CHPITEAU.DE

Circus Probst - Tour 2013
www.circus-probst.de ; 62 Showfotos

Künzelsau, 12. April 2013: Ich gebe zu, im Vorfeld war ich skeptisch. Schließlich war beim Circus Probst die hervorragende zehnköpfige Truppe aus Kuba ausgeschieden, die in den vergangenen Jahren mit Schleuderbrett & Co. für Begeisterung gesorgt hatte. Nur der Lebensgefährte von Sonja Probst, Tony Erblay Fernandez, sowie seine beiden Artistenkollegen Utnier Aquino Hernandez und Daikel Castillo Hernandez als künftige „Hausartisten“ blieben. Hinzu engagiert wurden lediglich zwei Artistinnen, Tamara Khourchoudova und ihre Tochter Elodie Weiser. Würde dieses Probst-Programm überzeugen können?

Um es vorweg zu sagen: Ja, dieses Programm überzeugt vollauf, trotz kleinerem Ensemble als in den vergangenen drei Jahren. Schließlich hat die Familie Probst zahlreiche erstklassige Tierdressuren und die liebevolle Clownerie von Sonja Probst zu bieten. Und auch ohne Truppe können alle artistischen Nummern begeistern. Die geschmackvollen Kostüme, das gepflegte Ambiente, das abwechslungsreiche und moderne Licht, die schwungvolle Livemusik des Orchesters Gregor Pierscinski sowie ein straffer Ablauf sorgen für Stil und Klasse. Man spürt sie einfach, diese Leidenschaft, mit der hier Circus gemacht wird. Und deshalb ist „Leidenschaft“ auch das Programmmotto 2013.


Daikel Castillo Hernandez, Stephanie Probst, Sergiu Mosanu, Utnier Aquino Hernandez

Die Schlussnummer der vergangenen Jahre, Stephanie Probsts Sechserzug Araber, ist nun ganz an den Beginn des Programms gerückt. Die Pferde traben zunächst alleine in die Manege, bleiben für einige Momente sich selbst überlassen, beschnuppern einander, eines der Pferde steigt. Wir hören eine Frauenstimme aus dem Off: „Circus ist tierisch gut“, „rasant und temporeich“, „wie ein Virus“, eben „Leidenschaft“. Nun erst kommt Stephanie Probst hinzu und ordnet die Tiere zu einer hervorragenden Freiheitsdressur. Zahlreiche perfekte Steiger der kompletten Pferdegruppe und einzelner Tiere bilden den Abschluss. Als erste artistische Nummer zeigt der ganz famose Jongleur Daikel Castillo Hernadez sein Können, überzeugt durch Ausstrahlung und Leistung gleichermaßen. Der Kubaner balanciert einen Fußball auf einer Stange über der Stirn, einen zweiten auf einem Mundstab, lässt einen Ring um den rechten Fuß kreisen und jongliert dazu mit fünf weiteren Ringen. Außerdem bewegt er nacheinander fünf Keulen, sieben Ringe, drei Bälle (mit Fangkörbchen am Gürtel), zwei Fußbälle auf den Fingerspitzen und dazu zwei Pingpongbälle mit dem Mund sowie abschließend fünf Pingpongbälle mit Mund und Händen. Dass sie nicht nur Tiere vorführen kann, sondern auf deren Rücken auch akrobatische Kunststücke beherrscht, demonstriert Stephanie beim „Pas de Trois“ zu Pferd. Ihr Lebensgefährte Sergiu Mosanu und Artist Utnier Aquino Hernandez sind die Untermänner.


