Der
gelernte Schauspieler hat sich mit seinem Zirkus Nemo offensichtlich
einen Lebenstraum erfüllt. Denn wenn man die inzwischen zehnte Show
erlebt, spürt man, dass Østergaard die Circusszene nicht nur sehr genau
kennt, sondern auch liebt. Das zeigt sich zum Einen bei den von ihm
ausgewählten Circusnummern, zum Anderen in den Comedy-Szenen mit
Circusbezug.
Captain Frodo, Dimmare
Beginnen
wir mit den artistischen Darbietungen, die gut über die beiden
Programmhälften verteilt sind. Nicht mehr dabei, als wir Nemo in
Kopenhagen besuchten, waren die Sorellas an der Luftperche und
Illusionist Marko Karvo mit seinen Papageien. Sie gingen vertragsgemäß
in ihr Engagement im Royal Palace von Kirrwiller. Neu hinzu kamen dafür
Captain Frodo und Magier Dimmare, wie auch das extra neu aufgelegte
Programmheft verkündet. Captain Frodo stellt einen echten Gewinn für
die Show dar. Der inzwischen hauptsächlich in Australien lebende
Norweger ist ein echter Freak. Allerdings ein höchst sympathischer. Das
nicht mehr vollständig vorhandene Haupthaar hängt in langen Strähnen
herunter. Der blonde Schnauzbart ist eines echten Kapitäns würdig. Zu
seinem ersten Auftritt erscheint er adrett in Karohose mit passender
Weste über dem weißen Hemd. Zunächst verdreht er einen seiner Arme bis
über die Schmerzgrenze hinaus. Anschließend baut er einen Turm aus
immer kleiner werdenden Tonnen, um ganz oben auf einer Dose thronend
seine Füße hinter den Kopf zu stecken. Richtig abgefahren ist dann sein
zweiter Auftritt. Nur mit einer knappen weißen Tennisshorts bekleidet
betritt er die Bühne. Unter unglaublichen Verrenkungen und „Aushängen“
diverser Gelenke zwängt er seinen kompletten Körper durch die Rahmen
von zwei Tennisschlägern. Damit nicht genug. Zur Erklärung gibt er noch
zum Brüllen komische Kommentare. Dies dankenswerterweise auf Englisch.
Ein unglaublicher Kerl, den wir voraussichtlich auch 2014 bei Nemo
sehen können. Weniger in den Rahmen passend ist dagegen der Auftritt
von Dimmare. Ganz klassischer Magier mit Tauben ist er sicherlich
technisch perfekt, setzt aber mit seinen Zaubereien keine über die
Tricks hinausgehenden Akzente.
Picasso junior, Duo Yingling
Ein
Garant für Stimmung ist immer wieder Picasso junior. Seine
Tischtennisbälle jongliert der spanische Matador zunächst auf einem
großen Holzschläger, danach mit dem Mund. Bei den rasanten
Tellerjonglagen bezieht er das Publikum ein. Zunächst dürfen ihm zwei
Zuschauer Teller zuwerfen, die er elegant returniert. Immer wieder
großartig ist sein Gang durch die Reihen des Gradins, während er
mehrere Teller jongliert. Satisfaction guaranteed. Zu recht ist er die
Pausennummer. Deutlich ruhiger sind die beiden Auftritte des Duo
Yingling. Zunächst zeigen die beiden chinesischen Schweizerinnen
Antipodenspiele mit Schirmen. Danach kombinieren sie
Partner-Equilibristik mit Tücherjonlagen. Beides in fernöstlicher
Aufmachung.
Patricia Schumann, Søren Østergaard
Kommen
wir nun zu den einen breiten Raum einnehmenden Comedy-Einlagen. Auch
wenn sehr viel gesprochen wird und wir kein Wort Dänisch verstehen,
kommen wir aus dem Lachen nicht heraus. Das liegt daran, dass die
jeweiligen Outfits grandios sind und die verschiedenen Rollen einfach
umwerfend gespielt werden. Mimik, Gestik und Akzentuierung überzeugen.
Dabei wird auf nichts und niemanden Rücksicht genommen. Schon gar nicht
auf sich selbst. Keine Einlage ist zu gewagt, um nicht doch gespielt zu
werden. Das alles aber immer auf einem hohen professionellen Niveau,
wodurch extreme Peinlichkeiten vermieden werden. Die Gagdichte ist
atemberaubend. Als Sketchparterin hat sich Østergaard in diesem
Jahr mit Patricia Schumann eine waschechte Circusfrau ausgesucht. Sie
stammt aus der bekannten Circusfamilie und ist zudem eine Enkelin von
Charlie Rivel. Zum Opening erscheint sie denn auch als prächtige Madame
Loyal im Glitzerkleid und mit Federschmuck im Haar. Nachdem das Problem
mit ihrem Mikrofon behoben wurde, steht sie dann ohne Perücke und
Federschmuck ziemlich gerupft auf der Rundbühne. Jedoch wird die
Präsentation aller Artisten tapfer durchgezogen. Østergaard zwängt sich
sodann ausschweifend parlierend in verschiedene Ringe. Nachdem er sich
so in eine ausweglose Situation manövriert hat, wird er einfach mitsamt
seinem Podest herausgefahren. Ein Requisiteur mit Stapler besorgt den
Job.
Søren Østergaard
Die
menschliche Kanonenkugel wird hier von Patricia Schumann dargestellt,
die sich im hautengen Kostüm nicht vor den abgefahrensten
Aufwärmübungen scheut. Als das von Østergaard gezündete Geschoss nicht
in die gewünschte Flugbahn katapultiert wird, sondern am Ende
regungslos auf dem Boden der Bühne liegt, reagiert der Direktor, so wie
das im Circus eben ist: „Schnell, die Chinesinnen!“. Die nächste Nummer
wird aufgerufen, „the show must go on“. Grandios ist ebenfalls die
Großillusion nach der Pause, bei der sich die beiden inklusive weiterer
Akteurin in herrlich geschmacklosen und viel Haut zeigenden Kostümen
als Magier versuchen. Tierrechtler hätten vermutlich wenig Freude an
Schumanns Auftritt als Dompteuse. Im Pelzmantel dirigiert sie nämlich
ferngesteuert zwei ausgestopfte Füchse. Geradezu poetisch ist hingegen
die Szene, in der Patricia Schumann als Greis im Rollstuhl
hereingeschoben wird, um dann mit Hilfe eines Regenschirms über das
Drahtseil zu balancieren. Große Lacherfolge erzielt Søren Østergaard
auch in seiner offenbar sehr populären Rolle als Vertreter der
Bäckerzunft. Sein leider für uns nicht zu verstehender Monolog erntet
Lachsalven quasi im Sekundentakt. Auch zwei weitere Soloauftritte lösen
eine ähnliche Reaktion bei den Zuschauern aus. |