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Circus Herman Renz - Tour 2015
www.renz.nl ; 135 Showfotos

Utrecht, 23. Mai 2015: Der Circus Herman Renz setzt auch in diesem Jahr auf Wunder. War "Miracles" das Motto der Tour 2014, so heißt es jetzt "World of Wonders". Ging es bei bei der letztjährigen Produktion um die vielen Wunder, die der Circus wahr werden lässt, sorgt nun Vincent Vignaud mit seinen Großillusionen dafür, dass wir unseren Augen kaum trauen wollen. Der Titel ist nicht die einzige Konstante beim Niederländischen Nationalcircus. In allen Bereichen setzt die Direktion auf Bewährtes. Und das ist durchaus zu begrüßen, denn dieses Unternehmen kommt wieder durch und durch sympathisch daher.

Die Außenansicht wird vom blau-rot-gestreiften Chapiteau dominiert, welches im vergangenen Jahr in Betrieb genommen wurde. Seit Jahren bekannt ist die Front, welche von roten Containern mit großen gelben Schriftzügen darauf gebildet wird. Im Vorzelt gibt es neben einer umfangreichen Gastronomie ein Kinderkarussell. Die Begrüßung im Chapiteau übernimmt an diesem Nachmittag Einlasschef Jack Apon. Der Circusfan - frisch im Ruhestand - nutzt seine neu gewonnene freie Zeit, um so oft wie möglich bei Herman Renz zu sein. In schwarzem Anzug, rotem Hemd und schwarzer Fliege heißt er das Publikum Willkommen. Die Requisiteure begleiten den Gast an seinen Platz. Sei es in die Logen oder auf das Gradin, welches aus sieben Reihen mit Schalensitzen besteht. Quasi das Bühnenbild bildet der Artisteneingang mit dem beleuchteten "Herman Renz"-Schriftzug über der roten Gardine sowie dem Orchesterpodium.


Opening

Dort sitzt das siebenköpfige Orchester unter der Leitung des bewährten "Maestros" Robert Rzeznik. Es begleitet das Geschehen in der Manege auf hervorragende Weise. Gleiches gilt für das wirklich wunderbare Lichtdesign, welches Gilbert Weiser entwickelt hat. Ganz besonders kommt diese Unterstützung der eigentlichen Show zu Beginn und am Ende zur Geltung. Opening und Finale sind wieder zum Niederknien. Musik und Licht spielen sich in einen wahren Rausch. Die Artisten tragen eigens dafür gestaltete, neue Kostüme. Zum Beginn gibt es kleine artistische Szenen, zum Ende eine ausgefeilte Abschiedschoreographie. Joanes spielt auf der Concertina, Vincent Vignaud lässt es schneien, bevor alle Mitwirkenden ein letztes Mal erscheinen. Der Intensität kann sich niemand im Publikum entziehen, sie nimmt einen vollends gefangen. Diese Bilder sind es, die die ganz besondere Wirkung von "World of Wonders" ausmachen. Sie sorgen dafür, dass der Besuch zu einem bleibenden Erlebnis wird. Daphne Zwijsen zeichnet für die Choreographie verantwortlich, Marc Boon für die gesamte Regie. Die Verbindung zwischen Publikum und Akteuren im Scheinwerferlicht stellt wiederum Mathijs te Kiefte her. Im mit Glitzersteinen besetzten Frack gibt der hochgewachsene Pressesprecher des Unternehmens den Monsieur Loyal. Dies tut er angenehm zurückhaltend, ohne sich selbst zu sehr in den Vordergrund zu drängen.


