So
werden bekannte Zaubereien in ein stimmungsvolles finnisches Bild
verpackt. Für den Besucher aus Mitteleuropa ein ganz besonderer
Eindruck. Aber auch die Finnen wissen es offensichtlich zu schätzen,
dass die Direktionsfamilie Jernström die Tradition ihres Heimatlandes
hochhält. Blickt man zudem auf den im hochwertigen Programmheft
abgedruckten Tourneeplan, wird klar, dass sämtliche Teile des Landes
besucht werden. Hauptsächlich sind es Eintages-Plätze. Zum Saisonende
wird allerdings über einen Monat lang in der Hauptstadt Helsinki
gespielt. Der Platz dort liegt ideal nur wenige Schritte vom zentralen
Hauptbahnhof entfernt. Von außen laden das schön beleuchtete blaue Chapiteau und der repräsentative Einlasswagen zum Besuch ein. Im
Inneren ist in den zwei Reihen der Loge sowie auf den Schalensitzen des
Gradins bequemer Sitzkomfort garantiert.
Aleksi Martin, Liina
Aunola, Melanie Chy
Ansonsten
bietet Finlandia ein starkes, international besetztes Programm.
Nichtsdestotrotz gibt es noch zwei weitere von Finnen gezeigte
Darbietungen. Gleich zu Beginn präsentiert sich Aleksi Martin als
treffsicherer Armbrustschütze. Seine riskanten Tricks sind originell
umgesetzt. So zerschießt er etwa den Stil einer von seiner Partnerin
gehaltenen Rose. Martin ist übrigens Autodidakt und hat es mit seiner
Show schon bis zu Ringling gebracht. Zum Finale schießt er sich mittels
im Kreis aufgebauter Mehrfachauslösungen einen Apfel vom Kopf. Seine
Partnerin Liina Aunola legt nach dieser Eröffnungsnummer nur kurz ihren
Mantel ab und begibt sich im Trikot direkt unter die Circuskuppel.
Zunächst arbeitet sie dort am Vertikal- und gleich darauf am Schwungseil.
Ihr Auftritt gipfelt im Sprung vom Schwung- zum Vertikalseil. Ein
Motorrad als Requisit hat Melanie Chy gewählt. Darauf zeigt sie im
verführerischen schwarzen Outfit variantenreiche Handstände. Ob im
Einarmer oder auf beiden Händen, die Tochter einer Schweizerin und
eines Chinesen macht immer eine mehr als gute Figur.
Totti Alexis, Azzario Sisters, Kenny Quinn
Dass
das Musizieren mit der Trompete auch in finnischen Circussen verboten
sein kann, muss sodann Totti Alexis erfahren. Erst die Androhung und
zeitweise Umsetzung eines Striptease ebnen diesem wunderbaren
Spaßmacher den Weg in die Manege. Sein Gegenspieler ist der
sympathische Timo Kulmakko. Als Sprechstallmeister begleitet er die
Vorstellung mit informativen Moderationen. Eine Umbaupause überbrückt
er zudem mit Zaubereien auf dem Gradin. Jugendliche Meisterinnen der
Gleichgewichtskunst sind die Azzario Sisters. Katie balanciert ihre
Schwester Quincy auf dem Kopf sowie mit den Händen. Die perfekte
Präsentation und die ungemein passende Musik steigern die Wirkung
dieser mit einem Silbernen Clown prämierten Darbietung noch weiter. Ob
auf Deutsch, Finnisch oder in seiner Muttersprache Dänisch – Taschendieb
Kenny Quinn geht seinem Publikum in den verschiedensten Sprachen
wortreich an die Taschen. Wie vorletzte Saison beim Zirkus Charles Knie
zu erleben, ist vor Quinn nichts sicher. Brieftaschen, Handys und sogar
Brillen klaut der fingerfertige Entertainer scheinbar mühelos.
