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Circus Starlight - Tour 2013
www.circus-starlight.ch ; 78 Showfotos

Genf, 29. März 2013: „Schausteller-Bude oder kleines Zelt für Veranstaltungen mit ständigem Zuschauerfluss und separatem Ein- und Ausgang. Darin gibt es außergewöhnliche Phänomene und Kuriositäten zu entdecken und verschiedene artistische Darbietungen und Illusion werden gezeigt“. So definiert der Schweizer Cirque Starlight der Familie Gasser den Begriff „Entresort“, zu deutsch "Schaubude", der das Programmmotto 2013 bildet. Die 15 Akteure auf der rechteckigen Bühne nehmen die Zuschauer mit auf eine Reise zu dieser fast vergessenen Form der Unterhaltung.

Die Reise findet statt in einem nagelneuen 32-Meter-Chapiteau, das der Cirque Starlight zu seiner aktuellen Jubiläumssaison angeschafft hat, ebenso wie eine hochmoderne und sehr edle Sitzeinrichtung mit gepolsterten Klappsitzen. Die Stühle sind von gleicher Bauart wie im Schweizer National-Circus Knie, jedoch dunkelblau statt rot, und gruppieren sich U-förmig um die Bühne. Bei längeren Gastspielen wird die Tribüne mit zehn Reihen und 850 Plätzen, bei kürzeren mit acht Reihen und 600 Plätzen aufgebaut. Das neue Material dokumentiert auch den Erfolg des Unternehmens, das heuer auf 25 Jahre seines Bestehens zurückblickt. 1988 verließ Heinrich Gasser mit seiner Frau Jocelyne das elterliche Unternehmen „Olympia“; seitdem reisen beide mit ihrem Circus Starlight. In den ersten Jahren gab es bei Starlight klassische Circusprogramme zu sehen. Dies änderte sich radikal, als der älteste Sohn Johnny mit neuen Ideen von seiner Ausbildung an der Circusschule in Montréal zurückkehrte: Seit 2002 präsentiert der Circus Starlight nun Programme im Stile des „Nouveau Cirque“ franco-kanadischer Prägung, eine Mischung aus Artistik, Theater, Komik, Poesie und Tanz. Ein Konzept, das in der Deutschschweiz nicht ankam, in der französischsprachigen Westschweiz und im italienischsprachigen Tessin jedoch umso größeren Erfolg hat und laut Heinrich Gasser immer mehr Besucher anzieht. So konzentriert sich Starlight heute auf eine viermonatige Tournee vorwiegend in diesen Landesteilen, während 2013 nur noch zwei Orte in der Deutschschweiz bespielt werden.


Duo CéO, Christopher Gasser, Anna Abrams

„Entresort“ ist wiederum in einer sechswöchigen Probenphase im Winterquartier in Porrentruy entstanden, zum dritten Mal in Folge unter der Regie von Stefan Hort. Zum siebenköpfigen Kreativteam gehörten außerdem Edgar Zendejas (Choreographie), Thierry Epiney (Komposition, Musikproduktion), Frédéric Baudouin (Bühnenbild), Fanny Gautreau (Kostüme), Aurélie Schwartz (Assistenz Kostüme/Konfektion) und Robert Naescher (Licht). Gemeinsam schicken sie ein sehr buntes Völkchen auf die Bühne, das hinter vielen Türen immer wieder neue Erinnerungen an die Vergangenheit der Akrobaten, Clowns und Gaukler in ihren Schaubuden findet. Den Auftakt machen Gabriel Zeller und Magalli Simeone alias Duo CéO (Schweiz) mit ihrer ganz exakt und sauber gearbeiteten Hand-auf-Hand- und Wurfakrobatik. Mit anmutig-kunstvollen Verstrickungen am Vertikalseil überzeugt Anna Abrams (Deutschland). Der jüngere Gasser-Sohn Christopher ist für die Jubiläumssaison als Clown zu Starlight zurückgekehrt. Und so gerät er mit dem Kopf in eine Einkaufstasche, was ihn wie ein Hund aussehen und - über den Boden schnüffelnd – so agieren lässt. Später machen ihn zwei Teesiebe auf den Augen zur Fliege, die ins Netz geht. Im Jahr 2014 wird Christopher Gasser ein Engagement beim Silver Circus in Australien antreten.


