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Ungarischer Nationalcircus - Tour 2014
www.magyarnemzeticirkusz.hu

Budapest, 16. März 2014: Der Ungarische Nationalcircus ist und bleibt das Herzstück der Unternehmen der Familie Richter. Auch wenn inzwischen ein ganzes Circus-„Imperium“ gewachsen ist – hier hat die Erfolgsgeschichte angefangen. Vor zwanzig Jahren, mit der Premiere 1995 auf dem Budapester Heldenplatz. In der Hauptstadt wurde traditionell Mitte März auch die diesjährige Jubiläumssaison eröffnet – und das in der Tat mit dem wohl „spektakulärsten Programm aller Zeiten“, wie die Werbung verspricht. Der junge Direktor József Richter jun. führt den Zirkus – unterstützt von Mutter Carola – nun bereits im zweiten Jahr.

Ganz so wie sein älterer Bruder Florian, der inzwischen mit dem eigenen Unternehmen Horse Evolution Show unterwegs ist (in diesem Sommer aber im vom Vater Jozsef Richter geleiteten Budapester Zirkus-Bau arbeitet), setzt József Richter jun. in der Manege die Familien-Tradition großartiger Tierdressuren fort.


Giraffe Zambesi, József Richter jun. mit Partner

Nach einem kurzen Auftritt von vier Kamelen und fünf Ponys, die sich als quirlige Hürdenspringer beweisen, bringt József Richter jun. etwa den neuen tierischen „Star“ des Unternehmens, die afrikanische Giraffe „Zambesi“, in die Manege. Nach nur wenigen Wochen Eingewöhnungszeit bewegt sich „Zambesi“ bereits ohne Longe und zusammen mit den Kamelen und einem Pony vollkommen ruhig vor den staunenden Zuschauern, lässt sich sogar zu einigen Runden gemeinsamer Laufarbeit aller Tiere animieren und nimmt Futter aus einem Eimer auf. Richter gibt dazu Informationen über das Tier via Headset ans Publikum weiter – ein wunderbar harmonisches Bild. Absolut mitreißend gestaltet sich die Jockeyreiterei, die József Richter jun. zusammen mit seinen Partnern Anikó Biró, Bence Dinya und Marius Marton präsentiert. Folkloristische Musik, passende Kostüme sowie Lebensfreude pur bei den vier Akteuren und sechs zusätzlichen Tänzerinnen sorgen für eine rundum dynamische Darbietung. Schließlich fehlt auch die Leistung nicht: Zwei-Mann-Hoch zu Pferd, Radkaskaden auf drei Pferden parallel, Salto vom Zwei-Personen-Hoch aufs zweite Pferd (durch Springerin Anikó Biró), Saltos vom ersten zum zweiten und dann zum dritten Vierbeiner sowie das abschließende Reiten aller auf einem Pferd; was will man mehr? Bereits vor drei Jahren wurden die Grundlagen zur heutigen Darbietung gelegt, als József Richter jun., Anikó Biró und eine weitere Partnerin einen kombinierten Auftritt aus Reiterei und Pas de Deux zeigten. Schon das damalige Fazit lautete: „Eine gelungene Darbietung, die – wenn man die Trickstärke noch ein wenig erhöht – Potenzial für […] Festivals besitzt.“ – Nicht zuletzt mit dem Gewinn des „Goldenen Pierrots“ beim diesjährigen Circusfestival von Budapest ist diese Voraussage aufgegangen.


József Richter jun. und Merrylu Casselly

Neu zusammengestellt für das Jubiläumsprogramm wurde zudem ein großes, im spanischen Stil inszeniertes, equestrisches Schaubild. In dessen Mittelpunkt stehen, oder besser reiten József Richter jun. und Merrylu Casselly. Ja, die Cassellys sind nach fast einem Jahrzehnt in Dänemark in diesem Sommer in Ungarn auf Tournee. Ihr Engagement beim Nationalcircus ist, als würde man Christiano Ronaldo in die ungarische Fußball-Liga lotsen, vergleicht Richter jun. in einem Zeitungsinterview. Zweifelsohne spielt der Ungarische Nationalcircus mit seinem Jubiläumsprogramm vorne in der europäischen Champions League der Circuswelt, nicht zuletzt natürlich eben wegen der Cassellys. Diese beweisen nämlich erneut beeindruckende Kreativität und Wandlungsfähigkeit bei ihren Nummern. Vorhandene Elemente werden variantenreich kombiniert und erweitert, so dass stets neue Eindrücke entstehen. So auch beim erwähnten Schaubild: zunächst werden verschiedene Figuren der Hohen Schule parallel, von Merrylu Casselly auf einem Schimmel und von József Richter jun. auf einem Friesen, ausgeführt. Dann kommen vier weitere Reiterinnen hinzu, sodass sich ein Fächer ergibt. Die Vierbeiner liegen ab, Merrylu Casselly tanzt auf dem abliegenden Pferd, es folgen weitere Sequenzen der synchronen Hohen Schule. Vanessa Navas Molina zeigt den „Stierkampf“ mit Pferd, József Richter jun. weitere Schul-Elemente am Zügel, und Merrylu Casselly beschließt mit einem berittenen Steiger, bei dem sie ihren Körper zugleich nach hinten richtet. Kostüme und Musik zu diesem Auftritt sind selbstverständlich perfekt abgestimmt. Wieder einmal zeigt sich das außergewöhnliche Gespür der Cassellys für traumhafte Manegen-Unterhaltung.


