gestaltete Programmteil der gefälligere. Die
Darbietungen werden mit zumeist moderner Hitparadenmusik vom
Band begleitet, nachdem das neue polnische Orchester bereits
kurz nach Saisonbeginn den Dienst quittiert hat. Aktuell wird
die CD-Musik lediglich durch einen Schlagzeuger akzentuiert.
Leonardo, Alois und Diana
Spindler
Nach der
Pause lädt Voyage zu seiner „Reise durch die größte tierische
Circusshow“. In jeweils recht kurzen Auftritten wird in der Tat
eine Vielzahl von Tieren vorgestellt, beginnend mit einem
Sechserzug Pintoschecken und Kamele, später mit einem Sechserzug
Friesen und einem Andalusier als Steiger. Dazu gibt es in
bewährter Weise Videoeinspielungen mit passenden
Hintergrundbildern aus den Herkunftsländern der Tiere. Schön
gestaltet ist das spanische Schaubild. Die doppelte Hohe Schule
von Direktionsgattin Diana mit Tochter Alicia wird von Artistin
Anastasia mit artistischen Einlagen an den roten Seidentüchern
und auf dem Drahtseil begleitet. Hier, wie auch im gesamten
Programm, gefallen besonders auch die sehr schönen Kostüme der
Akteurinnen und die Geschirre der Pferde. Schließlich geht es
nach Afrika – nach dem Aufmarsch der vier Elefanten zeigt eines
der Tiere Zweibeinstand und Hochsitzer, zwei weitere Elefanten
zeigen ihre Fähigkeiten beim Ballspielen. Der jüngste
Direktionsspross Leonardo darf das gewaltige Flusspferd füttern,
und Prinzipal Alois Spindler wagt gar den Ritt auf Nashorn Hulk.
Krönender Abschluss des Voyage-Programms ist fast schon
traditionell die Fahrt von Nico Spindler, zeitweise mit Partner,
durch die Motorradkugel. |