Ein Circusprogramm braucht unter anderem Temponummern, die das
Publikum von den Sitzen reißen und ruhige Auftritte, die zum
Träumen animieren. Zu einem Pop- oder Rockkonzert gehören
schnelle, laute Stücke ebenso wie Feuerzeugballaden. Hier kommt
nun beides zusammen, dargeboten von wahren Könnern ihres
jeweiligen Fachs.
Duo Laos, Helena
Lehmann, White Gothic
Zudem
sind die Höhner und Roncalli bestens aufeinander eingespielt. Die
gemeinsamen Produktionen haben fast schon Tradition. "SternZeiten"
heißt die aktuelle, welche vergangenes Jahr beim Hessentag in Kassel
Premiere feierte. In der Rahmenhandlung geht es um die Sternzeichen. Das
Thema wird immer wieder aufgegriffen, etwa wenn die Artisten beim
Opening die Symbole der Tierkreiszeichen hereinbringen. Im Gegensatz zu
2013 gibt es in der Besetzung ein paar Veränderungen. Nicht mehr dabei
sind At Moonlight, Oleg Izossimov sowie Leosvel und Diosmani. Dafür
gibt es adäquate Neuzugänge. Sofort begeistert hat mich das Duo Laos.
Ihre Partnerakrobatik ist hinsichtlich der Trickfolge phänomenal. Was
dazukommt, ist die Art, wie Pablo und Mercedes sich einen "Machtkampf auf
der Suche nach Frieden" liefern, so die Beschreibung. Zwei junge
sympathische Artisten, die mit einer ungeheuren Intensität und Präsenz
agieren. Herrlich! Helena Lehmann hat sich der Akrobatik am Pole, also
am Masten verschrieben. Hieran zeigt sie eine wunderbar sinnliche Kür
mit vielen akrobatischen Tricks. Doch auch die Frauen kommen auf ihre
Kosten. Dafür sorgen insbesondere die vier muskulösen Herren von White Gothic. Die Ukrainer nutzen ihre Kraft, um eindrucksvolle Figuren der
Handstandakrobatik zu bilden. Damit setzen sie den umjubelten
Schlusspunkt vor dem Finale.
Naima Rhyn Rigolo, Johan Wellton, Yulia Rasshivkina
Komplett
anders angelegt ist da die Pausennummer. Hier herrscht über viele
Minuten angespannte Stille. Nämlich dann, wenn Naima Rhyn Rigolo
insgesamt 13 Palmäste übereinander legt und dieses höchst fragile
Gebilde souverän zu balancieren weiß. Das Publikum fiebert
fasziniert mit und spendet seinen frenetischen Applaus erst, wenn die
Artistin ihr Kunstwerk einstürzen lässt. Im vergangenen Jahr
wurde eine identische Nummer hier von Miyoko Shida Rigolo
gezeigt. Insgesamt soll es inzwischen acht dieser Darbietungen geben.
Das ist sicherlich der entsprechenden Nachfrage geschuldet, lässt aber
ein wenig an der artistischen Leistung zweifeln. Eine weitere,
weitgehend ähnliche, Nachbesetzung gibt es beim Schleuderbrett. Statt
des Trio DAC sind nun die Balagans am Start. Ein Artist ist geblieben,
ebenso der unverwechselbare Stil, mit dem sich die drei jugendlichen
Männer gegenseitig in die Luft katapultieren. Hier gibt es Action,
Lebensfreude und anspruchsvolle Artistik. Die Sympathien hat das Trio
im Handumdrehen auf seiner Seite. Ein weiterer
Instant-Publikumsliebling ist Johan Wellton. Der schwedische Wirbelwind
legt zum Takt der Musik ein enormes Tempo vor. Seine Spezialität ist
die Jonglage von kleinen gelben Bällen. Dies insbesondere zum Boden.