Zirzensische Glücksmomente mit der Familie Casselly

Das gilt natürlich auch für jene beiden Darbietungen, die der Familie vor zwei Jahren den mehr als verdienten „Goldenen Clown“ beim Festival in Monte Carlo bescherten. Mit dem großen, die Manege füllenden Bild aus je vier berittenen Elefanten und Pferden geht es hier gleich mal los; die Akrobatik der Casselly-Junioren Merrylu und Rene jr. auf den Rücken der vier afrikanischen Elefanten samt Schleuderbrett-Tricks sorgt als Schlussnummer abermals für stehende Ovationen. Einer weiteren Beschreibung bedarf es da nicht mehr, alle Superlative sind – zu Recht – bereits ausgesprochen. Daher an dieser Stelle, einfach mal: Vielen Dank für diese zirzensischen Glücksmomente!


Truppe Weiss, Duo MJ, Merrylu Casselly

Bei all diesen großartigen Tierdressuren kommt der artistische Teil naturgemäß weniger zur Geltung. Den stärksten Eindruck hinterlässt auch dabei Merrylu Casselly bei ihrer fließenden Kontorsions-Kür, die im Bogenschuss mit den Füßen gipfelt. Die vierköpfige Truppe „Weiss Junior“ präsentiert klassisches Flugtrapez bis hin zum dreifachen Salto und der Passage. Solo ist ein Mitglied der Weiss-Truppe im Todesrad unterwegs. Seine Darbietung am massiven Requisit mit einem Laufkessel ist allerdings wenig spektakulär. Ein Kopfstand auf dem still stehenden Außenrad sowie der „Blindlauf“ sind da schon die Optima. Zudem fehlt dem Akteur – gerade im Vergleich zu allen anderen Akteuren im Programm – eindeutig an „Showmanship“. Dennoch zeigt sich das Publikum, wie immer bei diesen Nummern, auch hier begeistert. Als Duo „MJ“ haben Zsuzsanna und Fabio Paraizo, Mitglieder der Flying Weiss, einen gemeinsamen Auftritt an den Strapaten zur Musik von eben Michael Jackson erarbeitet. Ansprechend sind vor allem die gemeinsamen Passagen, wenn auch sie ohne große Höhepunkte auskommen.


Steve und Jones Caveagna 

Von Mal zu Mal besser zu gefallen wissen Steve und Jones Caveagna. Die beiden Italiener als Clowns zu bezeichnen, wäre wohl – zumindest im klassischen Sinne - nach wie vor falsch. Aber sie unterhalten das Publikum bestens mit ihren musikalischen Fähigkeiten und der modernen Ausrichtung ihrer Intermezzi. Zumal sie nun wesentlich mehr Facetten ausspielen, als zuletzt beim Gastspiel im Budapester Bau. So ist Steve Caveagna zusätzlich mit einer hochwertigen Diabolo-Performance zu sehen, bei der er gar vier Diabolos gleichzeitig beherrscht. Was diesem Programm seinen letzten Schliff gibt, ist die durchgehende Begleitung durch das Orchester (Ausnahme: Strapaten). Da die ukrainischen Musiker aufgrund der politischen Lage im Land nicht rechtzeitig anreisen konnten, werden sie aktuell von den sechs Instrumentalisten des Budapester Circusbaus vertreten. Bei einigen Nummern von einer weiteren Geigerin unterstützt, zeigen sie ihr Können in vielfältigen Musikrichtungen, von ungarischer Folklore über Circusweisen bis hin zu modernen Songs.

Das fulminante Finale ist Sinnbild des kompletten Programms. Da wird ausgelassen getanzt und gelacht, es gibt ein Tanz-„Battle“ zwischen der Richter-Truppe und dem Casselly-Nachwuchs und danach sogar eine überdimensionale Torte in der Manege. Jung, dynamisch, spritzig, mit ganz viel Esprit. So herrlich ist klassischer Zirkus!

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Text: Benedikt Ricken; Fotos: Nóra Csorba