Vielmehr
sind es die „Rois du Cirque“, die Könige des Circus. Seit Oktober 2015
ist die Familie Bouglione nach 35 Jahren Pause wieder mit einem reisenden
Geschäft in Frankreich unterwegs. „Cirque d'Hiver Bouglione“ lautet
sein Name. Mit der Produktion „Bravo“ will diese große Dynastie den
Glanz ihres Pariser Circusgebäudes auch in andere Städte
Frankreichs bringen. Das Material bietet dazu schon mal beste
Voraussetzungen. Im Vorzelt steigt die Stimmung weiter. Neben
Verkaufsständen gibt es ein liebevoll restauriertes „Café du Cirque“.
Der Einlass ist im Stil von Roncalli gestaltet. Die Artisten begrüßen
uns mit Bonbons und lassen es Konfetti regnen. Das Orchester spielt –
unterstützt von Clown Don Christian - herrlich mitreißend bekannte
Stücke, dass es eine wahre Freude ist.
Orchester
Im
Inneren des Chapiteaus geht der Prunk weiter. Der Artisteneingang ist
dem im Pariser Cirque D'Hiver nachempfunden. Hinter und neben dem
Orchester gibt es LED-Wände. An den Masten hängen die
verschwenderischen Leuchter, die wir von den Weihnachtsproduktionen in
Paris-Nanterre kennen. Die Lichtanlage ist aufwendigst besetzt, und das
Orchester spielt in noch größerer Besetzung als im Vorzelt.
Selbstverständlich sitzen fast alle Zuschauer im Gradin auf Schalensitzen, in den Logen gibt es bequeme Stühle. Beste
Voraussetzungen also für einen circensischen Hochgenuss, zumal sich
auch die Programmfolge wunderbar liest. Pferde, Elefant, Raubtiere,
Clown, eine Truppe, Flugtrapez – alles ist dabei.
Don Christian, Alla Klyshta, Lars Hölscher
Wie
wir es aus Paris gewohnt sind, ist zu Beginn bereits der Zentralkäfig
aufgebaut. Darin begrüßen uns die ausgesucht hübschen Salto Dancers mit
ihrer ersten Choreographie sowie die wirklich charmante Madame Loyal
Arta Danetto. Ruhig und souverän präsentiert Alfredo Beautour eine
Gruppe prächtiger Tiger aus dem Hause Togni. Die abwechslungsreiche
Trickfolge dirigiert er im schwarzen Frack, was sein elegantes
Auftreten unterstützt. Nachdem Don Christian mit seinem Klatschkonzert
das Publikum „aufgewärmt“ hat, erleben wir schon wieder die Salto
Dancers. Jetzt kündigen sie Alla Klyshta und ihre Hula Hoop-Artistik
an. Geschmeidig lässt die Ukrainerin Ringe um ihren Körper kreisen. Und
dann gehört das Sägemehl schon wieder den Vierbeinern. Darauf führt
Lars Hölscher seine indische Elefantendame vor. Es ist ein harmonisches
Zusammenspiel zwischen Trainer und Tier. Wunderbar aufgewertet wird die
Vorführung durch die Einbeziehung von Hölschers Partnerin, die zumeist
auf dem Elefantenrücken agiert.
