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Circus Knie - Tour 2014
www.knie.ch ; 138 Showfotos

Rapperwswil, 27. März 2014: Der diesjährige Starkomiker im Schweizer Nationalcircus kommt nicht, wie in den Vorjahren üblich, aus der Comedyszene. Stattdessen trägt er eine rote Nase und führt die Berufsbezeichnung „Clown“. Nachdem sich in den vergangenen Jahren Schweizer Comedians mehr oder weniger erfolgreich bei Knie versuchen durften, gibt es in diesem Jahr endlich wieder einen Spaßmacher, der in der Manege zu Hause ist. Und nicht irgendeinen, sondern David Larible. Wenn man die Eigenwerbung übernehmen will, könnte man sagen: Der „Clown der Clowns“ ist im „Circus der Circusse“ angekommen.

Das Publikum feiert ihn gleich in den ersten Vorstellungen, die Presse erklärt die „Humorkrise“ bei Knie für beendet. Keine Frage, Larible ist der Star des neuen Programms, das aber auch sonst viele großartige Künstler zu bieten hat. Encho Keryazov, Rosi Hochegger und das Duo Vanegas etwa. Ein weiterer wichtiger Erfolgsfaktor sind der flotte Ablauf, die großen fantastischen Bilder mit einem Bingo-Ensemble und das traumhafte Lichtdesign. Einzig bei der Musikbegleitung stellen sich langsam Abnutzungseffekte ein. Viele Melodien, etwa beim Finale, sind schon recht lange zu hören. Ich würde mir zudem eine stärkere Anlehnung an typische Circusmusik wünschen. Mit dem großen Orchester unter der Leitung von Ruslan Fil sind beste Voraussetzungen dafür geschaffen. 


Fredy Knie junior, Ivan Frédéric Knie, Chanel Marie Knie

Das, was den Schweizer Nationalcircus aber zu etwas ganz Besonderem macht, ist die Direktionsfamilie selbst. Sie schafft so etwas wie den Knie-Effekt. In seiner Begrüßung beschwört Fredy Knie junior diese Familientradition und erzählt stolz, dass die jüngeren Generationen immer mehr Verantwortung übernehmen. Gleich nach dem Opening mit Bingo und David Larible dürfen wir uns davon überzeugen. Zunächst lässt Mary-José Knie zwei Pintos effektvoll durch Dreiecke aus von den Bingo-Mitgliedern gehaltenen leuchtenden Stäben laufen und über diese Stäbe springen. Sodann erleben wir ihren Enkel Ivan Frédéric Knie als Hohe-Schule-Reiter in einem von Michael Jackson inspirierten Kostüm. Die Poprhythmen passen zum Outfit und dem jungen, selbstbewussten Reiter, der seine Sache verdammt cool macht.  Schwester Chanel Marie hat in diesem Jahr ihren ersten Auftritt. Dies gemeinsam mit Großvater Fredy Knie junior. Es ist schon herzallerliebst, wenn die Dreijährige von ihm auf einem großen weißen Pferd durch die Manege geführt wird. Als beide in deren Mitte stehen, fallen glitzernde Schneeflocken aus der Kuppel. Obschon an der Grenze zum Kitsch, ergibt sich natürlich ein traumhaftes Bild. Beim folgenden Groß und Klein obliegt Chanel Marie die Vorführung des Ponys. Dieser Aufgabe kommt sie schon recht resolut nach. Abschluss dieses Blocks sind Steigerläufe mit Pferd sowie Pony, auf denen Ivan Frédéric und Chanel Marie reiten.


Maycol Errani

Die Elterngeneration der beiden steht wiederum mit Pferde- sowie Elefantendressuren in der Manege. Besonders herauszuheben ist hier in diesem Jahr Maycol Errani. Zunächst präsentiert er humorvoll das Bettpferd von Rosi Hochegger, welches partout nicht über ein Hindernis springen will und sich stattdessen viel lieber aufs Ohr legt. Mit seiner selbst einstudierten Pferdedressur sorgt er für die große Überraschung des Programms und mein persönliches Highlight der Show. Es ist eine traumhafte Freiheit mit sechs Friesenhengsten. Im eleganten Gehrock kommt er ohne Sattel auf einem Friesen hereingeritten. Anschließend gesellt sich ein weiterer hinzu. Errani lenkt die Tiere vom Boden aus zu außergewöhnlichen Figuren. So steht er beispielsweise zwischen zwei Pferden, beide mit dem Kopf zu ihm. Nun bewegen sie sich zu dritt vor und zurück, womit also immer eines der Tiere vor- und das andere rückwärts laufen muss. Nach weiteren Dressurabläufen reitet er stehend auf zwei Friesen, vier weitere kommen nach und nach hinzu. Zum Schluss reitet er mit sechs Friesen nebeneinander durch die Manege, während er auf den beiden mittleren steht. Eine großartige Leistung, die traumhafte Bilder kreiert. Ehefrau Géraldine Katharina Knie zeigt darauf eine Freiheit mit jeweils vier Friesen, weißen Vollblutarabern und Zebras. An die anspruchsvollen Dressurabläufe schließen sich verschiedene Steiger an, die die beiden abwechselnd dirigieren. Franco Knie juniors Metier sind die Elefanten, welche er auch dieses Jahr zusammen mit Frau Linna und Sohn Chris Rui vorführt. Eingeleitet von Michael Jacksons „Black or White“ gibt es einmal mehr einen Querschnitt durch das Repertoire der drei Dickhäuter, bei dem sich auch die Vorführer gekonnt in Szene setzen.