Tamara Khourchoudova, Sonja Probst mit Daikel, Utnier Aquino Hernandez 

Clownesse Lolli alias Sonja Probst kommt bim Publikum immer gut an. Sie verzichtet darauf, Zuschauer in die Manege zu zerren, sondern überzeugt lieber mit kreativ und liebevoll gestalteten Szenen ohne Worte. Neu ist ihr erster Auftritt als Illusionistin, bei dem sie ihren Partner Daikel scheinbar unter einem großen Tuch zum Schweben bringt. Natürlich fliegt der Schwindel auf. Außerdem reinigt sie in bewährter Weise einen Logengast mit dem Handstaubsauger und fördert dabei einen Büstenhalter zu Tage. In einer überarbeiteten Fassung präsentiert Lolli nun ihre originelle Schleuderbrett-Parodie mit Hund. Neu im Programm ist Tamara Khourchoudova, besser bekannt als Tamara Weiser, die bis 2011 jahrelang bei Herman Renz gearbeitet hatte. Nun zeigt sie bei Probst ihre anspruchsvolle Antipodennummer mit bis zu vier Tüchern. Für besondere Effekte ist gesorgt, wenn sie sich an einem Beckengurt oder in einer Fußschlaufe kopfüber hängend unters Zeltdach ziehen lässt und dabei weiterhin die Tücher auf Händen und Füßen bzw. Fuß kreisen lässt. Hoch hinaus wagt sich auch Utnier Aquino Hernandez bei seiner riskanten und wirkungsvollen Schwungseilnummer ohne Longensicherung.


Jim Bim, Reinhard Probst, Elodie Weiser

Traditionelle Pausennummer bei Probst ist die große Exotenparade. Direktor Reinhard Probst stellt insgesamt 15 Tiere aus neun verschiedenen Arten vor, von schweren Kaltblutpferden über verschiedene Rinder (ungarisches Steppenrind, Watussis, Yak) sowie Kamelartige (Lamas, Dromedar, Trampeltier) bis hin zum Emu und zwei Zebras. Komik und artistisches Können vereint Sergiu Mosanu bei seiner Trampolin-Nummer nach der Pause. Als „Jim Bim“ mimt er einen Betrunkenen, der gegen die Tücke des Objektes bzw. Sprungturmes kämpft und dabei einen Striptease hinlegt. In einer zweiten, ebenso gut laufenden Freiheitsdressur präsentiert Stephanie Probst sechs gescheckte Dromedare, die sie unter anderem zum Fächer und zum Gegenlauf anleitet. Elodie Weiser war unter dem Künstlernamen Adèle Fame im vergangenen Herbst beim European Youth Circus in Wiesbaden erfolgreich, gewann Bronze bei den Jüngeren. Nun ist sie mit ihrer äußerst dynamischen Darbietung bei Probst zu sehen. Die junge Artistin erweist sich als wahrer Wirbelwind, der rasant zwischen Aufschwüngen, Abfallern und Haltepositionen wechselt. Beeindruckend, wie sie freihändig und scheinbar mühelos, mit den Füßen in den Strapatenschlaufen stehend, aus dem Spagat in den Stand gleitet. Leider wird diese Darbietung, als einzige im Programm, von zu leiser Bandmusik statt vom Orchester begleitet, worunter die Wirkung erheblich leidet.


Castillo Brothers, Tamara Khourchoudva, Tony Erblay Fernandez 

Tony Erbaly Fernandez hat sich eine neue, leistungsstarke Darbietung als Matrose am Mast erarbeitet. Er präsentiert Einarmer und Handstände sowie die „menschliche Flagge“ in verschiedenen Variationen. Mit den Händen am Mast zeigt er sozusagen „Klimmzüge in der Horizontalen“ oder umkreist kraftvoll das Requisit. Ebenso neu ist die Kaskadeurnummer, die sich Jongleur Daikel und Schwungseil-Artist Utnier gemeinsam erarbeitet haben. Rund um einen Tisch werden zahlreiche artistische Kabinettstückchen mit viel Heiterkeit zelebriert. Auch ein Zuschauer wird einbezogen und darf auf allen Vieren den Untermann für einen Hand-auf-Hand-Trick geben. Zum Höhepunkt der Dressurnummern im Programm erscheint Circusprinzessin Stephanie Probst im eleganten Ballkleid und wird von zwei Herren, Daikel und Utnier, stillvoll in die Manege geleitet. Mit leichter Hand dirigiert sie vier Friesen und vier Araber in einer Freiheitsdressur, die dann mit vier großen Dartmooore-Ponys gar zum Zwölferzug erweitert wird. Chapeau! Als wirkungsvolle und gut platzierte Schlussnummer folgen die Abfaller und Pirouetten von Tamara Khourchoudova am Schwungtrapez.

Im Wunderkerzen-Finale zeigt sich das Publikum höchst zufriedenen mit der Vorstellung. Das frisch erschienene und komplett neu gestaltete Programmheft bietet dann viel Gelegenheit, dieses rundum gelungene klassische Circusprogramm noch einmal Revue passieren zu lassen.

__________________________________________________________________________
Text und Fotos: Markus Moll