Heute
prangt dieses Zitat – „Tous cela est possible grâce à vous“ –
über dem Zuschauereingang der „Cathédrale“, der höchst
imposanten Zeltanlage des Cirque Arlette Gruss.
Opening,
Trio Markins, Antonio Zatta
Während
der Videoeinspielungen im Opening lässt sich das weitere Geschehen
hinter der Leinwand bereits schemenhaft erkennen. Nachdem
sie gefallen ist, bevölkert das Gruss-Ensemble die Manege.
Figuranten in fantasievollen Kostümen auf Rollen fahren durch
die Manege. Kreiert wurden die Outfits erneut von Roberto Rosello.
Direktionsgattin Linda Biasini-Gruss und Tochter Laura-Maria
reiten herein, zwischen ihnen agiert eine Sängerin. Mehdi Rieben
zeigt kurz Handstände, Tamara Khurchudova Ausschnitte ihrer
Antipodennummer. Dann gehört die Manege Antonio Zatta und seinen
farbenprächtigen Papageien. Die Trickfolge hat er bei Alessio
Fochesato abgeschaut, der aktuell im Programm des Circus Krone
zu sehen ist. Trotzdem – oder gerade deshalb – ist es eine
schöne Darbietung. Das Trio Markins ist mit seinen beiden in
Monte Carlo preisgekrönten Darbietungen zu sehen, zunächst mit
Rola Rola. Hier kommt jeweils nur eine Rolle zum Einsatz. Dafür
balanciert Roman Markin diese beispielsweise auf dem Rücken,
während seine Partnerin darauf steht. Oder er trägt Brett und
Rolle auf Händen, während sie obenauf steht. Schlusstrick ist
das Drei-Personen-Hoch auf der Rola. Später kehrt das Trio mit
seiner Perchenummer wieder. Beide Darbietungen profitieren
davon, dass – anders als im vergangenen Waiblinger
Weihnachtscircus erlebt – auf die Mitwirkung eines jungen Buben
verzichtet wird, der damals nicht wirklich Kindgerechtes leisten
musste.
Tamara Khurchudova, Laura-Maria Gruss, Alex Hurtado
Das
Mode-Genre „Laser“ ist auch bei Arlette Gruss angekommen. Hier
ist es Alex Hurtado, der zunächst einzelne Strahlen lenkt, ehe
dann Gittermuster aus Laserlicht das ganze Zelt ausfüllen. Das
Publikum applaudiert kräftig. In großer Höhe zeigt Tamara
Khurchudova ihre Schwungtrapez-Darbietung mit gewagten Abfallern
und Pirouetten. Die erst 15-jährige Laura-Maria Gruss stellt
einen neuen Achterzug Friesenhengste vor, den ihr Onkel Lucien
für sie dressiert hat. Die Trickfolge – Walzen, zu viert laufen,
Versammlung – ist zwar noch sehr überschaubar, wird aber sicher
präsentiert. Bestimmt wird diese Darbietung in den kommenden
Jahren noch ausgebaut. Da Capo-Steiger von Pferd und Pony runden
die Nummer ab.
Alex
Michael, Kévin Sagau, Gregory Bellini, Mathieu
Für die
Pausennummer sorgt Alex Michael als moderner „Spiderman“. In ähnlicher
Weise wie Super Silva kombiniert er einen Deckenlauf durch
mehrere Schlaufen mit einem sehr riskanten Schlusstrick: Michael
springt von einem Trapez zum anderen und fängt sich dort nur mit
den Füßen. Und dies ohne jede Sicherung. Es ist eine schöne
erste Programmhälfte, die besonders von der abwechslungsreichen
Musik des elfköpfigen Orchesters unter Sergei Iurco profitiert.
Komponiert und arrangiert hat zum 3. Mal in Folge Anthony Saugé.
Fröhliche Melodien, krachende Beats, dynamische Klänge, Jazziges
und mehr werden geboten. Durch die komplette Show begleitet uns
der jugendlich-stilvolle Mr. Loyal Kévin Sagau, der nicht nur gut sprechen,
sondern auch Gitarre spielen und singen kann. Gregory Bellini
gefällt einmal mehr mit seinen Comedy-Zaubereien, und Clown
Mathieu hat für dieses Programm originelle Reprisen mitgebracht.
So greift er das Thema der Rola-Nummer auf: Ein Zuschauer muss
auf ein Rollbrett steigen, das natürlich sofort zerbricht. Auf
Skiern fährt Mathieu tatsächlich die Gradintreppe herunter.
