Und wer möchte, kann
sozusagen als Vorspiel gar mit der Limousine anreisen oder mit
der legendären Ju-52 in den siebten Himmel abheben. All dies hat
natürlich seinen Preis, und so trifft man auf ein schick
gekleidetes Publikum aller Altersklassen, das einen stilvollen
und nicht ganz alltäglichen Abend erleben will.
Das Chapiteau mit 880 Sitzen, darunter auch die sogenannten
„Adam & Eva Logen“ und die „Himmel-Loge“, ist an diesem Abend
bis auf den allerletzten Platz gefüllt. Und dies zeichnet sich
in der Stimmung wieder, die von Beginn an ausgezeichnet ist – so
wie man sie in jedem Circus gerne hätte. Anders als in den
vergangenen zwei Jahren, wo man versucht hat, eine Inszenierung
mit Rahmenhandlung aufzubauen, handelt es sich beim vierten Akt
um ein Nummernprogramm mit fließenden Übergängen. Auch gab es
weniger nackte Tatsachen zu sehen als noch im Vorjahr, was
allerdings nicht heißt, dass die Show deswegen weniger lustvoll
oder gewagt ist.
Duo Ars, Shenea Booth, Lucky Hell
Sinnlich und erotisch startet
die Show mit dem Duo Ars an den Strapaten. Kraftvolle Posen,
etwa wenn Anastasiia Nasridinova im Überspagat in den Schlaufen
hängt und Sergii Maliutin auf ihrer Schulter einen einarmigen
Handstand drückt, werden geschickt in eine Geschichte um das
gegenseitigen Umwerben verpackt. Ein Stilbruch folgt sogleich
mit der Schwertschluckerin Lucky Hell als tätowiertes Pin Up.
Sexy und lasziv, aber auch mit einer Prise Humor schluckt die
Engländerin lange und verbogene Schwerter und als Spitzentrick
gar zwei Schwerte auf einmal. Frauenpower kennzeichnet auch die
Darbietung von Shenea Booth. Auf einem übergroßen Stiletto
drückt die Amerikanerin kraftvolle Handstände. Besonders
beeindruckend sind die fließenden Übergänge zwischen den
Positionen.
Jean Pearl,
Ballett
Wie die meisten Darbietungen
wird auch dieser Act
vom Ballett umrahmt.
Ob in SM-Manier, mit Body Painting oder als
Animal Dream, die tänzerischen Choreografien des Spaniers Fidel
Buika sind auch eigenständige Nummern und ergattern zu Recht
viel Applaus. Ebenso herausgestrichen werden müssen die
deutsch-australische Sängerin Michelle Hoffmann alias Jean
Pearl, die mit Glamour, Extravaganz und einer kraftvollen Stimme
der Show ein Ausrufezeichen aufdrückt, und die vierköpfige
Show-Band unter der Leitung von Orlando Ribar.
Duo Capa i Espasa, Otto
Wessely, Les
Beaux Frères
Für die Komik im Programm sind
in erster Linie Otto Wessely und seine langjährige Partnerin
Christa zuständig. Egal ob auf plumpe Art mit Furzkissen oder
mit den Kabinettstückchen der Magie, Otto Wessely versteht den
großen Auftritt, sorgt für Lachsalven und zusammen mit „Les
Beaux Frères“ für nackte Tatsachen. Die Disziplin der Beaux
Frères Raphaël Dubé und Yohann Fradette-Trépanier nennt sich „Naked
Towel Dance“ und ist damit auch am besten umschrieben. Nur mit
Handtüchern bekleidet, betreten die beiden Kanadier die Bühne.
Da die beiden ursprünglich Jongleure waren, folgt die logische
Konsequenz sogleich. Witzig und geschickt jonglieren sie mit
ihren Tüchern und kämpfen darum, keine ungewollten Blicke
freizugeben. Gewagt, innovativ und schlicht umwerfend komisch.
Weniger komisch dagegen empfanden wir das Duo Capa i Espasa
alias Angel Amieva und David Moya Fernàndez, deren Zorro-Parodie
uns als zu billig für das edle Ohlala-Ambiente erscheint.
Hemmungslos, verführerisch, gewagt und witzig dagegen ist die
Darbietung „Nasty Naughty Boy“, bei der ein Zuschauer ans
Messerbrett gebunden wird, während seine Partnerin von den
Tänzern mit Striptease umgarnt wird.
Francis Perreault, Samira Reddmann,
Extreme Fly
Für artistische Highlights
sorgt zum einen Samira Reddmann aus Deutschland. Die Absolventin
der staatlichen Schule für Artistik Berlin zeigt am Trapez
mitreißende Bewegungen, spektakuläre Abfaller und weiß mit einer
zur Musik passenden Inszenierung für schöne Momente zu sorgen.
Zum andern darf Extreme Fly am Hochreck, die einzige Truppe in
der diesjährigen Ohlala-Produktion, als Highlight gesehen
werden. Die vier Spitzensportler aus der Ukraine springen von
einem Reck zum nächsten, landen halsbrecherisch nach mehreren
Salti auf der dicken Matte und sorgen mit gleichzeitigen
Flugphasen für spektakuläre Bilder. Die beste Neuentdeckung
allerdings ist Francis Perreault mit seiner Cyr
Wheel-Darbietung. Der kräftige Kanadier benutzt sein Cyr Wheel
zuerst als Luftring. Anmutig und ästhetisch fliegt er so durch
die Luft. Dann steigert sich der Beat der Musik, die Stimmung
ändert sich, und Francis kehrt auf den Boden zurück. Mit
schnellen Drehungen kreist das Cyr Wheel nun über die Bühne, und
der junge Artist zeigt im und auf dem Wheel kraftvolle Tricks.
Eine traumhaft schöne Nummer, die für Begeisterungsstürme sorgt. |