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Höhner Rockin' Roncalli - Tour 2014
www.hoehner-rockin-roncalli.de ; 95 Showfotos

Aachen, 8. Juni 2014: Die musikalische Unterstützung von artistischen Nummern gehört heute zu jedem Circusprogramm. Hingegen werden bei Popkonzerten immer öfter artistische Darbietungen zur visuellen Aufwertung eingesetzt. Immer steht eine Form der Kunst im Vordergrund, die andere unterstützt. Die Höhner Rockin' Roncalli Show nun stellt Musik und Artistik gleichberechtigt nebeneinander, was durch den Titel verdeutlicht wird. Auch in diesem Jahr gelingt dies wieder auf geniale Weise. So ist die Gesamtwirkung deutlich mehr als die Summe ihrer Teile. Vielleicht liegt ein Schlüssel des Erfolgs darin, dass beide Unterhaltungsformen innerhalb einer Aufführung zumeist die ganze Palette der Emotionen bedienen.

Ein Circusprogramm braucht unter anderem Temponummern, die das Publikum von den Sitzen reißen und ruhige Auftritte, die zum Träumen animieren. Zu einem Pop- oder Rockkonzert gehören schnelle, laute Stücke ebenso wie Feuerzeugballaden. Hier kommt nun beides zusammen, dargeboten von wahren Könnern ihres jeweiligen Fachs.


Duo Laos, Helena Lehmann, White Gothic

Zudem sind die Höhner und Roncalli bestens aufeinander eingespielt. Die gemeinsamen Produktionen haben fast schon Tradition. "SternZeiten" heißt die aktuelle, welche vergangenes Jahr beim Hessentag in Kassel Premiere feierte. In der Rahmenhandlung geht es um die Sternzeichen. Das Thema wird immer wieder aufgegriffen, etwa wenn die Artisten beim Opening die Symbole der Tierkreiszeichen hereinbringen. Im Gegensatz zu 2013 gibt es in der Besetzung ein paar Veränderungen. Nicht mehr dabei sind At Moonlight, Oleg Izossimov sowie Leosvel und Diosmani. Dafür gibt es adäquate Neuzugänge. Sofort begeistert hat mich das Duo Laos. Ihre Partnerakrobatik ist hinsichtlich der Trickfolge phänomenal. Was dazukommt, ist die Art, wie Pablo und Mercedes sich einen "Machtkampf auf der Suche nach Frieden" liefern, so die Beschreibung. Zwei junge sympathische Artisten, die mit einer ungeheuren Intensität und Präsenz agieren. Herrlich! Helena Lehmann hat sich der Akrobatik am Pole, also am Masten verschrieben. Hieran zeigt sie eine wunderbar sinnliche Kür mit vielen akrobatischen Tricks. Doch auch die Frauen kommen auf ihre Kosten. Dafür sorgen insbesondere die vier muskulösen Herren von White Gothic. Die Ukrainer nutzen ihre Kraft, um eindrucksvolle Figuren der Handstandakrobatik zu bilden. Damit setzen sie den umjubelten Schlusspunkt vor dem Finale.


Naima Rhyn Rigolo, Johan Wellton, Yulia Rasshivkina

Komplett anders angelegt ist da die Pausennummer. Hier herrscht über viele Minuten angespannte Stille. Nämlich dann, wenn Naima Rhyn Rigolo insgesamt 13 Palmäste übereinander legt und dieses höchst fragile Gebilde  souverän zu balancieren weiß. Das Publikum fiebert fasziniert mit und spendet seinen frenetischen Applaus erst, wenn die Artistin ihr Kunstwerk einstürzen lässt. Im vergangenen Jahr wurde  eine identische Nummer hier von Miyoko Shida Rigolo gezeigt. Insgesamt soll es inzwischen acht dieser Darbietungen geben. Das ist sicherlich der entsprechenden Nachfrage geschuldet, lässt aber ein wenig an der artistischen Leistung zweifeln. Eine weitere, weitgehend ähnliche, Nachbesetzung gibt es beim Schleuderbrett. Statt des Trio DAC sind nun die Balagans am Start. Ein Artist ist geblieben, ebenso der unverwechselbare Stil, mit dem sich die drei jugendlichen Männer gegenseitig in die Luft katapultieren. Hier gibt es Action, Lebensfreude und anspruchsvolle Artistik. Die Sympathien hat das Trio im Handumdrehen auf seiner Seite. Ein weiterer Instant-Publikumsliebling ist Johan Wellton. Der schwedische Wirbelwind legt zum Takt der Musik ein enormes Tempo vor. Seine Spezialität ist die Jonglage von kleinen gelben Bällen. Dies insbesondere zum Boden. Geschickt baut er dabei Tisch und Stuhl ein. Für den fetzigen Auftritt im ersten Teil sorgt Yulia Rasshivkina. Mit ordentlich Sexappeal lässt sie rasant und in verschiedensten Varianten Hula Hoop-Reifen um ihren Körper kreisen. Dabei trägt die schöne Russin ein herrliches kurzes Kleid, wow!