Später betätigt er sich als vermeintlicher „Motorradspringer“,
der über einen am Manegenboden liegenden Zuschauer „fliegt“. Im
Dunkeln zwar, aber der Trick ist natürlich trotzdem
gewollt durchschaubar.
Truppe
Street Workout,
Manuel Farina, John Vernuccio
Nach der
Pause steigert sich die Show immer weiter bis zum fulminanten
Schlusspunkt. Die Familie Gruss und Choreograph Bruno Agati
zeigen einmal mehr, dass sie etwas von Dramaturgie verstehen.
Eröffnet wird diese Programmhälfte von Manuel Farina, dessen
Raubtiernummer für uns eine Neuentdeckung war. Vier Mähnenlöwen
und zwei Tiger gehören zu der Gruppe. Nach Pyramide und Sprüngen
von Podest zu Podest springt einer der Tiger über drei Löwen.
Dann wird es noch spektakulärer: Farina steckt seinen Kopf in
den Rachen eines Tieres. Er wirft sich auf drei am Boden liegende
Löwen. In dieser Position krault er sie am Kopf. Und ein Löwe
richtet sich auf und legt die Vorderpfoten auf Farinas
Schultern. Direktionssohn Kévin Gruss und Ludovic Nardi stehen
im Mittelpunkt einer neuen artistischen Eigenkreation des Hauses
Gruss: Gemeinsam mit vier weiteren Partnern zelebrieren sie ein
Kraft raubendes „Street Workout“ an Chinesischem Mast, Reck und
Barren sowie am Boden. Starker Applaus ist der Lohn. Klassischer
wird es gleich darauf bei der großen Elefantendressur. Vier Tiere mit Reiterinnen – unter ihnen Laura-Maria Gruss –
sind zu erleben und werden von John Vernuccio vorgeführt.
Adèle Fame,
Globe of Speed, FMX Riders
Ein
Glanzpunkt dieses Programms ist die Strapatennummer von Adèle
Fame. Das liegt nicht nur an ihren kraftvollen Überschlägen oder
dem zweimaligen Aufstehen aus dem Spagat in den Stand. Vielmehr
wird diese exzellente Darbietung durch das sensationelle Licht
im Hightech-Showpalast der Familie Gruss weiter veredelt. Es
sind wieder wahre Lichtgewitter, die Julien Lhomme für dieses
Programm kreiert hat. Während Fame an den Strapaten schwebt,
wird der große rote Theatervorhang geschlossen. Er ist dem
Artisteneingang mit seiner eigenen Gardine vorgelagert. Hinter
dem roten Vorhang wird das Orchesterpodium mitsamt der elf
Musiker bis hoch unters Zeltdach gefahren. Auf der gegenüber
liegenden Seite des Zeltes ist eigens für diese Show das Gradin
umgebaut worden: Mitten in die Tribüne wurde ein großer Kasten
eingebaut, der nun geöffnet wird. Flugs wird unter dem Gradin
eine Schanze eingerichtet. Und dann folgt der spektakuläre
Höhepunkt der Show. Eine gewaltige Motorradkugel wird in der
Mitte der Manege installiert. Drei, fünf und acht Fahrer ziehen
darin ihre Runden, selbstverständlich auch im
„Kreuzungsverkehr“. Jeweils nach ihren Touren sind die
Motorradspringer dran. Sie rasen durch den Foyerbereich der „Cathédrale“,
mitten durch den zentral platzierten Souvenirstand, schießen die
Schanze unter der Tribüne hinauf. Inmitten der Tribüne heben sie ab. Erreichen
den Luftraum des Chapiteaus, fliegen über Logen und
Motorradkugel und landen auf der großen Rampe auf der Seite des
Artisteneingangs. Erst vier Fahrer mit gebührendem Abstand,
später zweimal zwei quasi im „Doppelpack“. Den Abschluss des
dritten Durchgangs bildet der „Backflip“, der Rückwärtssalto auf
und mit dem Motorrad. Das ist eine Mega-Attraktion des Circus
unserer Zeit. Ursprünglich kreiert von Benno Kastein bei Flic
Flac, wurde sie nun von Gilbert Gruss nach Frankreich geholt und
bühnentechnisch in genialer Weise umgesetzt. Als Reverenz an
Flic Flac klingt auch kurz „Rammstein“-Musik an – in deutscher
Sprache! |