Nach dem die Kristofs in den
letzten Jahren mit viel Aufwand den eigentlichen Spielraum, u.a.
durch neue Sitzplätze und aufwendige Lichtanlagen, modernisiert
hatten, erstrahlen nun auch weite Teile des Foyers im neuen
Glanz. Wo vorher veraltete Holzpaneele die Besucher erwarteten,
finden sich nun edle, in dunklem Rot gehaltene Säulen mit
Spiegelelementen. Dieses Farbschema wurde auch für die ebenfalls
neu gestaltete Restauration übernommen. Oberhalb der
Verkaufstheken befinden sich nun zahlreiche Bildschirme, die mit
Informationen und Showimpressionen aufwarten. Im kompletten Bau
sind zudem wechselnde Ausstellungen installiert, im Moment mit
circensischen Motiven rund um das Thema „Realität und Illusion“.
Eine Änderung betrifft dann doch den Innenraum. Der Gummibelag
in der Manege ist einer Sägemehl-Sand-Mixtur gewichen.
Florian, Edith und
Joseph jr. Richter
Grund dafür sind die
zahlreichen Tierdressuren in der aktuellen Produktion
„Ungarische Circusstars“, der – im Grunde – ersten eigenen unter
der Regie von Joseph Richter. Jener hat für das Programm
zugleich seine Familie um sich versammelt. Der jüngere Sohn,
Joseph Richter jr., präsentiert vier Kamele und den
familieneigenen Elefanten Sandra in einer gemeinsamen
Laufarbeit. Dabei überrascht immer wieder die Selbstständigkeit
der Dickhäuterdame, so zum Beispiel beim gemeinsamen
Fächer oder beim Gegenlauf. Abschließend umrunden zwei
schottische Hochlandrinder die auf Podesten stehenden Kamele,
und zwei ungarische Steppenrinder überspringen die abliegenden
Wüstenschiffe. Dieser Dressurblock ist als orientalische
Phantasie aufgebaut, mit prächtigen Decken für die Tiere,
Beduinen und Haremsdamen. Jenes Ballett, insgesamt acht
Tänzerinnen, unterstützt die verschiedensten Darbietungen und
war (zumindest in Teilen) bei der „Horse Evolution Show“ mit von
der Partie. Von dort stammen auch die weiteren Dressuren,
allesamt mit Florian Richter im Mittelpunkt. Er ist der ältere
Sohn Joseph Richters und Ungarns uneingeschränkter „Circusstar“.
Zurzeit stellt er seine Abläufe um, so dass er zumeist mit
weniger Tieren als gewohnt arbeitet. Insgesamt aber laufen diese
wieder wesentlich besser als auf Tournee. Dort hatten
offensichtlich die Proben unter den anderen Verpflichtungen
eines „Neu-Direktors“ gelitten. Hier nun zeigt sich wieder das
gewohnte Bild: Herrliche, ruhige Tiere mit einem strahlenden
Vorführer in der Mitte. Hervorragend ist gleich der
erste, komplett neu zusammengestellte Auftritt: das achtköpfige
Ballett tanzt in folkloristischen Kostümen um einen Brunnen, es
gesellen sich vier Husaren und Florians Sohn Kevin Richter (zwölf Jahre) dazu.
Florian Richter, seine Frau Edith und Bruder Joseph jr. reiten
auf Friesen hinein und zeigen die Hohe Schule. Danach zeigen die
Husaren und Kevin Richter einen Fächer auf fünf berittenen
Friesen, ehe wieder Florian und Joseph jr. mit einer Hohen
Schule am langen Zügel und Edith Richter im Dogcart, inkl.
Steiger, dieses Bild schließen.
Richter-Truppe,
Florian Richter
Vor der Pause folgt dann die
bekannte Freiheit in Schwarz-Weiß. Sie ist allerdings auf fünf
Tiere, drei Araber und zwei Friesen, zusammengeschrumpft.