Svyatislav Rasshivkin, Lisa Rinne, Svetlana Goncharenko

Natürlich ist auch ihr Sohn Svyatislav wieder mit von der Partie. Der Auftakt zu seiner Nummer entspricht noch dem Alter des Artisten. Höhner-Schlagzeuger Janus Fröhlich bringt den 12-Jährigen ins Bett. Dazu wird "La Le Lu" gesungen. Doch statt zu schlafen, zeigt Svyatislav eine anspruchsvolle Kür an den Strapaten, welche viel Kraft erfordert. Dafür gab es 2012 beim Festival in Wiesbaden "Silber" in der jüngeren Altersgruppe. "Gold" bei den Älteren holte damals Lisa Rinne. Jetzt spielen die beiden Shooting Stars in der Rahmenhandlung der Show. Mit ihrer Himmelsleiter ist Lisa Rinne natürlich prädestiniert, die Sterne aus dem Titel der Produktion "vom Himmel" zu holen. "Sie greift nach den Sternen" singen die Höhner passenderweise dazu. Und natürlich zeigt sie ihre preisgekrönte Darbietung am Schwungtrapez. Die riskanten und souverän dargebotenen Sprünge werden zum Glück mit einer Longe gesichert. Seltenheitswert in einer Circusmanege hat die Kunst der Sandmalerei. Die besondere Spezialität von Svetlana Goncharenko ist das Erzählen einer durchgängigen Geschichte. Hier bildet sie das menschliche Leben vom Baby bis zum Greis ab. Genial begleitet wird sie dabei von "Hey Johannes" der Höhner. Dies ist der wohl berührendste Moment der Show.


Leonid Beljakov, Andrey Jigalov

Die Sparte Humor ist dank Andrey Jigalov und Leonid Beljakov wiederum bestens vertreten. Bei seinen beiden großen Auftritten hat Jigalov jeweils eines der Höhner-Mitglieder als Partner. Wobei man hier eher von einem Gegenspieler sprechen muss. Mit Frontmann Henning Krautmacher streitet er sich um immer größere Schokoriegel. Seine Paradenummer, die in eine Wasserschlacht ausartende Musikaufführung, zeigt er mit Peter Werner. Immer ist Jigalov dabei der vermeintliche Verlierer, der am Ende dann doch die Oberhand gewinnt. Die Sympathien des Publikums gehören ihm ohnehin. Leonid Beljakov und seine Hunden gewinnen diese ebenfalls im Handumdrehen. Sei es mit flotten Kunststücken im ganzen Rudel oder höchst phlegmatisch im Solo. Zunächst zeigt er seine bunte Truppe, welche viele Tricks beherrscht und diese zumeist sehr originell vorführt. Boxer "Klitschko" hingegen hat scheinbar auf gar nichts Lust. Das aber so konsequent und desinteressiert, dass es zum Brüllen komisch ist.


Höhner

Egal wie die Stimmung ist, die Höhner haben immer den passenden Song parat. Dank eines riesigen Repertoires und musikalischer Versiertheit ist das Zusammenspiel zwischen Manege und Musikerbühne vor dem Roncalli-Artisteneingang perfekt. Und wenn dann zum Ende hin noch "Viva Colonia" erklingt, bekommt das Publikum den Song zu hören, den wohl jeder im Chapiteau mit dieser Band verbindet. Das aber glücklicherweise, nachdem das Sextett eindrucksvoll bewiesen hat, dass eine Reduktion auf die Hommage an ihre Heimatstadt alles andere als gerechtfertigt ist.

Die guten Dinge im Leben sind bekanntlich rar. So gab es in diesem Jahr nur das eine Gastspiel in Aachen. Aber für 2015 ist eine Fortsetzung der Show bereits angekündigt. Ein neu in Betrieb genommenes Vorzelt in den Farben des Chapiteaus deutet ebenfalls darauf hin, dass es weitergehen wird. Insofern lassen wir uns überraschen, wo die "SternZeiten" im kommenden Jahr zu sehen sein werden. In jedem Fall aber sei der Besuch dieser circensischen und musikalischen Sternstunden wärmstens empfohlen. Diese Show begeistert und macht einfach glücklich.

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Text und Fotos: Stefan Gierisch