Rosi Hochegger, Chinese Diabolo Girls, Fratelli Errani

Mit Rosi Hocheggers „Dancing Dogs“ ist eine weitere Tiernummer dabei. Sogar eine, die aktuell mit einem Silbernen Clown sowie weiteren Preisen in Monte Carlo ausgezeichnet wurde. Hocheggers Eltern lernten sich im Circus Knie kennen. Vater Toni begann hier 1951 als Tierpfleger und wurde später als Tierlehrer bekannt. Mutter Bärbel bildete mit ihrer Schwester das Akrobatik-Duo Mascott. Rosi Hochegger ist ganz offensichtlich in die Fußstapfen ihres Vaters getreten. Die Hundenummer ist wirklich originell. Das fängt bei der Kulisse, einem Ensemble gemütlich wirkender Häuserfronten, an und endet bei der fröhlichen Art der Präsentation. Unter den Tricks finden sich Raritäten wie das Durchlaufen der Beine von Rosi Hochegger durch einen Hund im Rückwärtsgang. Ebenfalls Monte Carlo-prämiert (Goldener Clown 2013) sind laut Programmheft die „Feather Girls“ der China National Acrobatic Troupe. Mit großen Federn am Kopfschmuck lassen die acht jungen Artistinnen ihre Diabolos virtuos tanzen. Es ist, wie von derartigen Formationen bekannt, eine ausgefeilte Choreographie. Ob es nun aber original die Artistinnen sind, die auch in Monte Carlo oder beim letzten Heilbronner Weihnachtscircus aufgetreten sind, lässt sich schwerlich sagen. Originale sind in jedem Fall die Fratelli Errani. Eigentlich wollten sie zu dritt Artistik an der Koreanischen Wippe zeigen. Nachdem sich Wioris kurz vor Saisonstart eine Meniskusverletzung zugezogen hat, musste umdisponiert werden. So sehen wir einmal mehr die ebenfalls „vergoldeten“ Ikarischen Spiele von Maycol und Guido.


Shirley Earible, Encho Keryazov, Duo Vanegas

Nicht jeder mag es angenehm finden, wenn der eigene Vater singt, während man arbeitet. Im Falle von Shirley Larible ist das anders. Denn Vater David ist ein ganz hervorragender Sänger und begleitet wirkungsvoll die Strapatenartistik seiner Tochter. Die hübsche junge Dame weiß sich auch so schon wunderbar in Szene zu setzen. Mit ihrem langen dunklen Haar schwebt sie durch die Lüfte, macht Umschwünge und balanciert frei im Spagat. Genau wie die Laribles, konnten wir Encho Keryazov viele Jahre bei Roncalli erleben. Der Artist mit dem muskulösen Körperbau erhält für seine spektakulären Handstände wahre Ovationen. Der Klötzchentrick kommt nach wie vor beim Publikum sensationell an. Verkauf und Leistung stimmen hier einfach. Das gilt ebenfalls für das Duo Vanegas. Alejandro Vanegas und Michael Ricardo Daza Vanegas sorgen vor dem Finale für die spektakuläre Schlussnummer. Mit enormer Geschwindigkeit fegen die beiden über das Todesrad. Nervenkitzel garantiert. Alejandro Vanegas ist einer der wenigen Artisten, die den Salto auf dem drehenden Außenrad zeigen. Dieser wird auch vom Rapperswiler Premierenpublikum frenetisch bejubelt. Die Bingo-Mitglieder beweisen, dass sie nicht nur große Bilder schaffen können, sondern ebenfalls ausgebildete Artisten sind. Zu Beginn des ersten Teils gibt es ein Charivari in Weiß und Gold mit Jonglage, Handstandartistik, Hula Hoop sowie Sprüngen über einen Elefant. Nach der Pause stehen dann Kubusjonglagen im Mittelpunkt.


David Larible

Kommen wir zu David Larible. Beim Opening mischt er sich unter die Artisten von Bingo, ganz so wie ein kleiner Junge, der die Zauberwelt des Circus entdeckt. Nach dem Finale verabschiedet er das Publikum singend, während er sich dabei auf der Concertina begleitet. Vor der Pause hat er drei weitere Auftritte. Wir erleben ihn als gekonnten Wasserspucker mit einem Jungen, als Ballerina mit Tüchern und als Dirigent eines „Glockenorchesters“ mit Gästen aus dem Publikum. Im zweiten Teil kommt seine „Opera“ zur Aufführung. Ganz so, wie wir sie von Roncalli kennen. Für das Schweizer Publikum ist sie natürlich neu. Entsprechend wird Larible gefeiert. Profi durch und durch, weiß er mit jeder Geste, jeder kleinen Gesichtsregung das Publikum für sich zu gewinnen. Er spielt seine Rolle als diesjähriges Gesicht des Circus Knie in der Werbung perfekt.

Knie 2014 überzeugt auf ganzer Linie. Dies insbesondere deswegen, weil die Show Circus pur ist. Endlich gibt es wieder einen „richtigen“ Clown als zentrale Figur. Dazu bekannte Namen im Bereich der engagierten Artisten und Tierlehrer. Die Familie Knie mit ihren Dressuren macht die Produktion unverwechselbar. Ihr Stil, Circus zu spielen, versprüht weiterhin Vitalität, Dynamik und Emotionen. Damit unterstreicht Knie einmal mehr seinen Platz in der Spitzengruppe der führenden Circusunternehmen.

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Text und Fotos: Stefan Gierisch