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Cirkus Benneweis - Tour 2015
www.benneweis.dk ; 105 Showfotos

Kopenhagen, 29. August 2015: Nadia Benneweis sitzt im Kegel des Scheinwerfers. Die hübsche junge Blondine trägt ein historisches Kostüm, auf dem Kopf sitzt ein Zylinder. Von einem alten Telefon mit Wählscheibe aus ruft sie die Artisten an und bittet sie in ihrer jeweiligen Landessprache zum Auftritt in die Manege. Nach und nach erscheinen sie im Chapiteau, um Kostproben ihrer Kunst zu geben. Ein wunderbarer Auftakt in die Show 2015 des Cirkus Benneweis. Es ist dessen inzwischen 128. Tournee, wie das geschmackvoll aufgemachte Programmheft berichtet. Es ist aber auch die erste in der Verantwortung der jüngsten Generation. Die Zwillinge Nadia und Dawid haben das Ruder, sprich die Direktion übernommen.

Mit dieser Einleitung unterstreichen sie gleich, dass sie das Unternehmen im bekannten Stil weiterführen wollen. Also ganz der Tradition des großen Namens verpflichtet. Und das ist mit dem aktuellen Programm trefflich gelungen. Es ist wiederum ein Nummernprogramm mit ausgewählten Stars der internationalen Circusmanegen. Viele der Darbietungen haben ein flottes Tempo oder aber eine heitere Grundnote. Bestenfalls sogar beides, wie etwa der Auftritt von Rosi Hochegger mit ihren Hunden. Integriert in den historischen Artisteneingang ist das Orchesterpodium. Die sechsköpfige Band um Bogdan Szlachic sorgt mit Livemusik für eine lebendige Begleitung. Das Lichtdesign ist geschmackvoll, effizient eingesetzt, wenngleich nicht über alle Maßen aufwendig. Abendregisseur Marek Benneweis stellt wie gewohnt einen reibungslosen Ablauf sicher. Kim Kenneth gibt als Sprechstallmeister den eleganten Gastgeber. Er übernimmt damit das Mikrofon von der großartigen Judy Glosted, die uns in den vergangenen Jahren formvollendet durch die Show geleitet hat.


Jones und Steve Caveagna

Den zweiten „Roten Faden“ durch das Programm spinnen Steve und Jones Caveagna. Die beiden Italiener sind Clowns der neuen Generation. Zu erkennen nicht zuletzt an ihren Smartphones, die sie immer in Betrieb haben. Sie bilden quasi die Version 2.0 des klassischen Clownsduos. Jones mit Glatze ist der seriöse Part, wohingegen Steve mit der markanten Zackenfrisur den August gibt. Sie spielen etwa die Liebesgeschichte mit Amor. Während Jones eine hübsche junge Dame abbekommt, muss sich Steve mit Costin begnügen. Allerdings werden hier keine Pfeile verschossen. Stattdessen kommt eine Dating-App zum Einsatz. Auch bei ihren musikalischen Einlagen geht es zumeist nicht ohne Mobiltelefon. Ihren Hauptauftritt bildet ein Musikal-Entree, bei dem sie wiederum bekannte Gags in die Gegenwart übersetzen. In Dänemark waren sehr unterschiedliche Meinungen über das Brüderpaar zu hören. Mir haben sie mit ihrer sympathischen Art und der eigenständigen Interpretation bekannter Stücke gefallen. Die hiesigen Circusfans können sich beim nächsten Karlsruher Weihnachtscircus ein eigenes Urteil bilden.