Natalia Egorova Bouglione, Gianni D'Ambrosio, Truppe Alexander
In
Tracht lässt Don Christian kleine Glocken erklingen. Nur für die über
dem Gesäß befestigte Pfanne holt er sich Unterstützung. Die darf ein
Junge aus dem Publikum mit Hilfe einer großen Suppenkelle zum Klingen
bringen. Natalia Egorova Bouglione vertritt die Direktionsfamilie in
der Manege. Letzten Winter konnten wir sie auf der anderen Rheinseite
beim Offenburger Weihnachtscircus erleben. Nun zeigt sie ihre Kür an
den Strapaten in Frankreich. Eine flott laufende Freiheitsdressur mit
jeweils drei Friesen und weißen Arabern hört auf die Kommandos von
Gianni D'Ambrosio. Die Pferde tragen Federschmuck. D'Ambrosio lässt sie
ein anspruchsvolles Programm laufen. Gruppen- und Rundsteiger
inklusive. Ein Groß und Klein schließt sich direkt an. Da sich die an
dieser Stelle vorgesehene Robin Valencia mit ihrem Kanonenschuss
während unseres Besuchs anderweitig im Engagement befindet, erleben wir
als Pausennummer die Truppe Alexander. Das rumänische Septett zeigt am
Schleuderbrett Sprünge bis zum Fünf-Personen-Hoch, welcher mittels
Perchestange unterstützt wird. Mit dem groß aufgemachten Verknoten von
vier Herren aus dem Publikum endet der erste Teil. Don Christian lässt
das „Wunder“ geschehen. Die Salto Dancers sorgen nicht nur für die
hübsche Umrahmung, sondern auch dafür, dass die Freiwilligen im Nu zur
Verfügung stehen.
Sampion Bouglione Jr., Alla und Reydi, Pierre Marchand
Das
Flugtrapez ist, wie aus Paris bekannt, direkt im Anschluss an die Pause
platziert. Nach der Einleitung durch die Salto Dancers gehen die Blicke
nach oben, wo die Flying Mendonca bereits Aufstellung genommen haben.
Flott arbeiten sie ihre Sprünge, darunter natürlich der Dreifache und
die Passage. Mit dem Boxentree hat Don Christian seinen Hauptauftritt.
Vier Zuschauer bilden die Ringpfosten, mit dem fünften liefert er sich
einen amüsante Kampf. Rhythmus im Blut hat Sampion Bouglione Jr.,
kombiniert er doch seine Bouncing-Jonglagen mit Stepptanz. Eine sehr
starke und wunderbar choreographierte Kür am chinesischen Masten zeigen
Alla und Reydi. Beim Schlusstrick steht Alla auf dem im rechten Winkel
vom Masten weggedrückten Körper ihres Partners. Schon davor haben die
beiden äußerst sehenswerte Figuren gearbeitet. Ein charmanter Showman
durch und durch ist Pierre Marchand. Zu seiner bekannten Musik (vom
Band) fegt der Publikumsliebling durch die Manege und lässt seine
Diabolos rasant tanzen. Zum großen Finale erleben wir noch einmal die
Salto Dancers, das Licht hat einen letzten furiosen Einsatz, die
Artisten erscheinen mit Luftballons, und Arta Danetto verabschiedet uns
souverän. Da es auf Weihnachten zugeht, wurde das Schlussbild
jahreszeitlich angepasst. Eine Weihnachtsfrau über dem Artisteneingang
singt „Petit Papa Noel“, während die Mitwirkenden in der Manege stehen.
Finale
Und
wir springen begeistert auf und spendieren Standing Ovations? Dem
ist leider nicht so. Die anfängliche Euphorie wird durch die
Vorstellung leider nicht weiter beflügelt. Trotz einer tollen
Besetzung, trotz Salto Dancers, trotz eindrucksvoller Lichtanlage,
trotz tollem Orchester. Die Show kann uns nicht wirklich mitreißen. Das
hat mehrere Gründe. So gut wie alle Auftritte sind auf die gleiche
Länge gebracht worden. Einigen tut das durchaus gut, bei anderen wird
die Wirkung reduziert. Die Musik bewegt sich in einer bestimmten Bandbreite.
Das Licht wird viel zu oft mit voller Kraft eingesetzt. So fehlt es an
Stimmungswechseln, an besonderen Akzentuierungen. Die Erzeugung
verschiedener Emotionen könnte viel stärker unterstützt werden. Die
Voraussetzungen sind geschaffen, und mit Jospeh Bouglione steht ein
erfahrener Regisseur zur Verfügung.
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