Mindestens
genauso beeindruckend ist die Atmosphäre, die unter dem roten Chapiteau
mit Sturmstangen und Holzbänken geschaffen wird. Wenn es bei Brazil
Jack „Showtime“ heißt, dann liegt Magie in der (Circus-)Luft. Das
kompakte Ambiente entfaltet seinen ganz eigenen Charme. Der
Artisteneingang in Rot und Gold mag nicht ausschweifend gestaltet sein,
passt aber wunderbar in diesen fast schon intimen Rahmen. Darüber sitzt
das sechsköpfige Orchester, welches die Nummern wirkungsvoll begleitet.
Das stimmungsvolle, warme Licht wird jetzt nicht nur von vier
Scheinwerferbatterien, sondern zudem von zahlreichen Moving Heads
erzeugt. Dafür verantwortlich ist der Junior des Hauses. Trolle Rhodin
(III) dirigiert die Technik, ist aber in seiner prächtigen Uniform auch
in der Manege präsent.
Carmen Rhodin, Emilia und Richard, Alexandra Saabel
Die
Grande (Jeune!) Dame dieses Unternehmens ist seine Mutter Carmen
Rhodin. Nachdem alle Artisten zum Opening in die Manege gekommen sind,
ist der Spot auf den Vorhang gerichtet. Wenn er sich erneut öffnet,
betritt die Direktorin die Manege, um sehr gewinnend ihr Publikum zu
begrüßen. Natürlich kennt in Västerås jeder der Zuschauer ihr Gesicht.
Schließlich gastiert der Cirkus Brazil Jack Jahr für Jahr um diese Zeit
hier. Von einem „Heimspiel“ spricht sie, wenn es um die
Tourneestationen in dieser Region geht. Der Publikumszuspruch scheint
das zu beweisen. Eine ganz der Tradition des Circus verpflichtete
Darbietung ist das Pas de deux zu Pferd, welches hier von Emilia
(Sandulescu) und Partner Richard (Donnert) geritten wird. Der Schauwert
steht dabei im Vordergrund. Es ist einfach ein schönes Bild, wenn
dieses junge Paar den Tanz auf dem Rücken zweier Kaltblüter zelebriert.
Von der Familie Saabel sind nur die drei Damen nach Schweden gereist.
Vater Bernhard ist mit den Pferden in Italien geblieben. So erleben wir
Tiziana Saabel mit den Töchtern Alexandra und Kelly als Vorführerinnen
ihrer wunderbaren Hundedressur. Diese ist bekanntermaßen in eine
nordische Szenerie eingebunden. So werden die Töchter von einem
Hundeschlitten in die Manege gezogen. Wenn sie nicht gerade ihre Tricks
zeigen, nehmen die Tiere auf stilisierten Eisblöcken Platz. Die Kostüme
der Saabels passen wunderbar dazu. Sie sind bekanntlich herrliche
Kreationen von Alexandra Saabel, die inzwischen ebenfalls für die
Manegenoutfits anderer Artisten verantwortlich zeichnet. Auch das
Ballett beim Zirkus Charles Knie trägt von ihr entworfene Kostüme.
Sandra Stipka, Familie Donnert, Devid Robert
Sandra
Stipka konnten wir in Deutschland unter anderem schon bei Busch-Roland,
Universal Renz und Crocofant erleben. Die blonde Tschechin ist eine
versierte Jongleuse mit Keulen und Bällen. Zum Schluss hält sie fünf
Fackeln gleichzeitig in der Luft. Mit Mundstab und Ball bindet sie
zudem das Publikum wirksam ein. Privat ist sie mit einem der
schneidigen Reiter der Donnerts liiert. Diesen gehört die große Nummer
vor der Pause. Für ihre Jockeyreiterei im ungarischen Stil wurden sie
bereits in Monte Carlo prämiert. Zwei-Mann-Hoch, Salto zu Pferd, Salto
von Pferd zu Pferd – die vier Brüder sowie Emilia Sandulescu haben
alles im Repertoire und servieren es sehr gekonnt. Bevor es in die
Pause geht, verknoten José Michel und Clownspartner Kike vier Herren
aus dem Publikum. Devid Robert eröffnet den zweiten Teil mit Rola
Rola-Artistik. Er platziert seine Bretter nicht nur auf Türmen von
Rollen, sondern auch auf einem Basketball. Darauf legt er eine volle
Drehung hin. Wirkungsvoll ist das Balancieren auf einem Turm aus sieben
Etagen. Robert spielt zudem als Clown zwei Reprisen. Er hat ein
sympathisches Auftreten. Trotzdem passen das Seilspringen sowie das
Orchester mit Publikumsbeteiligung für mich nicht so ganz in den Rahmen
dieser Show.
Alexandra und Kelly Saabel, Jose Michel, Leosvel und Diosmani
Nachdem
Alexandra und Kelly Saabel bislang ähnlich präsentierte
Handstandnummern im Solo zeigten, erlebte beim letztjährigen Festival
in Prag die gemeinsame Duo-Performance ihre Weltpremiere. Diese sehen
wir nun bei Brazil Jack. Zu Opernarien beginnen sie ruhig, um dann mit
ordentlich Schwung weiterzumachen. Die beiden außerordentlich
attraktiven jungen Damen arbeiten sowohl synchron als auch in
gemeinsamen Figuren. Die starken Tricks aus Equilibristik und
Kontorsion erhalten so eine zusätzliche Aufwertung. Wenngleich ich
inzwischen genau weiß, wann welcher Wasserbottich hereinkommt und wann
die Perücken fliegen, amüsiere ich mich beim Wasserentree der José-Michel-Clowns immer wieder königlich. Weißclownin Giulia und die beiden
Auguste José sowie Kike werden hierbei von Trolle Rhodin unterstützt.
Neben der Wasserschlacht um „Essen und Trinken gratis“ beweisen sich
die drei Spanier wie gewohnt als exzellente Musiker. Und dann folgt die
preisgekrönte Schlussnummer. Lesovel und Diosmani haben dem Genre der
Mastenakrobatik ganz neue Aspekte abgewonnen. Was die beiden muskulösen
Kubaner zeigen, ist schon einzigartig. Zudem geben sie sich sehr
sympathisch. Dankenswerterweise verzichten sie, zumindest in dieser
Nachmittagsvorstellung, auf den Scheinsturz beim Einarmer auf dem sich
im rechten Winkel am Masten haltenden Partner.
Abbau
Im
folgenden Finale verabschieden sich alle Artisten vom Publikum. Die
Abschiedsworte liegen natürlich bei Carmen Rhodin. Quasi als Zugabe
gibt es einen Abbau im skandinavischen Stil. Aufgrund vieler
Kurzgastspiele ist das schnelle Umsetzen besonders wichtig. „45
Minuten“, verspricht mir Trolle Rhodin, „und dann haben wir alles
zusammengepackt.“ Tatsächlich reicht diese Dreiviertelstunde aus, um
den gesamten Circus reisefertig zu machen. Die Artisten sind derweil
schon längst unterwegs zum nächsten Gastspielort. Insgesamt eine
beachtliche Leistung, die in der Regel von wenig Publikumsinteresse
begleitet wird. Die zum Bericht gehörenden Galerie hält einige
Impressionen davon fest. |