Duo Gravity, Sven Jahn-Munoz, Geoffrey Berhault

Im artistischen Bereich setzen die Macher wieder auf junge, sympathische Akteure. Ganz besonders gilt dies für Sven Jahn-Munoz und Niko Huesca. Sie arbeiten im zweiten Jahren als "Duo Gravity" an den Strapaten zusammen. Der Sohn von Celestino Munoz sowie Tanja Jahn-Munoz (beide Circus Krone) und der Nachwuchs von Starclown Fumagalli kennen sich seit Kindertagen. Aus lockerem Ausprobieren wurde bald ein ernsthaftes Training. Die beiden merkten schnell, dass es zwischen ihnen "passt", wie Sven Jahn-Munoz erzählt. Eine große Motivation beim Aufbau der Nummer war Nikos leider viel zu früh verstorbener Bruder Nino. Als Erinnerung an ihn tragen sie auf ihren Westen und Hosen ein Emblem, das auch sein Vornamens-Initial enthält. Die Oberteile ihrer Kostüme legen sie aber bald ab, um an den Bändern kraftvolle Akrobatik zu zeigen. Es werden alle bekannten Tricks geboten. Höhepunkt sind die Umschwünge von Sven bis fast unter die Kuppel, während die Strapaten von Nino gehalten werden. Damit bilden sie die Schlussnummer des Programms. Allerdings folgt vor dem Finale noch eine farbenfrohe, ideenreiche Lasershow. Den Act vor der Pause bestreitet Sven Jahn-Munoz im Solo. Mit freiem Oberkörper arbeitet er eine variantenreiche Equilibristik-Kür. Zwei- und einarmige Handstände sind genauso zu sehen wie eine Klötzchenarbeit. Zudem zeigt er einen Kopfstand auf kleiner Plattform. Ebenfalls "oben ohne" dürfen wir Geoffrey Berhault erleben. Der junge Franzose vertritt den "Circus 2.0", wie es das fantastisch aufgemachte Programmheft beschreibt. In der Tat ist sein Stil etwas introvertierter als der des Duo Gravity. Sein Auftritt ist wirklich faszinierend. Er tanzt auf zwei über Kreuz angeordneten Seilen. Diese sind nicht ganz so straff gespannt wie man es von seinen Kollegen zumeist kennt. Deswegen läuft Berhault immer federnd über die Seile. Das gibt der Nummer eine besondere Leichtigkeit. Den speziellen Aufbau seiner Requisiten nutzt er geschickt für Sprünge von einem Draht zum anderen oder über einen hinweg. Darüber hinaus beherrscht der Franzose den Spitzentrick dieses Genres, den Salto vorwärts.


Alla und Yevhenia, Vanessa Labat, Joanes

Vom Circustheater Bingo kommen Alla und Yevhenia. Mit viel Sexappeal lenken sie die Blicke des Publikums unter die Circuskuppel. Wahre Hingucker sind last not least ihre markanten blonden Irokesenfrisuren. Am meisten aber überzeugen sie mit ihren Künsten an zwei nebeneinander hängenden Trapezen. Schöne Bilder wechseln sich hier mit teilweise sehr riskanten Tricks ab. In einen Umhang mit großen blauen Federn gehüllt kommt Vanessa Labat in die Manege. Nachdem sie diesen abgelegt hat, lässt sie im orientalischen Outfit elegant goldene Reifen rotieren. Zunächst sind es einzelne Ringe, die scheinbar magisch an ihren Händen tanzen. Danach lässt die junge Französin elegant mehrere Hula Hoop-Reifen um ihren biegsamen Körper kreisen. Somit bildet sie die sinnliche Auftaktnummer des Programms. Ihr Ehemann Joanes ist ebenfalls ein wunderbarer Artist. Dies beweist er auf der freistehenden Leiter und mit Jonglagen. Seine Balancen auf der Leiter sind variantenreich und durchaus gewagt. Auf dem Boden jongliert er mit Bällen, auf der Leiter mit Ringen und Keulen. Letztere hält er sogar in der Luft, während er auf dem oberen Ende der Leiter steht.