Geschickt baut er dabei Tisch und Stuhl ein. Für den fetzigen Auftritt
im ersten Teil sorgt Yulia Rasshivkina. Mit ordentlich Sexappeal lässt
sie rasant und in verschiedensten Varianten Hula Hoop-Reifen um ihren
Körper kreisen. Dabei trägt die schöne Russin ein herrliches kurzes
Kleid, wow!
Svyatislav Rasshivkin, Lisa Rinne, Svetlana Goncharenko
Natürlich
ist auch ihr Sohn Svyatislav wieder mit von der Partie. Der Auftakt zu
seiner Nummer entspricht noch dem Alter des Artisten.
Höhner-Schlagzeuger Janus Fröhlich bringt den 12-Jährigen ins Bett. Dazu
wird "La Le Lu" gesungen. Doch statt zu schlafen, zeigt Svyatislav eine
anspruchsvolle Kür an den Strapaten, welche viel Kraft erfordert. Dafür
gab es 2012 beim Festival in Wiesbaden "Silber" in der jüngeren
Altersgruppe. "Gold" bei den Älteren holte damals Lisa Rinne. Jetzt
spielen die beiden Shooting Stars in der Rahmenhandlung der Show. Mit
ihrer Himmelsleiter ist Lisa Rinne natürlich prädestiniert, die Sterne
aus dem Titel der Produktion "vom Himmel" zu holen. "Sie greift nach
den Sternen" singen die Höhner passenderweise dazu. Und natürlich zeigt
sie ihre preisgekrönte Darbietung am Schwungtrapez. Die riskanten und
souverän dargebotenen Sprünge werden zum Glück mit einer Longe
gesichert. Seltenheitswert in einer Circusmanege hat die Kunst der
Sandmalerei. Die besondere Spezialität von Svetlana Goncharenko ist das
Erzählen einer durchgängigen Geschichte. Hier bildet sie das
menschliche Leben vom Baby bis zum Greis ab. Genial begleitet wird sie
dabei von "Hey Johannes" der Höhner. Dies ist der wohl berührendste
Moment der Show.
Leonid Beljakov, Andrey Jigalov
Die
Sparte Humor ist dank Andrey Jigalov und Leonid Beljakov wiederum
bestens vertreten. Bei seinen beiden großen Auftritten hat Jigalov
jeweils eines der Höhner-Mitglieder als Partner. Wobei man hier eher
von einem Gegenspieler sprechen muss. Mit Frontmann Henning Krautmacher
streitet er sich um immer größere Schokoriegel. Seine Paradenummer, die
in eine Wasserschlacht ausartende Musikaufführung, zeigt er mit Peter
Werner. Immer ist Jigalov dabei der vermeintliche Verlierer, der am
Ende dann doch die Oberhand gewinnt. Die Sympathien des Publikums
gehören ihm ohnehin. Leonid Beljakov und seine Hunden gewinnen diese
ebenfalls im Handumdrehen. Sei es mit flotten Kunststücken im ganzen
Rudel oder höchst phlegmatisch im Solo. Zunächst zeigt er seine bunte
Truppe, welche viele Tricks beherrscht und diese zumeist sehr originell
vorführt. Boxer "Klitschko" hingegen hat scheinbar auf gar nichts Lust.
Das aber so konsequent und desinteressiert, dass es zum Brüllen komisch
ist.
Höhner
Egal
wie die Stimmung ist, die Höhner haben immer den passenden Song parat.
Dank eines riesigen Repertoires und musikalischer Versiertheit ist das
Zusammenspiel zwischen Manege und Musikerbühne vor dem Roncalli-Artisteneingang perfekt. Und wenn dann zum Ende hin noch "Viva
Colonia" erklingt, bekommt das Publikum den Song zu hören, den wohl
jeder im Chapiteau mit dieser Band verbindet. Das aber glücklicherweise,
nachdem das Sextett eindrucksvoll bewiesen hat, dass eine Reduktion auf
die Hommage an ihre Heimatstadt alles andere als gerechtfertigt ist. |