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Circus des Horrors- Tour 2013
www.circusdeshorrors.de ; 90 Showfotos

Essen, 6. April 2013: Was in anderen Ländern seit Jahren Kult ist, haben deutsche Circus-Macher erst in der jüngsten Vergangenheit für sich entdeckt – den „Horror“ in die Manege zu bringen und mit düsterer Atmosphäre, spannender Akrobatik sowie mitunter durchgeknallten Typen wieder ein junges erwachsenes Publikum ins Zelt zu locken. Genau wie im Ausland scheint auch hierzulande die Idee aufzugehen. Joachim und Rosemarie Sperlich haben sich nun für so ein Konzept entschieden und gehen mit ihrem „Circus des Horrors“ erstmals seit Jahren wieder selbst auf Tournee.

Start der Tournee ist ein lange vorbereitetes Gastspiel in Essen. Dort wurden in einem Industriegebiet die großen Zeltanlagen des Karlsruher Weihnachtscircus errichtet. Draußen sind bereits erste Gräber angehäuft, die den Eindruck eines Friedhofs erwecken sollen. Betritt man das Vorzelt, so erreicht man zunächst eine Art Labyrinth. Dort warten bereits die ersten Walking Acts auf die Besucher. Erst dahinter befindet sich der eigentliche Gastronomie-Bereich mit mehreren Theken und Verkaufsbuden, in düsteres Licht getaucht und mit allerlei gruseligen Details dekoriert. Ein Lüster erhellt das Zelt. Durch den mit Spinnenweben durchzogenen Tunnel geht es dann ins Hauptzelt mit dem bekannten Schalensitzgradin und den zu “Gruften“ umgewandelten Logen.


Szene aus dem Finale

Der im letzten Winter beim Trierer Weihnachtscircus erstmals eingesetzte rot-goldene Artisteneingang grenzt das Bild nach hinten ab. Anstatt einer Manege wurde eine erhöhte Rundbühne errichtet, die allen Zuschauern eine optimale Sicht auf das Geschehen liefert. Die Bühne wurde in den vergangenen Monaten im Eigenbau angefertigt. Unter der Längskuppel hängen zwei große Traversen, ausgestattet mit der Musikanlage, aus welcher der zuweilen hämmernde, aber stets passende Sound schallt, und zwölf großen Moving Heads. Hinzu kommen weitere Scheinwerfer an den Masten und auf der Bühne, Verfolger sowie Laser auf dem Artisteneingang. Sie sorgen durchgängig für eine grandiose Lichtshow, dass es ein wahrer Genuss ist. Sieben Feuer- und Nebelmaschienen im Bühnenboden, zwei weitere am hinteren Bühnenrand sowie eine gewaltige Nebelmaschiene unter der Zeltkuppel bieten weitere Effekte, die das Programm bestens illustrieren.


Nosferatu (Oliver Häberle) und Partnerin Camilla (Monika Sperlich), Rene Sperlich, Maik und Siegfried Sperlich

Los geht es im Opening mit zwei Dämonen, die eine alte Kutsche auf die Bühne ziehen. Der Friedhofsgärtner, der das Gestell lenkt, hat einen Sarg geladen, dem der düstere Zeremonienmeister „Nosferatu“ (Oliver Häberle) entsteigt. Er ist auf der Suche nach „seinem nächsten Opfer“ und findet es in der noch lebenden „Camilla“ (Monika Sperlich), die sich gleich darauf – angetrieben von einem ekstatisch tanzenden dreiköpfigen Ballett in einem Bett vor Albträumen windet. So richtig wird dieser Handlungsstrang dann allerdings erst wieder im Finale aufgenommen. Dort wird die schlafende „Camilla“ von Mönchen auf die Bühne getragen und von „Nosferatu“ auf einem Säbel aufgespießt. Hier dient ein Illusionsrequisit zur Umsetzung. Neben dieser Figuren-Rolle ist Monika Sperlich auch mit zwei Darbietungen im Programm zu sehen. Zu Klängen aus „Phantom der Oper“ balanciert gekonnt sie über das Drahtseil. Auch hier wird sie vom Ballett unterstützt, das in Rokoko-Kostümen und mit Maske während der ganzen Nummer um das Seil herum tanzt. Neu gestaltet wurde auch Monikas Hula Hoop-Auftritt, bei dem sie die Ringe nun im sexy Lack-Outfit kreisen lässt. Die Darbietungen von Rene Sperlich sind im Grunde ebenfalls bekannt. Seine starke Handstandarbeit, u.a. mit Klötzchenabfaller, wurde unverändert mit Pyramidenrequisit, Statuen und Ballett im ägyptischen Look vom letzten Karlsruher Weihnachtscircus übernommen. Die Stuhlbalance hingegen zeigt er hier lässig in Jeans und zerrissenem Shirt. Neu im Repertoire der Familie ist die Todesrad-Darbietung, die Maik Sperlich zusammen mit seinem Cousin Siegfried erarbeitet hat. Beide präsentieren eine leistungsstarke und schnelle Nummer, die das Publikum vor der Pause begeistert aufnimmt. Seilspringen, Sprünge, Aufschwünge mit der Hand außen am Rad und ein doppelter Blindlauf gehören zum Ablauf.


