Und so
ganz anders als circus-üblich ist auch das Ambiente. Zwischen
„den Beinen einer Frau hindurch“, die das Transparent am Einlass
schmückt, führt der Weg ins Vorzelt. Dort erwartet die Besucher
stilvolle Nachtclub-Atmosphäre. Ein Shop gleich am
Eingangsbereich bietet allerlei erotische Utensilien, die Bars
und der nur mit spezieller Buchung zugängliche „Garten Eden“
sind detailverliebt dekoriert. Im Spielzelt sind die rund 880
Einzelsitze mit rotem Stoff bezogen und gruppieren sich um die
runde Bühne. Der Aufwand für diese Produktion ist enorm, zumal
auch in dieser Saison nur ein einziges Gastspiel gegeben wird,
wiederum auf dem Gelände des Militärflughafens Dübendorf bei
Zürich. Nach den Shows 2011 und 2012 wird nun zweideutig der
„dritte Akt“ geboten, durch den sich zwei kleine Geschichten ziehen.
 
Amy G. mit
Ballett, Kabarett Klischee
Die
Amerikanerin Amy Gordon gibt hier die Offizierin G. Im Auftrag
der Regierung soll sie verhindern, dass im Namen der Kunst etwas
Schmutziges passiert. Und so werden die meisten Artisten von ihr
direkt nach dem Auftritt verhaftet und in den Knast gebracht.
Als scheinbar ganz schlechte Idee erweist es sich dabei, die
Sünderjagd durch Rollschuhe beschleunigen zu wollen – herrlich
unbeholfen unterwegs, schlittert die strenge Aufpasserin fast
ins Publikum. Mehrfach ist sie auch als stimmgewaltige Sängerin
zu erleben. Dabei ist es im Übrigen Amy selbst, die im zweiten
Teil des Programms etwas ganz und gar nicht Salonfähiges tut.
Unter ihrem stilvollen schwarzen Abendkleid entledigt sie sich
ihres Slips, führt daraufhin mit umwerfendem Mienenspiel ein
kleines Musikinstrument, eine Ansingtrommel, in sich ein und
musiziert dem Anschein nach auf höchst außergewöhnliche Weise.
Mit einer zweiten solchen „Kazoo“ im Mund spielt sie dann gar
zweistimmig. Ein herrlicher, zwerchfellerschütternder Spaß.
Ohnehin gibt es in dieser Show äußerst viel zu lachen. Dafür
sorgt auch das Schweizer Duo „Kabarett Klischee“, bestehend aus
Linda C. Deubelbeiss und Raphael Oldani mit seinen frivolen
Dialogen über die Liebe. Ob seine Partnerin den Orgasmus
bisweilen nur vorspiele, will Raphael wissen. „Wenn du ein
Geräusch noch nie gehört hast, dann ist es echt“, lässt diese
ihn wissen. Und besser als Linda auf der Ohlala-Bühne konnte
auch Meg Ryan in „Harry and Sally“ keinen Höhepunkt mimen.
 
Erotische
Fantasien in Bilder umgesetzt
Später entfaltet die Suche nach einem „Liebeselixier“, der
zweite Handlungsstrang, seine Wirkung: Linda besucht ihren
inzwischen inhaftierten Raphael im Gefängnis, und bei diesem
Gespräch dreht sich alles um die erotischen Fantasien der beiden.
Sogleich werden die Vorstellungen auf der Bühne dargestellt. So
träumt der Herr vom Striptease-Ballett und die Dame von einer Sado-Maso-Einlage. Für beides ist das Ballett zuständig, welches
für jeden Geschmack etwas zu bieten hat: gertenschlanke oder
eher dralle, brünette oder blonde Damen und zwei muskulöse
Kerle. Humor der brachialen Sorte bringt der Brite Chris Lynam
auf die Bühne. Bei Flic Flac arbeitete er nur einen Abend zur Probe – am Tag der Köln-Premiere – und wurde dann gleich
wieder aus dem Programm genommen; im Liebescircus durfte er
bleiben. Allerdings hatte er in Köln auch eine äußerst rüde
Mitmach-Nummer gezeigt, die bei Ohlala nicht zu sehen ist.
Vielmehr sorgt er hier mit einem turbulenten Sprachkurs durchaus
für Lacher und fügt sich wesentlich besser ein. Was heißt „Avalanche“
auf deutsch? Richtig, „Lawine“, und zur Verdeutlichung schlägt
er einem Logengast eine Styroporkiste auf den Kopf – usw. „I
can’t believe you sitting and watching this rubbish“, fasst er
seine Nummer selbst zusammen, bei der später auch Eiswürfel
(„Was heißt Eskimo-Pipi?“) ins Publikum fliegen. Seine
fernsehberühmte Einlage, bei der er seine Fähigkeiten als
„Analpyrotechniker“ beweist, ist hier glücklicherweise kompakt
ins Schlussbild der Show integriert, anstatt als eigene Nummer
zu laufen.
  
