Das
Publikum feiert ihn gleich in den ersten Vorstellungen, die Presse
erklärt die „Humorkrise“ bei Knie für beendet. Keine Frage, Larible ist
der Star des neuen Programms, das aber auch sonst viele großartige
Künstler zu bieten hat. Encho Keryazov, Rosi Hochegger und das Duo
Vanegas etwa. Ein weiterer wichtiger Erfolgsfaktor sind der flotte
Ablauf, die großen fantastischen Bilder mit einem Bingo-Ensemble und
das traumhafte Lichtdesign. Einzig bei der Musikbegleitung stellen sich
langsam Abnutzungseffekte ein. Viele Melodien, etwa beim Finale, sind
schon recht lange zu hören.
Ich würde mir
zudem eine stärkere Anlehnung an typische Circusmusik wünschen.
Mit dem großen Orchester unter der Leitung von Ruslan Fil sind
beste Voraussetzungen dafür geschaffen.
Fredy Knie junior, Ivan Frédéric Knie,
Chanel Marie Knie
Das,
was den Schweizer Nationalcircus aber zu etwas ganz Besonderem macht,
ist die Direktionsfamilie selbst. Sie schafft so etwas wie den
Knie-Effekt. In seiner Begrüßung beschwört Fredy Knie junior diese
Familientradition und erzählt stolz, dass die jüngeren Generationen
immer mehr Verantwortung übernehmen. Gleich nach dem Opening mit Bingo
und David Larible dürfen wir uns davon überzeugen. Zunächst lässt
Mary-José Knie zwei Pintos effektvoll durch Dreiecke aus von den
Bingo-Mitgliedern gehaltenen leuchtenden Stäben laufen und über
diese Stäbe springen. Sodann erleben wir ihren Enkel Ivan
Frédéric Knie als Hohe-Schule-Reiter in einem von Michael
Jackson inspirierten Kostüm. Die Poprhythmen passen zum Outfit
und dem jungen, selbstbewussten Reiter, der seine Sache verdammt
cool macht. Schwester Chanel Marie hat in
diesem Jahr ihren ersten Auftritt. Dies gemeinsam mit Großvater Fredy
Knie junior. Es ist schon herzallerliebst, wenn die Dreijährige von ihm
auf einem großen weißen Pferd durch die Manege geführt wird. Als beide
in deren Mitte stehen, fallen glitzernde Schneeflocken aus der Kuppel.
Obschon an der Grenze zum Kitsch, ergibt sich natürlich ein traumhaftes
Bild. Beim folgenden Groß und Klein obliegt Chanel Marie die Vorführung
des Ponys. Dieser Aufgabe kommt sie schon recht resolut nach. Abschluss
dieses Blocks sind Steigerläufe mit Pferd sowie Pony, auf denen Ivan
Frédéric und Chanel Marie reiten.
Maycol Errani
Die
Elterngeneration der beiden steht wiederum mit Pferde- sowie
Elefantendressuren in der Manege. Besonders herauszuheben ist hier in
diesem Jahr Maycol Errani. Zunächst präsentiert er humorvoll das
Bettpferd von Rosi Hochegger, welches partout nicht über ein Hindernis
springen will und sich stattdessen viel lieber aufs Ohr legt. Mit
seiner selbst einstudierten Pferdedressur sorgt er für die große
Überraschung des Programms und mein persönliches Highlight der Show. Es
ist eine traumhafte Freiheit mit sechs Friesenhengsten. Im eleganten
Gehrock kommt er ohne Sattel auf einem Friesen hereingeritten.
Anschließend gesellt sich ein weiterer hinzu. Errani lenkt die Tiere vom Boden aus
zu außergewöhnlichen Figuren. So steht er beispielsweise zwischen zwei
Pferden, beide mit dem Kopf zu ihm. Nun bewegen sie sich zu dritt vor
und zurück, womit also immer eines der Tiere vor- und das andere
rückwärts laufen muss. Nach weiteren Dressurabläufen reitet er stehend
auf zwei Friesen, vier weitere kommen nach und nach hinzu. Zum Schluss
reitet er mit sechs Friesen nebeneinander durch die Manege, während er
auf den beiden mittleren steht. Eine großartige Leistung, die
traumhafte Bilder kreiert. Ehefrau Géraldine Katharina Knie zeigt
darauf eine Freiheit mit jeweils vier Friesen, weißen Vollblutarabern
und Zebras. An die anspruchsvollen Dressurabläufe schließen sich
verschiedene Steiger an, die die beiden abwechselnd dirigieren. Franco
Knie juniors Metier sind die Elefanten, welche er auch dieses Jahr
zusammen mit Frau Linna und Sohn Chris Rui vorführt. Eingeleitet von
Michael Jacksons „Black or White“ gibt es einmal mehr einen Querschnitt
durch das Repertoire der drei Dickhäuter, bei dem sich auch die
Vorführer gekonnt in Szene setzen.