Pain Solution, Aurelie, Rudolf Janecek

Daneben sind in dieser Produktion auch engagierte Artisten zu sehen. Aus Norwegen stammt die Formationen „Pain Solution“. Das Performance-Trio steuert namensgebend die mit Sicherheit schmerzhaftesten Auftritte zur Show bei. Im ersten Teil sticht die weibliche Akteurin, den Auftritt über Nadeln in der Stirn sitzend, mehrere weitere Nadeln durch ihre Arme, später auch durch die Mundhöhle. Im zweiten Teil lässt sich ein weiterer Akteur der Truppe von einem Partner Metallhaken durch die Rückenhaut stechen und sich  daran in die Luft ziehen. Minutenlang pendelt er danach über die Bühne, die weibliche Akteurin hängt sich dabei noch an seine Beine. Hier fließt denn auch zum einzigen Mal ein wenig Blut. Das ist zwar nicht unbedingt etwas für schwache Nerven (wie sich auch bei einigen Besuchern beobachten lässt), aber insgesamt zeigt sich das Publikum eher fasziniert denn geschockt. Gleiches gilt auch für Oleksandr Yenivatov. Der Auftritt des Russen als „Sascha the frog“ harmoniert erstaunlich gut mit dem Grundmotiv und sein zweites Erscheinen, bei dem Yenivatov seinen Unterkörper mittels eines Gestell um fast 180 Grad dreht, scheint eh wie gemacht für dieses Programm. Partnerin Aurelie eröffnet mit ihrer kraftvollen Arbeit am doppelten Mast die Abfolge. Mit dem irrsinnig schnellen Keulen-Jongleur Rudolf Janecek ist zudem eine weitere Nummer des letzten Karlsruher Weihnachtscircus mit von der Partie. Den Schlusspunkt aber setzen zwei Motorradhasardeure mit ihren Sprüngen durchs Zelt. Sie nehmen im Vorzelt Anlauf und springen dann mittels einer in der Loge aufgebauten Rampe auf eine weitere im Bereich des Artisteneingangs. Dabei vollführen sie in der Luft ihre Manöver. Die Pausen zwischen den Sprüngen überbrückt Milano Kaiser, der abwechselnd mit einem Quad auf der Bühne seine Runden dreht und Feuerspiele zeigt. Verletzungsbedingt fielen die Springer leider bereits nach dem Premierentag aus, die hochklassige Todesrad-Darbietung rückte vorübergehend an ihre Stelle. Schnellstmöglich sollen die Springer wieder an Bord sein.

Malefizius (Oliver Häberle) und Ballett

Neben seiner Rolle als Zeremonienmeister „Nosferatu“ ist Oliver Häberle auch zwei Mal als Clown „Malefizius“ zu sehen. Die bekannte Reprise am Messerbrett hat er um Domina-Spielzeug erweitert. Beim zweiten Mal mimt er einen Arzt, der bei einem Patienten (= Gast) eine Urinprobe abnehmen und ihn impfen möchte. Der Auftritt ist zwar wirklich amüsant, für manchen mag die Geschmacksgrenze hier aber sicherlich übertreten sein. Unterstützung bekommt Häberle hier von vier kessen Krankenschwestern, nämlich dem Ballett sowie Monika Sperlich. Diese hatten zuvor ihren Auftritt zu einer speziell auf den „Circus des Horrors“ umgeschriebenen Fassung des Welthits „Gangnam Style“. Daneben sorgt eine ganze Horde von „Erschreckern“, allesamt mürrische Gestalten, die immer wieder zwischen den Zuschauern in Erscheinung tritt, für Schaudern bei den Gästen – zumeist zur Freude der anderen, wenn die Aufschreie durchs Zelt klingen.

Auch auf Tournee und mit einem Konzept abseits des klassischen Circus bleiben sich Joachim Sperlich und Familie treu – der Zuschauer bekommt auch im „Circus des Horrors“ ein gelungenes Programm mit aufwendigen Bildern, starken Darbietungen und großartigen Effekten geboten. Eine „Show“ im besten Sinne des Wortes.

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Text: Benedikt Ricken; Fotos: Stefan Gierisch