Gregory
Knie ist sichtlich entspannt, als er nach der
Samstagabendvorstellung für ein Gespräch zur Verfügung steht.
Gemeinsam mit seinem Vater Rolf Knie produziert er im fünften
Jahr in Folge diese erotische Circusshow, und auch der „sexte“
Akt im nächsten Jahr ist schon geplant. Während die aktuelle
Show schon den fünften Abend läuft, weilt Rolf Knie immer noch
in seiner Wahlheimat Mallorca – Sohn Gregory hat hier in
Dübendorf freie Hand. Und führte auf der runden Bühne selbst
Regie, unterstützt von einem vielköpfigen Kreativteam. Diesem
gehört unter anderem der renommierte Choreograph Fidel Buika an,
der ansonsten Tanzshows für Nike oder Swatch kreiert. Dass
alljährlich auch klassische Zirkusartisten wie Cristina Garcia
oder die Guidis gerne bei „Ohlala – SEXY CRAZY ARTISTIC“ dabei sind, „ehrt mich sehr“,
sagt Gregory Knie, das gebe ihm eine gewisse Sicherheit und sei
ein gutes Zeichen. Erklären müsse man ihnen nicht, worum es bei
„Ohlala“ geht, das habe sich in der Circuswelt schnell
herumgesprochen. Verlassen kann sich der junge Direktor auch auf
seinen technischen Berater Franz Althoff, nach dessen Ideen und
Vorgaben das fabrikneue Chapiteau gefertigt wurde. „Und zwar so,
dass hier beim Aufbau keine Schraube ausgetauscht werden
musste“, lobt Gregory Knie. Wie schon bei „Salto Natale“, der
Winterproduktion von Rolf und Gregory Knie, ist das neue Zelt im
Inneren mastenfrei. Damit ist beste Sicht von allen Plätzen
gewährleistet. Anders als bei „Salto Natala“ stehen nur 880
anstatt 1300 Plätze zur Verfügung.
Duo Guidi, Ballett mit
Zuschauerin, Cristina Garcia
Und dieser
intime Rahmen, der durch das wunderbar aufwendig dekorierte
Foyerzelt ergänzt wird, passt perfekt zur Show. Eine Stimme aus
dem Off fordert zu Beginn dazu auf, in eine erotische Welt
abzutauchen und zu sich der bedingungslosen Liebe hinzugeben.
Bereits im Opening wird das Schwanen-Thema eingeführt. Dann
gehört die Bühne Cristina Garcia, die in sinnlicher Aufmachung
mit schwarzen Strümpfen und Handschuhen ihr enormes Können als
Kontorsionistin demonstriert. Dass das Outfit ihrem regulären
Circuskostüm entspricht, unterstreicht nur die Feststellung von
Vater und Sohn Knie: Sinnlichkeit und Erotik gehörten schon
immer zum Circus und sind ein wichtiger Teil davon. Unter
anderem nimmt Garcia mit dem Mund eine Rose vom Boden auf und
zeigt den Bogenschuss. Starker Applaus ist ihr gewiss, ebenso
wie dem Ikarier-Duo Guidi. Sacha Guidi wirbelt seine Ehefrau und
Bühnenpartnerin Iana Suiarko mit den Füßen durch die Luft, mit
einer Abfolge von zehn Überschlägen am Stück krönt sie ihre
Darbietung. Die beiden spanischen Komiker Pedro und Carlos
zeigen zunächst als Tänzer und Primaballerina in schwarzem
Leder- und Netzoutfit bzw. weißem Tutu ihr Können. Nach diesem
Auftakt folgt ein Mitmach-Akt der gewagten Sorte. Eine
Zuschauerin muss auf einem Stuhl Platz nehmen, zwei männliche
Gäste sollen eine Polizisten-Uniform bzw. einen Schottenrock
anziehen. Und diese Kleidungsstücke dann bei einem Striptease
für die Dame wieder ablegen. Spätestens nachdem unter dem
Schottenrock ein – ohlala! – monströser Plüsch-Penis zum
Vorschein kommt und wild umhergeschwenkt wird, ist der Jubel auf
den Rängen grenzenlos. Damit nicht genug. Als Zugabe für die
Dame gibt es noch einen heißen Tanz der drei Herren aus dem
Ohlala-Ballett, die bald noch von fünf Artisten unterstützt
werden. Samt Stuhl wird die Zuschauerin schließlich von den
kräftigen Kerlen hinter den roten Vorhang getragen.