Unterstützt wird er dabei von seiner „Komplizin“ Joan. Am Dreifachreck
wirbeln die vier muskulösen Herren der Truppe Zhuravel. Ihr
Auftrittsstil verhehlt nicht, das die Akteure vom Turnen kommen. Mit
kraftvollen Umschwüngen, Sprüngen von Stange zu Stange sowie
spektakulären Abgängen bildet dieses Quartett passenderweise die
Pausennummer.
Calle Jernström junior, Kike, Ramon Kathriner
Nachdem
der Holzboden abgebaut ist, startet der zweite Teil gleich mit
Jonglagen zu Pferd. Sie sind die Spezialität von Juniorchef Calle
Jernström junior. Im eleganten schwarz-weißen Anzug – und damit passend
zum weißen Pferd mit schwarzen Flecken – jongliert er zunächst drei
Keulen und anschließend fünf silberne Kugeln. Die letzte Runde
bestreitet er mit Fackeln. Die Azzario Sisters sind in diesem Jahr
einmal mehr mit ihren Eltern auf Tournee. Diese bilden gemeinsam mit
Partner Kike die Jose Michel Clowns und spielen auch hier ihren
Klassiker: Die Wasserschlacht um „Essen und Trinken gratis“. Der
herrliche Spaß wird natürlich wieder ergänzt von der grandiosen
Livemusik des Trios. Auf diese Entspannung folgt ein wahrer
Nervenkitzel. Roman Kathriner erobert das Hochseil. Er startet aus dem
Zuschauerraum, von wo er eine der beiden kleinen Plattformen über das
Schrägseil ansteuert. Der wagemutige Artist arbeitet komplett ohne
Sicherung und treibt den Thrill auf die Spitze, wenn er mittels Riemen
an den Schuhen gesichert auf einen Scheinsturz mehrere Umdrehungen um
das Seil folgen lässt. Ignat Ignatov durften wir in Deutschland als
Jockeyreiter und später Chefdresseur beim Circus Barum kennenlernen. Bei Finlandia nun führt er
vier schöne Kamele vom schwedischen Cirkus Olympia vor. Den besonderen
Reiz bekommt diese Darbietung dadurch, dass Ignatov sie vom Pferd aus
leitet. Mit dem Steiger eines Ponys findet diese Dressur einen
gelungenen Abschluss.
Messoudis
Noch
einmal erleben wir Totti. Jetzt animiert er erfolgreich das Publikum
mittels Mikrofon und Trompete zum Mitmachen. Damit zeigt er bei
Finlandia „nur“ zwei Reprisen aus seinem umfangreichen Repertoire. Die
Zugabe gibt es dann im kommenden Jahr, wenn Totti erneut hier zu sehen
ist. Dann wird auch seine Frau Charlotte mit in der Manege stehen. Die
Schlussnummer gehört den Messoudis. Die drei athletischen Brüder und
ihr Vater aus Marokko füllen diese prominente Platzierung perfekt aus.
Effektvoll legen sie im Kunstnebel die Oberteile ihrer Kostüme ab,
nachdem sie bereits erste Handstände gezeigt haben. Besonders zu
erwähnen ist die Arbeit eines Duos aus dieser Gruppe. Nämlich dann,
wenn der im Handstand befindliche Artist über einen langen Zeitraum von
seinem Partner in den verschiedensten Positionen auf den Füßen
balanciert wird. Attraktiv sind natürlich auch die Bilder der ganzen
Gruppe, wie etwa der Schlusstrick, bei dem der Vater alle seine Söhne
trägt. Schade nur, dass ausgerechnet zu diesem letzten Programmpunkt
Musik vom Band erklingt. Bis dahin hatte das große Orchester über der
sehr geschmackvollen Gardine nämlich für eine hervorragende
musikalische Begleitung gesorgt. Viele Circusse verzichten heute leider
auf Livemusik, wenige leisten sich so eine große Besetzung wie
Finlandia.
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