Das war vor ungefähr zehn Jahren zu Halloween. „Ohne Erfolg. Es war einfach
nicht der richtige Zeitpunkt.“ Über die Jahre sei das Konzept
aber immer im Hinterkopf geblieben; und als sich der Erfolg der
deutschen Mitstreiter abzeichnete, hat er seine Gedanken daran
im Frühjahr 2013 erneut seiner Familie vorgestellt. „Die waren
gar nicht begeistert. Ich musste sie zwei Tage überreden, aber
dann stand der Entschluss“, erzählt Reinhard. Mit dem neuen
Konzept geht man ein Risiko ein; die bisherige Zielgruppe, die
Eltern und Großeltern mit ihren Kindern und Enkeln, fällt
komplett weg. Stattdessen geht es genau um die Altersgruppe
dazwischen. Dem ist sich Reinhard bewusst: „Mich interessieren
vor allem die Leute, die ansonsten nicht in den Zirkus gehen.“
Finstere Gestalten
im "Zirkus des Grauens"
Schon während der Saison 2013
liefen die Planungen, wie die einzelnen Darbietungen umgestaltet
werden können. Inspirationen lieferten dabei natürlich auch die
ähnlichen Produktionen in den USA, England oder auch
Deutschland. In den Wintermonaten wurde dann zudem gewaltig am
äußeren Erscheinungsbild gearbeitet. Die Farbgebung des
Unternehmens wurde in Rot-Schwarz-Gold geändert, Fuhrpark, aber
auch Piste und Logenumrandung wurden farblich angepasst. Ein
neuer, in edlem Rot gehaltener und detailliert dekorierter
Kassenwagen mit Leuchtschrift wurde fertig gestellt. Zudem wurde
ein neues Vorzelt angeschafft, das nun die Gastronomie
beherbergt. In der Manege ist ein viereckiges Podium mit Steg
zum Artisteneingang errichtet. Eine neue Lichtanlage mit LEDs an
den Masten und rund um die Piste sowie ein Verfolger
illuminieren das Programm. „Aeternitas – eine circensische
Reise in die Welt der Finsternis“ ist der Titel der diesjährigen
Produktion und die „soll Zirkus bleiben“, sagt Reinhard. Bewusst
setzt man deswegen nicht auf eine durchgehende Show, sondern auf
ein Nummernprogramm, in dem die einzelnen Darbietungen durch
Musik und Kostüm dem düsteren Grundthema angepasst und meist für
sich einzeln inszeniert sind. Eine Rahmenhandlung gibt es nur in
Form einer kurzen Anekdote zur Begrüßung, die besagt, dass der
Circus von Dämonen überfallen worden sei und seitdem als „Zirkus
des Grauens“ reisen müsse.
Seraina Imholz und Michele Klein
- Solo und im Duo
Den eigentlichen Auftakt bietet
dann Michele Klein, Absolventin der Berliner Artistenschule und
bereits in den vergangenen Jahren mit den Reinhards unterwegs.
Als Ballerina tänzelt sie durch die Manege, ehe sie von Dämonen
mit einem Netz gefangen wird. Das Netz dient schließlich als
Requisit für ihre Luftnummer. Auch ihre zweite Darbietung spielt
mit Ballett-Bezug, zeigt sie doch im Kostüm des „Black Swan“
eine starke Arbeit am Trapez und darüber hängender Schlaufe.
Genickhang und Wirbel gehören zum überzeugenden Auftritt.
Zusammen mit Seraina Imholz, ebenfalls Absolventin der Berliner
Artistenschule, hat sie zudem über die Wintermonate eine
Darbietung an den Tüchern einstudiert. In fluoreszierenden
Skelett-Kostümen werden in synchronen Passagen beispielsweise
Spagat und Abfaller geboten, auch einige gemeinsame Haltetricks
gehören zum Ablauf. Seraina Imholz ist zudem in einer schön
inszenierten Rhönrad-Nummer zu sehen. Als „Getriebene“ nutzt sie
das Rad für vielfältige Tricks an diesem in Manegen selten zu
sehenden Requisit.
André, René und Maria Reinhard
Starke Akzente setzt auch André
Reinhard mit seinen beiden Darbietungen. Seine
Handstand-Akrobatik, die von Kerzen tragenden Mönchen
eingeleitet wird, gipfelt nach mehreren Einarmern im Auf- und
Abbau eines Klötzchenturms. Auch eine Treppe beherrscht er im
Handstand. Auf der Rola Rola – auf einer erhöhten Plattform –
springt er Seil, jongliert mit Feuerkeulen und baut einen Turm
aus fünf Etagen. Maria Reinhard lässt die Hula Hoop-Reifen
kreisen, und René Reinhard bietet eine Feuershow. Pascal und
Leon Reinhard fungieren als „Horror-Clowns“, rammen sich
vermeintlich Messer und Kabel in den Kopf und scheitern am
elektrischen Stuhl.
"Mr. Extrem" Kurt
Späth
„Aeternitas“ kommt im Vergleich
zu den deutschen Produktionen weniger spektakulär daher, es
fehlen etwa Genres wie Todesrad, Motorradkugel oder Freefighter.
Es geht aber auch ohne, wie sich zeigt. Nicht fehlen darf auch
im „Zirkus des Horrors“ hingegen ein „Freak“: In zwei Auftritten
sorgt „Mr. Extrem“ mit seiner Body-Performance für die
eindrucksvollen Momente. Aus rund zwanzig verschiedenen
Elementen könne er seine Show variieren, erzählt Kurt Späth, so
Mr. Extrem mit bürgerlichem Namen, nach der Show im Gespräch.
Der Abwechslung wegen, Verletzungen passieren dagegen kaum. In
der besuchten Vorstellung entledigt er sich in Gestalt eines
Hannibal Lector zunächst der Zwangsjacke, schneidet sich dann
mit einem Messer in den Arm und steckt sich Spritzennadeln durch
Mund, Hals und in die Stirn. Er bohrt er sich einen Nagel in die
Nase, hängt einen Ambus an seine Ohren, schiebt sich eine
laufenden Presslufthammer in die Speiseröhre und zieht dank
eines Hakens durch die Zunge ein Gefährt, auf dem seine
Partnerin Platz nimmt. Total durchgeknallt. |