David Confal, Adel Olivera, Costin

Jedem Circusliebhaber gefallen dürfte der von Ingrid Silva vorgeführte Fünferzug Trinker-Pferde. Die gefleckten Tiere stammen vom schwedischen Cirkus Olympia. Die junge Vorführerin zeigt mit ihnen eine gut laufende Freiheitsdressur. Aus Heidelberg stammt der Diabolo-Virtuose David Confal. Er sorgt für ordentlich Schwung, wenn er seine Requisiten auf die aberwitzigsten Bahnen schickt. Der sympathische Blondschopf steht nicht nur als versierter Artist in der Manege, sondern absolviert „nebenbei“ ein Psychologiestudium. Bis zu vier Diabolos hält er letztendlich gleichzeitig in der Luft. Eine wahre Farbenpracht stellen die Papageien von Adel und Franco Olivera dar. Sie beherrschen die Klassiker wie das Hochziehen einer Flagge oder das Autofahren genauso wie weite Flüge unter der Circuskuppel. Die einzelnen Tricks werden sehr charmant von den beiden menschlichen Partnern angeleitet. Das Zuschauen macht auch hier uneingeschränkt Spaß. Der wird sogar noch gesteigert, wenn Costin die Szenerie betritt. Als scheinbar vertrottelter Requisiteur startet er seine Eskapaden an Trampolin und Sprungturm. Ich schreibe es an dieser Stelle nicht zum ersten Mal. Costin ist für mich aktuell in diesem Genre unerreicht. Hohes artistisches Können, eine hinreißende Mimik und ein perfektes Gespür für Timing – das macht ihm derzeit einfach niemand nach.


Rosi Hochegger, Alejandro Vanegas, Franco Olivera

Anspruchsvolle Tricks spielerisch zu verkaufen ist ebenfalls ein Markenzeichen von Rosi Hochegger und ihren Hunden. Die Vierbeiner kommen einzeln aus einer Häuserkulisse, um ihre Kunststücke zu zeigen. Darunter sind solche Raritäten wie das Hindurchlaufen unter den Beinen der Tierlehrerin im Rückwärtsgang. Richtig turbulent wird es, wenn die ganze Meute durch die Manege fegt und zwei Hürden überspringt. So lebhaft wie der erste Teil beendet wurde, beginnt der zweite. Das Duo Vanegas gehört zu den Top-Acts am Todesrad. Nicht zuletzt wegen ihrem Schlusstrick, dem Salto auf der Außenseite des rotierenden Rades. Aber schon davor sorgen die beiden Hasardeure für ordentlich Nervenkitzel. Etwa bei ihren Seilsprüngen in voller Fahrt. Sein südländisches Temperament kaum zügeln kann Franco Olivera, der Macho unter den Trommlern und Bola-Artisten. In seiner feurige Performance zeigt er neben dem virtuosen Umgang mit seinen Requisiten viel Sinn für Humor. Eine Zuschauerin in der Loge hat dabei besonders viel Spaß.


Robert Foxall, Rosi Hochegger, Kim Kenneth

Robert Foxall setzt den ruhigen Kontrapunkt dazu. Einem Engel gleich schwebt der Brite mit dem beneidenswerten Oberkörper unter der Circuskuppel. Kraftvoll sind die zahlreichen Umschwünge. Seine Nummer an den Strapaten wurde für den verletzten Schlappseilartisten Cong Tian ins Programm genommen.  Nach dem Entree der Caveagnas geht es noch ruhiger weiter. Pferd Scout verdient seine Gage im Schlaf. Der gescheckte Hengst mit der einzigartigen Mimik macht das so gekonnt, dass er dafür frenetischen Applaus erntet. Rosi Hochegger hat diese Bettszene einstudiert und steht natürlich zusammen mit Scout in der Manege. Den beiden zuzusehen ist immer wieder ein großes Vergnügen. Kim Kenneth ist nicht nur Ringmaster, sondern zudem Hauptakteur der Schlussnummer. Bei seinen Großillusionen wird er von Gattin Jessica sowie zwei weiteren Magic Girls unterstützt. Es ist eine effektvolle, manegenfüllende Show. Die Fahrt mit dem Motorrad durch ein Gestell, in dem die Partnerin angekettet ist, ist nach wie vor der spektakulärste Moment.

Nahtlos geht es mit dem Finale weiter. In einer schön gestalteten Choreographie verabschieden sich alle Mitwirkenden vom begeistert applaudierenden Publikum. Gerne hätte ich an dieser Stelle noch einmal Nadia Benneweis gesehen – um die beim Opening begonnene Geschichte zu schließen und für eine persönliche Verabschiedung durch die Direktion. Ein kleiner Wermutstropfen nur. Denn insgesamt hinterlässt dieses Produktion 2015 des Cirkus Benneweis einen hervorragenden Eindruck: hochklassig besetzt, der Tradition verpflichtet und doch quicklebendig.

 

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Text und Fotos: Stefan Gierisch