Ailona, Up and
over it, Jean Passos
Nun ist es
wieder Zeit für weibliche Reize. Und von denen reichlich hat
Hula Hoop-Artistin Ailona Lukyanova, die ein knappes Outfit mit
einer soliden Trickfolge kombiniert. Komik und (Stepp-)Tanz
verbindet das Duo „Up an over it“, die Irin Suzanne Cleary und
der Engländer Peter Harding. Er im schwarzen Smoking, sie im
Abendkleid und mit heillos verschmiertem Make-up zelebrieren
Dekadenz. Beide sitzen an einem Tisch, lassen die
Champagnerkorken knallen und hantieren mit „Kokain“, dass es nur
so staubt. Und dabei trommeln sie rhythmisch mit den Händen auf
dem Tisch und steppen, weiterhin sitzend, mit den Füßen. Das
alles ist nicht nur außergewöhnlich, sondern auch ein großer
Spaß. Wie in Trance, in einem Taumel, in einer Orgie, wankt das
gesamte Ohlala-Ensemble schließlich durch die Zuschauereingänge
Richtung Pause. – Auch der zweite Programmteil beginnt mit einer
solchen Ensembleszene. Die vier Ballettgirls tragen Netzbodys
mit freien Brüsten und Pobacken, die Tänzer
Lederoutfits – und jeder, ob Frau oder Mann, einen Handspiegel,
der Lichtstrahlen aus der Kuppel reflektiert. Der geheimnisvolle
Aufzug mündet in der Badewannen-Nummer des Brasilianers Jean Passos. Er planscht im kühlen Nass, zeigt Akrobatik auf dem
Wannenrand und schwingt sich klitschnass zur Luftartistik an
Tüchern unter die Zeltkuppel. Spektakulär sein Schlusstrick, bei
dem ein Abfaller blitzschnell in einen Genickhang übergeht. Sexy
die Zugabe, wenn er in der Wanne seine Badeshort ablegt und die
Bühne splitterfasernackt verlässt.
Ballett, Judita Latigos mit
Zuschauerin
Wie schon
in den beiden Vorjahren darf auch diesmal eine
Bodypainting-Nummer nicht fehlen. Diese spielt heuer im
Krankenhaus. Dort werden die Patienten mit fluoreszierender
Farbe aus Infusionsflaschen „versorgt“, bis ihre Körper sich in
leuchtende Bilder verwandeln – und, als provokativer Höhepunkt,
eine leuchtende Babypuppe das Licht der Welt erblickt. Eine
Darbietung des Ohlala-Balletts, bei der die Damen oben ohne und
die Herren nur in Stringtangas agieren. Das schemenhafte Licht
sorgt dafür, dass man dennoch mehr zu ahnen als zu sehen
bekommt. Comedy-Act Nummer drei kommt aus Venezuala: Ein Macho
mit Schnurrbart präsentiert seine Peitschenspiele und schlägt
einer Zuschauerin eine Rose vom Kopf und eine Papierrolle aus
dem Mund. Sein Striptease zum Abschluss sorgt für eine echte
Überraschung: Der Macho ist in Wahrheit eine Dame, Judita
Latigos.
Arrow Dancers,
Oblivion, Matt und Valentina
Was nun
folgt, ist eine echte Schlussoffensive in diesem Programm. Sie
wird eröffnet vom Duo Oblivion mit seiner Messerwurf-Nummer.
Tyrone Laner trifft hier mit dem Messer eine Rose, die seine
Partnerin Guillerma Pagliero mit dem Mund hält. Mit schnellen
Bewegungen weicht sie seinen Messerwürfen aus. Macht sich auch
zur „Zielscheibe“ für Fackeln. Und schreckt nicht davor zurück,
an einer großen Scheibe zu rotieren, während wieder die Messer
fliegen. Ins Rotieren kommen auch die beiden Engländer Matt und
Valentina bei ihrer starken Rollschuh-Nummer, die alle
genretypischen Tricks enthält. Valentina ist der „Schwan“ aus
der Rahmenhandlung. Nunmehr ist ihr Kostüm schwarzweiß. Und so
ist das Ergebnis ihrer Reise in die verruchte Welt von Ohlala,
dass zu jedem Menschen beides gehört: Weiß und Schwarz, Gut und
Böse, Unschuld und Begierde. Oder eben Yin und Yang. Gregory
Knie selbst zieht auch den Vergleich zum Artistenleben, das aus
Freude ebenso wie aus Härten und Schmerz besteht. Für den
Abschluss sorgen schließlich die vier „Arrow Dancers“ mit ihrem
georgischen Tanz. In pfeilschnellen Pirouetten drehen sie über
die Bühne. Landen in ihren weichen Lederstiefeln auf den Knien,
um mit einem Satz wieder auf die Beine zu kommen und sich in
martialische Posen zu werfen oder sich mit Schwertern zu
duellieren. Männlichkeit und Stärke symbolisiert dieser
traditionelle Volkstanz, der sich damit perfekt in das Showkonzept einfügt.
Lucia Sky
Mit exquisitem
Licht und ebensolcher Livemusik der vierköpfigen Band unter Orlando
Ribar wird von Anfang an für Stimmung und Atmosphäre gesorgt. Hinzu
kommt Sängerin Lucia Sky, die viele Nummern mit ihrer starken Stimme
begleitet. Noch cooler und moderner als im Vorjahr sind Fidel Buikas
neueste Tanzchoreographien. Was die Tänzer zeigen, wirkt wie aus
einem angesagten Club entsprungen. |