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Cirkus Brazil Jack - Tour 2014
www.cirkusbraziljack.se ; 105 Show- und Abbaufotos

Västerås, 4. Mai 2014: Sichtlich stolz war Carmen Rhodin, als sie mir im vergangenen Winter in Paris – unter dem Siegel größter Verschwiegenheit – mitteilte, wen sie da als Starnummer für ihr neues Programm verpflichtet hatte: Leosvel und Diosmani, die mit ihrer Akrobatik am Masten 2013 einen Silbernen Clown gewannen. Jetzt, rund ein halbes Jahr später, kann ich mich selbst davon überzeugen, wie das schwedische Publikum die Kubaner feiert. Und nicht nur sie. Auch die weiteren Darbietungen der Produktion 2014 des Cirkus Brazil Jack werden mit großem Applaus bedacht. Die engagierten Nummern sind hier aber nur das Eine.

Mindestens genauso beeindruckend ist die Atmosphäre, die unter dem roten Chapiteau mit Sturmstangen und Holzbänken geschaffen wird. Wenn es bei Brazil Jack „Showtime“ heißt, dann liegt Magie in der (Circus-)Luft. Das kompakte Ambiente entfaltet seinen ganz eigenen Charme. Der Artisteneingang in Rot und Gold mag nicht ausschweifend gestaltet sein, passt aber wunderbar in diesen fast schon intimen Rahmen. Darüber sitzt das sechsköpfige Orchester, welches die Nummern wirkungsvoll begleitet. Das stimmungsvolle, warme Licht wird jetzt nicht nur von vier Scheinwerferbatterien, sondern zudem von zahlreichen Moving Heads erzeugt. Dafür verantwortlich ist der Junior des Hauses. Trolle Rhodin (III) dirigiert die Technik, ist aber in seiner prächtigen Uniform auch in der Manege präsent.


Carmen Rhodin, Emilia und Richard, Alexandra Saabel

Die Grande (Jeune!) Dame dieses Unternehmens ist seine Mutter Carmen Rhodin. Nachdem alle Artisten zum Opening in die Manege gekommen sind, ist der Spot auf den Vorhang gerichtet. Wenn er sich erneut öffnet, betritt die Direktorin die Manege, um sehr gewinnend ihr Publikum zu begrüßen. Natürlich kennt in Västerås jeder der Zuschauer ihr Gesicht. Schließlich gastiert der Cirkus Brazil Jack Jahr für Jahr um diese Zeit hier. Von einem „Heimspiel“ spricht sie, wenn es um die Tourneestationen in dieser Region geht. Der Publikumszuspruch scheint das zu beweisen. Eine ganz der Tradition des Circus verpflichtete Darbietung ist das Pas de deux zu Pferd, welches hier von Emilia (Sandulescu) und Partner Richard (Donnert) geritten wird. Der Schauwert steht dabei im Vordergrund. Es ist einfach ein schönes Bild, wenn dieses junge Paar den Tanz auf dem Rücken zweier Kaltblüter zelebriert. Von der Familie Saabel sind nur die drei Damen nach Schweden gereist. Vater Bernhard ist mit den Pferden in Italien geblieben. So erleben wir Tiziana Saabel mit den Töchtern Alexandra und Kelly als Vorführerinnen ihrer wunderbaren Hundedressur. Diese ist bekanntermaßen in eine nordische Szenerie eingebunden. So werden die Töchter von einem Hundeschlitten in die Manege gezogen. Wenn sie nicht gerade ihre Tricks zeigen, nehmen die Tiere auf stilisierten Eisblöcken Platz. Die Kostüme der Saabels passen wunderbar dazu. Sie sind bekanntlich herrliche Kreationen von Alexandra Saabel, die inzwischen ebenfalls für die Manegenoutfits anderer Artisten verantwortlich zeichnet. Auch das Ballett beim Zirkus Charles Knie trägt von ihr entworfene Kostüme.