Eike von
Stukenbrok, Laura von Bongard, Duo Lyrical Lyra
Der erste
artistische Auftritt gehört dem Duo „Lyrical Lyra“. Am
unablässig kreisenden Luftring zeigen die beiden schönen
Amerikanerinnen Naomi Parshin und Stephanie Chisholm in roter
Unterwäsche sinnlich-erotische und zugleich gefahrvolle Posen.
Gleich darauf wird es jedoch wieder heiter-witzig. Mentalmagier
Tobias Heinemann, Schweizer mit deutschen Wurzeln, sieht hervor,
welches Wort ein Zuschauer – scheinbar zufällig – aus einer
Zeitung wählen wird. Der Trick ist fraglos verblüffend, doch der
in der Schweiz fernsehbekannte Heinemann verhaspelt sich
zumindest an diesem Abend mehrfach. Überraschend auch, dass es
bei diesem einen Auftritt Heinmanns in der Show bleibt. Fürs
Erotische ist dann wieder die deutsche Antipodistin Laura von
Bongard zuständig, die hier „oben ohne“ arbeitet. Damit muss sie
keinesfalls fehlende Leistung kaschieren, denn sie jongliert bis
zu sechs goldfarbene Bälle gleichzeitig mit Händen und Füßen.
Dabei lässt sie die Bälle zwischendurch auf dem Boden links und
rechts ihrer dekorativen Trinka aufdopsen. Eike von Stuckenbrok
zeigt eine ungewöhnliche Variante der „Hand-auf-Hand“-Artistik,
denn sein Partner ist eine Schaufensterpuppe. Allerdings fällt
seine kraftvolle Darbietung auch überraschend kurz aus.
  
Rich Metiku, Angel
Amieva, Remi Martin und Eike von Stuckenbrok
Ein großes
Plus dieser Produktion ist die mitreißende Musik. Und so rockt
die sechsköpfige Band zum Beispiel so richtig los, wenn die
äthiopische Kontorsionistin Rich Metiku ihren Körper in
unglaublicher Weise in alle Richtungen windet. Schade nur, dass
sie direkt auf dem Bühnenboden arbeitet, auf einem Podest wäre
sie noch besser zu sehen. Auf frivole Weise geht es in den
Pause, schließlich erweisen sich der Priester (alias der
spanische Komiker Angel Amieva) und seine beiden Nonnen als
äußerst scheinheilig – er trägt einen Elefanten-String unterm
Talar und die Damen heiße Netzunterwäsche unter den Kutten. Was
Laura von Bongard für die Herren, ist Robert Choinka für die
Damen im Publikum. Choinka zeigt seine Handstände ölverschmiert
auf einem Stapel Autoreifen, entledigt sich des T-Shirts und –
in der Handstandwaage, nur mit den Füßen – auch noch der Hose.
Und ebenso gilt: Trotz sinnlicher Verpackung kommt die Leistung
nicht zu kurz. Sinnlich ist freilich auch das
Body-Painting-Ballett, bei dem die Tänzerinnen und Tänzer mit
fluoreszierenden Farben bemalt sind und in fast völliger
Dunkelheit agieren. Geradezu gefeiert werden vom Publikum
schließlich Rémi Martin und Eike von Stuckenbrok für ihre
herausragende Arbeit voller Kraft und Dynamik am doppelten
Chinesischen Masten, denen zwischen ihren spektakulären Tricks
immer noch Zeit für eine lässige Frage Richtung Publikum zeigt:
„Und sonst so?“. |