Ganz
so wie sein älterer Bruder Florian, der inzwischen mit dem eigenen
Unternehmen Horse Evolution Show unterwegs ist (in diesem Sommer aber
im vom Vater Jozsef Richter geleiteten Budapester Zirkus-Bau arbeitet), setzt József Richter jun. in der Manege die
Familien-Tradition großartiger Tierdressuren fort.
Giraffe Zambesi, József Richter
jun. mit Partner
Nach
einem kurzen Auftritt von vier Kamelen und fünf Ponys, die sich als
quirlige Hürdenspringer beweisen, bringt József Richter jun. etwa den
neuen tierischen „Star“ des Unternehmens, die afrikanische Giraffe „Zambesi“,
in die Manege. Nach nur wenigen Wochen Eingewöhnungszeit bewegt sich „Zambesi“
bereits ohne Longe und zusammen mit den Kamelen und einem Pony
vollkommen ruhig vor den staunenden Zuschauern, lässt sich sogar zu
einigen Runden gemeinsamer Laufarbeit aller Tiere animieren und nimmt
Futter aus einem Eimer auf. Richter gibt dazu Informationen über das
Tier via Headset ans Publikum weiter – ein wunderbar harmonisches
Bild.
Absolut mitreißend gestaltet sich die Jockeyreiterei, die József
Richter jun. zusammen mit seinen Partnern Anikó Biró, Bence Dinya und
Marius Marton präsentiert. Folkloristische Musik, passende Kostüme
sowie Lebensfreude pur bei den vier Akteuren und sechs zusätzlichen
Tänzerinnen sorgen für eine rundum dynamische Darbietung. Schließlich
fehlt auch die Leistung nicht: Zwei-Mann-Hoch zu Pferd, Radkaskaden
auf drei Pferden parallel, Salto vom Zwei-Personen-Hoch aufs zweite
Pferd (durch Springerin Anikó Biró), Saltos vom ersten zum zweiten und
dann zum dritten Vierbeiner sowie das abschließende Reiten aller auf
einem Pferd; was will man mehr? Bereits vor drei Jahren wurden die
Grundlagen zur heutigen Darbietung gelegt, als József Richter jun.,
Anikó Biró und eine weitere Partnerin einen kombinierten Auftritt aus
Reiterei und Pas de Deux zeigten. Schon das damalige Fazit lautete:
„Eine gelungene Darbietung, die – wenn man die Trickstärke noch ein
wenig erhöht – Potenzial für […] Festivals besitzt.“ – Nicht zuletzt
mit dem Gewinn des „Goldenen Pierrots“ beim diesjährigen
Circusfestival von Budapest ist diese Voraussage aufgegangen.
József Richter jun. und Merrylu
Casselly
Neu
zusammengestellt für das Jubiläumsprogramm wurde zudem ein großes, im
spanischen Stil inszeniertes, equestrisches Schaubild. In dessen
Mittelpunkt stehen, oder besser reiten József Richter jun. und Merrylu
Casselly. Ja, die Cassellys sind nach fast einem Jahrzehnt in Dänemark
in diesem Sommer in Ungarn auf Tournee. Ihr Engagement beim
Nationalcircus ist, als würde man Christiano Ronaldo in die ungarische
Fußball-Liga lotsen, vergleicht Richter jun. in einem
Zeitungsinterview. Zweifelsohne spielt der Ungarische Nationalcircus
mit seinem Jubiläumsprogramm vorne in der europäischen Champions League der
Circuswelt, nicht zuletzt natürlich eben wegen der Cassellys. Diese
beweisen nämlich erneut beeindruckende Kreativität und
Wandlungsfähigkeit bei ihren Nummern. Vorhandene Elemente werden
variantenreich kombiniert und erweitert, so dass stets neue Eindrücke
entstehen. So auch beim erwähnten Schaubild: zunächst werden
verschiedene Figuren der Hohen Schule parallel, von Merrylu Casselly
auf einem Schimmel und von József Richter jun. auf einem Friesen,
ausgeführt. Dann kommen vier weitere Reiterinnen hinzu, sodass sich
ein Fächer ergibt. Die Vierbeiner liegen ab, Merrylu Casselly tanzt
auf dem abliegenden Pferd, es folgen weitere Sequenzen der synchronen
Hohen Schule. Vanessa Navas Molina zeigt den „Stierkampf“ mit Pferd,
József Richter jun. weitere Schul-Elemente am Zügel, und Merrylu
Casselly beschließt mit einem berittenen Steiger, bei dem sie ihren
Körper zugleich nach hinten richtet. Kostüme und Musik zu diesem
Auftritt sind selbstverständlich perfekt abgestimmt. Wieder einmal
zeigt sich das außergewöhnliche Gespür der Cassellys für traumhafte
Manegen-Unterhaltung.