Brian Dresdner und Jean-Philippe Deltell, Ferkel Johnson, Anaëlle Molinario

Zweiter Komiker und allgegenwärtiger Mime im aktuellen Starlight-Programm ist Ferkel Johnson (Deutschland), eine Art Wandler zwischen den Geschlechtern, der sich via Kostümillusion in eine Dame im eleganten roten Abendkleid verwandelt. Als Illusionist zaubert Johnson aus einer brennenden Kiste die französische Kontorsionistin Anaëlle Molinario. Die unglaubliche Weichheit und Beweglichkeit, die sie demonstriert, lässt alle Floskeln von „Schlangenfrau“ bis „Frau ohne Knochen“ scheinbar wahr werde. Bravo! Als sicherer Jongleur im „klassischen Circusstil“ tritt vor der Pause Brian Dresdner (sechs Keulen, sieben Bälle, neun Ringe, fünf Strohhüte) aus Argentininen auf. Kein Wunder, dass dieser „Traditionalist“ nichts von seinem „innovativen“ Kollegen Jean-Philippe Deltell (Kanada) hält, der im zweiten Programmteil mit lediglich vier Ringen schöne Bilder in die Luft zeichnet. Eine Art „Jonglierduell“ zeigt dann aber, dass die Vertreter des „klassischen“ und des „modernen“ Circus beide die technischen Fähigkeiten besitzen, um gemeinsam zwölf Ringe in einer Passingjonglage in der Luft zu halten.


Juliette Christmann und Rachel Schiffer, Jean-Philippe Deltell, Tom Cholot und Cedrik Pinault, Baptise Raffanael

In die Luft geht es außerdem bei der den schönen Flugpassagen von Juliette Christmann (Frankreich) und Rachel Schiffer (USA) am Fangstuhl, u.a. mit longengesicherten Salti. Die vorproduzierten Musikeinspielungen werden in dieser Saison von der Schweizer Musikerin Ursina Kappenberger ergänzt, u.a. während eines Violinenspiels, bei dem sie vom Ensemble auf Händen getragen wird und über die Kollegen steigt. Zu den schrägsten Gestalten inmitten der Schaubuden gehört der uniformierte Polizist in pinken Damenpumps, Baptise Raffanael aus Frankreich, der seine kraftvolle Handstand- und Kopfstandequilibristik auf einem Einkaufswagen zelebriert. Dazu arbeitet Gabriel Zeller vom Duo CéO meist synchron am Boden. Den Abschluss bieten gemeinsame Balancen auf dem Einkaufswagen. Schließlich konnte die Familie Gasser heuer eine besonders attraktive Schlussnummer verpflichten: Jean-Philippe Deltell, Tom Cholot (beide Kanada),  Olivier Lefebure (Belgien) und Cedrik Pinault (Frankreich) kombinieren ein großes Trampolin mit einer dahinter stehenden Hauskulisse. Und so gehen die Artisten die Wände hoch, springen in die Fensteröffnungen oder auf das Dach des Hauses und zurück, selbstredend kombiniert mit Salti und Pirouetten verschiedenster Art.

Artistik, Tanz und Theater sind im Cirque Nouveau gleichberechtigte Partner. Bei der ruhigen, poetischen Reise in die Welt der Schaubuden im aktuellen Starlight-Programm wird aber besonders deutlich, dass Basis einer solch ideenreichen und aufwendigen Inszenierung stets eine hervorragende artistische Ausbildung sein muss. In „Entresort“ bringen artistische Könner ihre großen Fähigkeiten ein, um gemeinsam etwas Neues und Schönes zu erschaffen.

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Text: Markus Moll; Fotos: Tobias Erber