In der
4000-Einwohner-Gemeinde Schüpfheim, eine halbe Stunde von Luzern
entfernt, hat der Circus Harlekin in diesem Jahr erstmals ein
Gelände an der Reithalle bezogen, nachdem der bisherige Platz
nicht mehr zur Verfügung stand. Aufgrund von Leitungen im Boden
konnte hier nicht das reguläre Vorzelt errichtet werden.
Stattdessen wurde ein leichter Pavillon aufgestellt. Kasse,
Büffet und Bar gruppieren sich drum herum. Aller Widrigkeiten
und des heißen Sommerwetters zum Trotz ist die Tribüne zur Abendvorstellung hervorragend gefüllt. Die
Rundleinwand ist hochgezogen, und so steht einem luftigen
Sommer-Circus-Spaß nichts mehr im Wege.
Außenansicht, Opening
Monika
Aegerter begrüßt das Publikum und gibt Instruktionen zum
Beispiel für den Besuch der Toilette. Dorthin gibt es zwei Wege,
erläutert sie: den direkten und einmal komplett ums Chapiteau
herum. Daraufhin lässt sie mit Lukas Böss alias Hausclown Lügg
Luftballons platzen, die „Putzfrau“ Olga zusammenlesen muss.
Schließlich gipfelt das einfallsreich gestaltete Opening im
Auftritt des gesamten Ensembles, welches das „Vogellisi“ singt,
die heimliche Nationalhymne des Berner Oberlandes. Dort ist das
Hauptreisegebiet des „Harlekin“, und dort kennt jedes Kind
dieses Lied. Nunmehr in der 23. Saison bringen Pedro, Monika und
ihr Team internationales Flair in Dörfer wie Täufelen, Worbach
und Kirchlindach, die jetzt noch bis zum Saisonschluss am 20.
September in Thun auf dem Tourneeplan stehen.
Zheng Yang und Yang Ting, Nicole Pichler, Frank
Bogino
Für dieses internationale Flair sorgen zunächst die beiden Brüder Zheng Yang und Yang Ting
aus China. Ebenso klassisch wie selten gezeigt ist das Genre der
Vasenjonglage, mit der sie das Programm eröffnen. Es ist schon
sehr beeindruckend, wie die großen Vasen hier mit Füßen oder gar
dem Nacken aufgegangen werden. Komiker Frank Bogino lässt sich
in seinem ersten Auftritt auf den Kampf mit einem
Mikrofonständer ein, was die Kinder im Publikum vor Begeisterung
kreischen lässt. Mit dem Spiel auf zwei Trompeten verabschiedet
er sich. Direktionstochter Nicole Pichler im wunderbaren
Pailettenkleid bringt noch einmal das aus dem Vorjahr bekannte
Exotentableau vom schwedischen Circus Olympia in die Manege. Mit
acht Tieren – vier Kamelen, zwei Ochsen und zwei Lamas – ist
unter dem kompakten Harlekin-Chapiteau für ein tolles,
manegenfüllendes Bild gesorgt. Die famos aufspielende,
sechsköpfige Harlekin-Band unter Vadym Kovalchuk leitet bei
ihrer musikalischen Begleitung vom volkstümlichen „Grüezi
wohl Frau Stirnimaa“ nahtlos über zu orientalischen Klängen.
Isaac,
Les Nicas mit Lügg, Olga
Mit einem
interkontinentalen Boxmatch mit den Kontrahenten Pedro („direkt
aus München“) und Lügg („aus den USA“) sowie Schiedsrichterin
Monika ist dann für rustikale Heiterkeit gesorgt. In weiteren
Entrees und Reprisen wird gezaubert und ein Flohcircus in Schach
gehalten. Die Trickfolge von Olga am Luftring ist gerade
klassisch für dieses Genre und wird durch Tanzpassagen am Boden
in mehrere Teile gegliedert. Der ansteckend fröhliche Ghanaer
Isaac lässt – unter anderem auf Händen, Füßen und gegabeltem
Mundstab – bis zu zehn bunte Schüsseln gleichzeitig drehen, was
ein farbenfrohes und wirbelndes Bild ergibt. Vladimir und Olga Slobodeniuk alias
Duo Slobi sind in der dritten Saison in Folge mit dem Circus Harlekin auf Tournee. Heuer zeigt
Vladimir, unterstützt von seiner Gattin als verrückter Putzfrau,
wieder einmal seine bekannte Schlappseilarbeit. Mit 60 Jahren
beeindruckt der Vollblutartist mit Einradfahrt und freihändiger
Balance auf einem Stuhl. Dabei jongliert er mit Hut, Stock und
Zigarre. Eine würdige Pausennummer.
Vladimir Slobodeniuk
Seit
nunmehr acht Jahren ist die Schweizerin Susanne Mani ein
unverzichtbarer Bestandteil des Circus Harlekin. Die
Allrounderin kümmert sich um Vorreise und Administration,
bedient freundlich im Barwagen und hat vor allem eine große
Passion für immer neue Tierdressuren. Heuer übernimmt sie in der
Manege die Rolle einer Animateurin in der „Kinder-Ferien-Disco“.
Dabei zeigt sie, was sie acht jungen Ziegen drei verschiedener
Rassen innerhalb weniger Monate alles beigebracht hat –
Ponyreiten inklusive.
Frank
Bogino, Trio Aphelion, Zheng Yang und Yang Ting
Die
Chinesen Zheng Yang und Yang Ting katapultieren in ihrem zweiten
Auftritt mittels Rola-Brett Schalen und ein Blumensträußchen auf
den jeweils eigenen Kopf und den des Partners. Die Darbietung
ist als eine Art heiterer Wettstreit gestaltet, und beide
Kontrahenten suchen dabei offensiv den Kontakt zum Publikum.
Dieses ist hörbar begeistert. Frank Bogino schaut mit seinen 67
Jahren auf eine lange Karriere als Bauchredner zurück, sowohl im
Circus als auch auf Bühnen in Las Vegas. Seine Darbietung hebt
sich von anderen dieses Genres deutlich ab. Er lässt mit
verschiedenen Puppen Musikstars früherer Jahrzehnte wie James
Brown, Elvis Presley und Louis Armstrong wieder aufleben. Seine
Mitspielerin aus dem Publikum muss hier nicht einmal selbst den
Mund auf- und zumachen, sondern bekommt eine Maske mit großem
Mund. Quasi „ferngesteuert“ kann Bogino deren Lippen bewegen.
Damit erntet er viele herzliche Lacher, ebenso wie im Anschluss
die Slobodeniuks mit ihrer Schwanensee-Parodie. Für die
Schlussnummer sorgt das Trio Aphelion, zwei Herren und eine
Frau, in seinen markanten, bunten Kostümen. Es ist die einzige
Darbietung, bei der die Musik vom Band kommt – moderne Klänge,
die speziell auf die Choreographie mit Kraftakrobatik und
Handvoltigen abgestimmt sind. Dabei unterscheidet sich die
eigenständige Trickfolge deutlich von denen bei Formationen wie
„Atlantis“, „Seaworld“ & Co. Das Finale wird mit Clubtanz,
Gesang und Zugaben wie in jeder Harlekin-Saison ausgiebig
zelebriert. |