Das
neue Spielzelt wird aber von vier Masten getragen. Zwischen den
vorderen strahlt das Logo des Unternehmens in Leuchtschrift. Das
Vorzelt ähnelt in der Form dem des Circus Roncalli. Ebenso erinnert der
Holzzaun mit den integrierten Laternen an das Unternehmen von Bernhard
Paul. Geblieben ist der winzige Kassenwagen mit dem riesigen Schriftzug
auf dem Dach.
Chapiteau
Im
Inneren des Chapiteaus wird eine gewohnt intime Atmosphäre geschaffen.
Das Gradin bietet dem Publikum einen recht hohen Komfort. 580
Schalensitze sind darauf angeordnet, wie das kleinformatige, aber sehr
informative Programmheft verrät. Søren Østergaard selbst verkauft es
vor der Vorstellung. Es hält unter anderem spannende Zahlen zur
Restauration bereit. 795 Kilogramm Maiskörner werden je Saison zu
Popcorn verarbeitet. 680 Liter Kaffee und 1700 Flaschen Wein werden
konsumiert. Die Brauerei Tuborg darf sich über den Absatz von 6000
Litern Bier freuen. Für mich sucht das frisch gezapfte Pils bei Nemo
seinesgleichen. Aber das nur am Rande. Natürlich ist die Vorstellung an
diesem Abend schon seit längerer Zeit restlos ausverkauft. Die Stimmung
ist mithin hervorragend. Dazu tragen neben dem Geschehen auf der runden
Bühne auch die großartige Vier-Mann-Band in kurzen Hosen und das
gewohnte Theaterlicht bei. Einzig der Lichtring über der Manege hängt
recht tief. In den oberen Reihen ist die Sicht auf die Luftnummer somit
deutlich eingeschränkt.
Irina Bessonova und Cameron McHenry, Duo Lyd, Crazy Flight
Diese
wird von Irina Bessonova und Cameron McHenry am Duo-Trapez bestritten.
Die beiden hochgewachsenen Damen zeigen charmant ihre flüssige
Trickfolge und wagen dabei manch riskante Eskapade. Waren sie für kurze
Zeit beim Circus Carl Busch engagiert, kennen wir das Duo Lyd von Nock
und Arlette Gruss. Auch bei Nemo arbeiten sie ihre beiden Nummern.
Sprich, wir erleben sie am Mast und auf dem Fahrrad. Südamerikanisches
Temperament trifft auf großes artistisches Geschick. So können wir ihre
Auftritte rundum genießen. Die Crazy Flight kombinieren
Partnerequilibristik und Handvoltigen, wie es nach wie vor viele
derartige Formationen tun. Dabei folgt das ukrainische Quartett einer
strengen Choreographie. Dank der genialen Livemusik der Circusband wird
ihre Nummer bei Nemo ein ganz besonderes Erlebnis. Nicht nur Vögel,
sondern gleich auch die zugehörigen Käfige zaubert Marko Karvo herbei. Der
Finne beweist dabei große Fingerfertigkeit, die Verblüffung ist
perfekt. Zudem ziehen die bunten Vögel - neben weißen Tauben vor allem
große Papageien - die Blicke des Publikums auf sich. Gleiches tut seine
charmante Partnerin.
Sigrid Husjord, Tina Gylling Mortensen, Soren Ostergaard
Star
der Show ist natürlich wieder Søren Østergaard selbst. Der
Circusdirektor hat sich in diesem Jahr zwei Partnerinnen an die Seite
geholt. Die beiden Schauspielerinnen Tina Gylling Mortensen und Sigrid
Husjord werden im Programmheft als „Circusprinzessinnen mit Kanten“
angekündigt. Und zimperlich dürfen die beiden sympathischen Damen auf
keinen Fall sein. Denn Østergaards Humor ist alles andere als politisch
korrekt. Die Gürtellinie ist als Grenze quasi nicht existent. Angst vor
Perücken, Schminke und abgefahrenen Outfits dürfen die Akteure ohnehin
nicht haben. Der Spaß ist also grenzenlos. Selbst wenn man kein Wort
Dänisch spricht, kann man sich diesem Humor nicht entziehen. Er steckt
einen einfach an. Wiederum gibt es Nummern, in denen der traditionelle
Circus liebevoll parodiert wird. Noch vor dem Einzug der Artisten
spielt die Band in bunten Clownskostümen auf der Bühne, Søren
Østergaard gibt den prächtigen Weißclown im edlen Kostüm. Als dann noch
einer der Clowns fehlt, darf ihn das ganze Publikum rufen. Vor dem
Finale präsentieren sich die Damen als „Schleuderbrett-Kosaken aus
Ungarn“. Angeklebter Schnauzbart und die passende Musik inklusive. Als
die „Truppe Orlanansky“ ihren Trick ausgeführt hat, stürmt eine
ganze Truppe gleich gekleideter Menschen herein. Auf ihren Fahnen steht
das Wort „Slut“ (Dänisch für "Ende"). Doch bevor wirklich Schluss ist, reitet Østergaard eine
Runde auf seinem Circuspferd aus Vollplüsch über Hindernisse.
Soren Ostergaard
Auch
wird wieder viel gezaubert. Tina Gylling Mortensen und Sigrid Husjord
zeigen ihre eigene Variante des Hütchenspiels mit großen Blumentöpfen
und lebendigem Inhalt. Gylling Mortensen produziert sich
als voluminöse Diva am Trapez, die am Ende doch überraschend gelenkig
daherkommt. Herrlich auch die Schneewittchen-Szene, bei der die
kleinwüchsige Sigrid Husjord die Hauptfigur gibt und ihre beiden
Partner die Zwerge. Die Größenverhältnisse sind somit umgedreht. Mit
Gänsen steuert Østergaard gar eine Tierdressur bei. Die stärksten
Zuschauerreaktionen ruft er aber hervor, wenn er in seine Paraderollen
schlüpft. Als Bager Jorgensen parliert er aufgeregt drauf los und
zerstört dabei mit den Händen Backwaren. Die Gagdichte ist enorm. Die
Lachsalven unter dem Chapiteau wollen kein Ende nehmen. Gleiches gilt
für die von Østergaard verkörperte Figur des Erik Bo Nielsen. Diesem
recht ungepflegten Zeitgenossen mit meist ausgestreckten Mittelfingern
scheinen die Flüche nie auszugehen. |