Joanes, Milko und
Mathijs te Kiefte, Vincent Vignaud

Joanes sehen wir noch öfter im Verlauf des Nachmittags. Denn im "Hauptberuf" ist er Clown. So ist er gemeinsam mit Direktionsmitglied Milko (Steyvers) für den Humor verantwortlich. Beide spielen zwei Nummern im Solo. Dabei wird deutlich, dass sie unterschiedliche Clownstypen verkörpern. Joanes agiert etwas feiner. Milko ist eher ein Vertreter der direkten Komik, der auch an einem Tapezier-Entree großen Spaß hat. Und so erleben wir Milko mit einer Packung Popcorn im Zusammenspiel mit dem Publikum sowie in einer herrlich komischen Einlage, bei der er gemeinsam mit Sprechstallmeister Mathijs te Kiefte "Hütchenspiele" mit drei Blumentöpfen wagt. Die beiden legen eine ansteckende Spielfreude an den Tag, die für das große Lachen sorgt. Joanes hingegen jagt eine Ente durch das Chapiteau und zerlegt sein weißes Fahrrad, um es dann mit viel Kreativität wieder zusammensetzen. Im gemeinsamen Spiel greifen sie das Programm-Motto auf. Sprich, sie zaubern. Das tun sie mit Tüchern und mittels Hypnose. Damit bringt Milko sogar Joanes zum Schweben. Während sich dieses Mysterium schnell als Bluff entpuppt, beweist sich Vincent Vignaud als wahrer Meister der Illusionen. Der Franzose startet gleich mit einem Knalleffekt: Eine seiner Partnerinnen legt sich ins Bett, deckt sich zu, und als sich die Decke wieder hebt, kommt Vignaud zum Vorschein. In zwei großen Auftritten bieten Vignaud und seine vier Girls perfekt aufgemachte Großillusionen. Dank des blendend aussehenden weiblichen Quartetts hat die gesamte Show auch gleich ein wunderbares Ballett. In prächtigen Kostümen erleben wir sie des Öfteren zwischen einzelnen Nummern, die dadurch sehr charmant und tänzerisch professionell verbunden werden.


Michael Jarz

So helfen sie etwa beim Aufbau des Hot Dog-Stands von Pat Clarrisson. Als Belohnung dürfen sie einen der vermeintlich niedlichen Hunde streicheln. Dass die Vierbeiner es aber faustdick hinter den Ohren haben, beweisen sie bei ihrem folgenden Auftritt. Denn so richtig gut arbeiten sie erst dann, wenn ihnen ihr Trainer den Rücken zudreht. Es entsteht eine herrliche Komödie, bei der die Hunde verschiedener Rassen ihre vielfältigen Talente ausleben dürfen. Die beiden anderen Dressuren werden von Michel Jarz vorgeführt. Die Tiere kommen vom schwedischen Cirkus Olympia. Einen ungewöhnlichen Anblick bieten die vier recht kleinen Alpakas. Mit Decken auf dem Rücken zeigen sie eine Freiheit, in die zwei mit Grünpflanzen umrankte Rundbögen einbezogen werden. Ein aus Circusmanegen vertrauteres Bild gibt da der Sechserzug Friesen ab. Die edlen Pferde laufen flott unter der Leitung von Jarz und bilden schöne Figuren. Steiger als da capi runden diese Vorführung ab.

Mit "World of Wonders" knüpft der Nederlands Nationaal Circus nicht nur was den Titel angeht nahtlos an die Produktion des vergangenen Jahres an. Er bleibt seinem Stil treu. Jugendliche Artisten, schöne Tierdressuren und herrliche Bilder in perfekter Verpackung. Das sind die Eindrücke, die der Zuschauer von einem Besuch des Circus Herman Renz mitnimmt. Hoffen wir, dass uns dieses sympathische Unternehmen noch lange mit seinen Shows erfreut. Dafür lohnt sich der Weg in die Niederlande immer wieder.

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Text und Fotos: Stefan Gierisch