Rosi Hochegger, Chinese Diabolo Girls,
Fratelli Errani
Mit
Rosi Hocheggers „Dancing Dogs“ ist eine weitere Tiernummer dabei. Sogar
eine, die aktuell mit einem Silbernen Clown sowie weiteren Preisen in
Monte Carlo ausgezeichnet wurde. Hocheggers Eltern lernten sich im Circus
Knie kennen. Vater Toni begann hier 1951 als Tierpfleger und wurde
später als Tierlehrer bekannt. Mutter Bärbel bildete mit ihrer
Schwester das Akrobatik-Duo Mascott. Rosi Hochegger ist ganz
offensichtlich in die Fußstapfen ihres Vaters getreten. Die Hundenummer
ist wirklich originell. Das fängt bei der Kulisse, einem Ensemble
gemütlich wirkender Häuserfronten, an und endet bei der fröhlichen Art
der Präsentation. Unter den Tricks finden sich Raritäten wie das
Durchlaufen der Beine von Rosi Hochegger durch einen Hund im
Rückwärtsgang. Ebenfalls Monte Carlo-prämiert (Goldener Clown
2013) sind laut Programmheft die „Feather Girls“ der China National
Acrobatic Troupe. Mit großen Federn am Kopfschmuck lassen die acht
jungen Artistinnen ihre Diabolos virtuos tanzen. Es ist, wie von
derartigen Formationen bekannt, eine ausgefeilte Choreographie. Ob es
nun aber original die Artistinnen sind, die auch in Monte Carlo oder
beim letzten Heilbronner Weihnachtscircus aufgetreten sind, lässt sich
schwerlich sagen. Originale sind in jedem Fall die Fratelli Errani.
Eigentlich wollten sie zu dritt Artistik an der Koreanischen Wippe
zeigen. Nachdem sich Wioris kurz vor Saisonstart eine
Meniskusverletzung zugezogen hat, musste umdisponiert werden. So sehen
wir einmal mehr die ebenfalls „vergoldeten“ Ikarischen Spiele von
Maycol und Guido.
Shirley Earible,
Encho Keryazov, Duo Vanegas
Nicht jeder mag es
angenehm finden, wenn der eigene Vater singt, während man arbeitet. Im
Falle von Shirley Larible ist das anders. Denn Vater David ist ein ganz
hervorragender Sänger und begleitet wirkungsvoll die Strapatenartistik
seiner Tochter. Die hübsche junge Dame weiß sich auch so schon
wunderbar in Szene zu setzen. Mit ihrem langen dunklen Haar schwebt sie
durch die Lüfte, macht Umschwünge und balanciert frei im Spagat. Genau
wie die Laribles, konnten wir Encho Keryazov viele Jahre bei Roncalli
erleben. Der Artist mit dem muskulösen Körperbau erhält für seine
spektakulären Handstände wahre Ovationen. Der Klötzchentrick kommt nach
wie vor beim Publikum sensationell an. Verkauf und Leistung
stimmen hier einfach. Das gilt ebenfalls für das Duo Vanegas. Alejandro
Vanegas und Michael Ricardo Daza Vanegas sorgen vor dem Finale für die
spektakuläre Schlussnummer. Mit enormer Geschwindigkeit fegen die
beiden über das Todesrad. Nervenkitzel garantiert. Alejandro Vanegas
ist einer der wenigen Artisten, die den Salto auf dem drehenden
Außenrad zeigen. Dieser wird auch vom Rapperswiler Premierenpublikum
frenetisch bejubelt. Die Bingo-Mitglieder beweisen, dass sie nicht nur
große Bilder schaffen können, sondern ebenfalls ausgebildete Artisten
sind. Zu Beginn des ersten Teils gibt es ein Charivari in Weiß und Gold
mit Jonglage, Handstandartistik, Hula Hoop sowie Sprüngen über einen
Elefant. Nach der Pause stehen dann Kubusjonglagen im Mittelpunkt.
David Larible
Kommen wir zu David
Larible. Beim Opening mischt er sich unter die Artisten von Bingo, ganz
so wie ein kleiner Junge, der die Zauberwelt des Circus entdeckt. Nach
dem Finale verabschiedet er das Publikum singend, während er sich dabei
auf der Concertina begleitet. Vor der Pause hat er drei weitere
Auftritte. Wir erleben ihn als gekonnten Wasserspucker mit einem
Jungen, als Ballerina mit Tüchern und als Dirigent eines
„Glockenorchesters“ mit Gästen aus dem Publikum. Im zweiten Teil kommt
seine „Opera“ zur Aufführung. Ganz so, wie wir sie von Roncalli kennen.
Für das Schweizer Publikum ist sie natürlich neu. Entsprechend wird
Larible gefeiert. Profi durch und durch, weiß er mit jeder Geste, jeder
kleinen Gesichtsregung das Publikum für sich zu gewinnen. Er spielt
seine Rolle als diesjähriges Gesicht des Circus Knie in der Werbung
perfekt. |