Dennoch werden alle bekannten Elemente gezeigt. Mit dem Flechten
dreier Tiere und einzelnen Steigern geht es dann in die
Unterbrechung. Anschließend ist erneut Florian Richter an der
Reihe, nun mit weiteren Variationen (Tandem, nebenstehend
angeleitet, Stehendreiterei) der Hohen Schule. Dieser Block
ersetzte in der besuchten Vorstellung, der dritten an diesem
Tag, die ungarische Post von Edith Richter. Schlussnummer ist
dann die in Monte Carlo mit Gold prämierte Jockeyreiterei der
Richter-Truppe. Laut Programmheft, in dem die Texte nun in
ungarischer und englischer Sprache abgedruckt sind, ist die
Nummer fünf Jahre nach dem Monaco-Gewinn zum ersten Mal im
Budapester Circusbau zu sehen. Acht Akteure gehören aktuell zur
Besetzung. Zu den Spitzenleistungen gehören nach wie vor der
Salto vom ersten zum dritten Pferd, Handvoltigen und Sprünge
über mehrere Pferde und das gemeinsame Reiten zum Abschluss.
Auch Kevin Richter ist bereits in die Nummer eingebaut, dreht in
den Händen seines Vaters bereits Saltos auf dem Pferderücken und
lässt sich (longengesichert) via Handvoltigen von Pferd zu Pferd
katapultieren.
Golden Power, "The Arc",
Costin Pity
Trotz dieser herausragenden
Leistungen, das Highlight des Programms ist ein artistisches
Ausrufezeichen - durch den Aufbau bereits am Beginn des
Programms platziert bzw. deplatziert. „The Arc“ (deutsch: Bogen)
nennt sich der zuletzt Anfang der 1990er Jahre gezeigte und nun
wieder von Lázló Simet, seiner Frau Olga und der gemeinsamen
Partnerin Diana Bakk ausgegrabene Auftritt auf einem
Eisengestell, das am ehesten mit einem Todesrad zu vergleichen
ist. Angetrieben wird das Rad allerdings nicht von Muskelkraft,
sondern durch einen Motor; anstatt Laufrädern gibt hier auf der
einen Seite nur ein Gegengewicht, auf der anderen Seite windet
sich ein großer Metallbogen. Das Ganze erinnert an ein
Ausrufezeichen. Dieser Bogen ist nicht sonderlich breit, und
daher gleichen die Balancen darauf auch eher einem Drahtseilakt.
Auch die gezeigten Tricks sind ähnlich. So gibt es u.a. das
Aufstehen auf einen Stuhl, ein Zwei-Personen-Hoch und die Fahrt
mit dem Fahrrad zu sehen. Während Lázló Simet das Rad fährt,
steht eine Partnerin auf dem Rad, die andere hängt an Schlaufen
unterhalb des Rades. Eine sensationelle Nummer, zumal sie
perfekt in Szene gesetzt ist. Die Artisten agieren als
Astronauten, dazu gibt es sphärische Klänge und abgestimmtes
Licht.
Auch die anderen Darbietungen
können weitestgehend überzeugen. Lorand und Adrienne Eötvös,
ansonsten mit dem eigenen Unternehmen unterwegs, jonglieren in
klassischer, edler Aufmachung mit Ringen und Keulen. Bis zu
sieben Ringe hält Lorand Eötvös in unterschiedlichsten
Wurfmustern in der Luft, zusammen mit seiner Frau folgen bis zu
neun Keulen im Passing. Das Duo Golden Power, ebenfalls in Monte
Carlo ausgezeichnet, zeigt eine erstklassige Adagio-Arbeit mit
verschiedenen Waagen, einer Genick-auf-Genick-Balance und dem
Spagat auf den Beinen des Untermannes. Vier Bungee-Springer (aus
der Richter-Truppe) sorgen im UV-Licht mit ihren Salti und
Pirouetten für schöne Bilder, zumal die Lichtanlage hier mehr
hergibt als auf Saison - und auch für die eigentlich nicht
gerade spektakuläre Messerwurf-Show des Duo Donnert wurde mit
Ballett und Feuerspielen eine aufwertendes Zigeuner-Bild
geschaffen. Anstatt eines Reprisenclowns gibt es lediglich zwei
gute komische Nummern. Im ersten Teil führen Roland Dittmár und
Àgnes Németh, die ja allein durch ihre unterschiedlichen
Körpergrößen für Lacher sorgen, ihren Ehezwist öffentlich auf.
Im zweiten Teil ist dann Costin Pity auf seinem Trampolin für
den Spaß zuständig. Dank starker Interaktion mit dem Publikum
gelingt ihm das ausgesprochen gut. Noch besser: Das wieder
einmal großartige achtköpfige Live-Orchester unter Attila Maka,
das beim Trampolin-Akt so richtig los fetzt und bei
Pferdefreiheit (eine ungarische „Allegria“-Version) und Finale
sogar durch Live-Gesang unterstützt wird.
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