Zirzensische
Glücksmomente mit der Familie Casselly
Das
gilt natürlich auch für jene beiden Darbietungen, die der Familie vor
zwei Jahren den mehr als verdienten „Goldenen Clown“ beim Festival in
Monte Carlo bescherten. Mit dem großen, die Manege füllenden Bild aus
je vier berittenen Elefanten und Pferden geht es hier gleich mal los;
die Akrobatik der Casselly-Junioren Merrylu und Rene jr. auf den
Rücken der vier afrikanischen Elefanten samt Schleuderbrett-Tricks
sorgt als Schlussnummer abermals für stehende Ovationen. Einer
weiteren Beschreibung bedarf es da nicht mehr, alle Superlative sind –
zu Recht – bereits ausgesprochen. Daher an dieser Stelle, einfach mal:
Vielen Dank für diese zirzensischen Glücksmomente!
Truppe Weiss, Duo MJ, Merrylu
Casselly
Bei
all diesen großartigen Tierdressuren kommt der artistische Teil
naturgemäß weniger zur Geltung. Den stärksten Eindruck hinterlässt
auch dabei Merrylu Casselly bei ihrer fließenden Kontorsions-Kür, die
im Bogenschuss mit den Füßen gipfelt. Die vierköpfige Truppe „Weiss
Junior“ präsentiert klassisches Flugtrapez bis hin zum dreifachen
Salto und der Passage. Solo ist ein Mitglied der Weiss-Truppe im Todesrad unterwegs. Seine
Darbietung am massiven Requisit mit einem Laufkessel ist allerdings
wenig spektakulär. Ein Kopfstand auf dem still stehenden Außenrad
sowie der „Blindlauf“ sind da schon die Optima. Zudem fehlt dem Akteur
– gerade im Vergleich zu allen anderen Akteuren im Programm –
eindeutig an „Showmanship“. Dennoch zeigt sich das Publikum, wie immer
bei diesen Nummern, auch hier begeistert. Als Duo „MJ“ haben Zsuzsanna
und Fabio Paraizo, Mitglieder der Flying Weiss, einen gemeinsamen
Auftritt an den Strapaten zur Musik von eben Michael Jackson
erarbeitet. Ansprechend sind vor allem die gemeinsamen Passagen, wenn
auch sie ohne große Höhepunkte auskommen.
Steve und Jones Caveagna
Von Mal zu Mal besser zu gefallen
wissen Steve und Jones Caveagna. Die beiden Italiener als Clowns zu
bezeichnen, wäre wohl – zumindest im klassischen Sinne - nach wie vor
falsch. Aber sie unterhalten das Publikum bestens mit ihren
musikalischen Fähigkeiten und der modernen Ausrichtung ihrer
Intermezzi. Zumal sie nun wesentlich mehr Facetten ausspielen, als
zuletzt beim Gastspiel im Budapester Bau. So ist Steve Caveagna
zusätzlich mit einer hochwertigen Diabolo-Performance zu sehen, bei
der er gar vier Diabolos gleichzeitig beherrscht. Was diesem Programm
seinen letzten Schliff gibt, ist die durchgehende Begleitung durch das
Orchester (Ausnahme: Strapaten). Da die ukrainischen Musiker aufgrund
der politischen Lage im Land nicht rechtzeitig anreisen konnten,
werden sie aktuell von den sechs Instrumentalisten des Budapester
Circusbaus vertreten. Bei einigen Nummern von einer weiteren Geigerin
unterstützt, zeigen sie ihr Können in vielfältigen Musikrichtungen,
von ungarischer Folklore über Circusweisen bis hin zu modernen Songs. |