Sandra Stipka, Familie Donnert, Devid Robert

Sandra Stipka konnten wir in Deutschland unter anderem schon bei Busch-Roland, Universal Renz und Crocofant erleben. Die blonde Tschechin ist eine versierte Jongleuse mit Keulen und Bällen. Zum Schluss hält sie fünf Fackeln gleichzeitig in der Luft. Mit Mundstab und Ball bindet sie zudem das Publikum wirksam ein. Privat ist sie mit einem der schneidigen Reiter der Donnerts liiert. Diesen gehört die große Nummer vor der Pause. Für ihre Jockeyreiterei im ungarischen Stil wurden sie bereits in Monte Carlo prämiert. Zwei-Mann-Hoch, Salto zu Pferd, Salto von Pferd zu Pferd – die vier Brüder sowie Emilia Sandulescu haben alles im Repertoire und servieren es sehr gekonnt. Bevor es in die Pause geht, verknoten José Michel und Clownspartner Kike vier Herren aus dem Publikum. Devid Robert eröffnet den zweiten Teil mit Rola Rola-Artistik. Er platziert seine Bretter nicht nur auf Türmen von Rollen, sondern auch auf einem Basketball. Darauf legt er eine volle Drehung hin. Wirkungsvoll ist das Balancieren auf einem Turm aus sieben Etagen. Robert spielt zudem als Clown zwei Reprisen. Er hat ein sympathisches Auftreten. Trotzdem passen das Seilspringen sowie das Orchester mit Publikumsbeteiligung für mich nicht so ganz in den Rahmen dieser Show.


Alexandra und Kelly Saabel, Jose Michel, Leosvel und Diosmani

Nachdem Alexandra und Kelly Saabel bislang ähnlich präsentierte Handstandnummern im Solo zeigten, erlebte beim letztjährigen Festival in Prag die gemeinsame Duo-Performance ihre Weltpremiere. Diese sehen wir nun bei Brazil Jack. Zu Opernarien beginnen sie ruhig, um dann mit ordentlich Schwung weiterzumachen. Die beiden außerordentlich attraktiven jungen Damen arbeiten sowohl synchron als auch in gemeinsamen Figuren. Die starken Tricks aus Equilibristik und Kontorsion erhalten so eine zusätzliche Aufwertung. Wenngleich ich inzwischen genau weiß, wann welcher Wasserbottich hereinkommt und wann die Perücken fliegen, amüsiere ich mich beim Wasserentree der José-Michel-Clowns immer wieder königlich. Weißclownin Giulia und die beiden Auguste José sowie Kike werden hierbei von Trolle Rhodin unterstützt. Neben der Wasserschlacht um „Essen und Trinken gratis“ beweisen sich die drei Spanier wie gewohnt als exzellente Musiker. Und dann folgt die preisgekrönte Schlussnummer. Lesovel und Diosmani haben dem Genre der Mastenakrobatik ganz neue Aspekte abgewonnen. Was die beiden muskulösen Kubaner zeigen, ist schon einzigartig. Zudem geben sie sich sehr sympathisch. Dankenswerterweise verzichten sie, zumindest in dieser Nachmittagsvorstellung, auf den Scheinsturz beim Einarmer auf dem sich im rechten Winkel am Masten haltenden Partner.


Abbau

Im folgenden Finale verabschieden sich alle Artisten vom Publikum. Die Abschiedsworte liegen natürlich bei Carmen Rhodin. Quasi als Zugabe gibt es einen Abbau im skandinavischen Stil. Aufgrund vieler Kurzgastspiele ist das schnelle Umsetzen besonders wichtig. „45 Minuten“, verspricht mir Trolle Rhodin, „und dann haben wir alles zusammengepackt.“ Tatsächlich reicht diese Dreiviertelstunde aus, um den gesamten Circus reisefertig zu machen. Die Artisten sind derweil schon längst unterwegs zum nächsten Gastspielort. Insgesamt eine beachtliche Leistung, die in der Regel von wenig Publikumsinteresse begleitet wird. Die zum Bericht gehörenden Galerie hält einige Impressionen davon fest.

Der Besuch beim Cirkus Brazil Jack war auch 2014 wieder ein ganz besonderes Erlebnis. Es ist einfach ein durch und durch sympathisches Unternehmen, in dem ein sehr liebenswerter Circus gespielt wird. Die Atmosphäre ist unnachahmlich und die einzelnen Darbietungen sind mit viel Gespür ausgewählt - Weltklassenummern inklusive. Der Besuch im kommenden Jahr ist bereits fest eingeplant.

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Text und Fotos: Stefan Gierisch