Eigentlich
war der Start des "Cirque de Bruxelles" in Deutschland schon für einen
früheren Zeitpunkt vorgesehen gewesen. Doch insbesondere aufgrund der
verspäteten Lieferung des neuen Materials musste die Premiere
verschoben werden. Das
Warten hat sich allerdings gelohnt: Die schmucken Zelte sorgen für ein
einladendes und harmonisches Bild.
Entree und Chapiteau
Im Vorzelt sorgen Waffel- und
Crêpe-Stände für belgisches Flair, und ein Karussell erfreut die kleinen
Gäste. Ein Gradin aus Klappsitzen für rund 500 Gäste, eine hohe, rote
Gardine und aufwendig verkleidete Masten sorgen dann im Hauptzelt für
einen edlen und zugleich intimen Rahmen. Da auf die Mitwirkung von Tieren
verzichtet wird, konnte statt einer klassischen Manege eine erhöhte
Rundbühne angeschafft werden, deren Mitte sich zudem hydraulisch
weiter in die Höhe fahren lässt. Die Musik kommt vom Band; die
Lichtanlage ist bestens bestückt und lässt zahlreiche Stimmungen zu.
Zwar werden aufgrund der kurzen Probenphase noch nicht alle
Möglichkeiten voll ausgenutzt, dennoch zeigt sich die Vorstellung
bereits zur Premiere in weiten Teilen rund.
Ensemble
Für
diese Wohlfühl-Atmosphäre sorgt in erster Linie die Familie Pauwels -
der erst 24-jährige Direktor Samuel Pauwels, sein Vater Marquis und
Patentante Celia Berthier-Caroli, Enkelin des berühmten Weißclowns
Francesco Caroli - selbst. Jeder ihrer Auftritt kommt äußert
sympathisch, fast familiär daher. Mit sichtlich Spaß und Spielfreude
ist das Trio dabei. Es gibt der Show ihr Gesicht und ihr Herz. Das
merkt man zu jedem Moment. Zusammen übernehmen sie auch die Eröffnung
des Programms. Marquis Pauwels spielt den klassischen Dummen August mit
roter Nase, Samuel Pauwels mimt "TicTac" – eine komische, leicht
verschroben wirkende Figur – und Celia Berthier-Caroli gibt dazwischen
die stilvolle "Madame Loyal". Während die Herren mit ihrem
Trompeten-Spiel ein erstes Mal ihr musikalisches Können beweisen,
übernimmt sie die Begrüßung des Publikums. Dann
entsteht ein kleines Charivari, in dem das restliche Ensemble hinzustößt
und kleine artistische Kostproben gibt.
Duo Frénésie, Domenico Dakotas, Dolana Oskal-Ool
Aufgebaut
ist dabei schon der Chinesische Mast für das Duo Frénésie. Die jungen
Künstler sind eine echte Neuentdeckung. Mit ihrer Darbietung können sie
auf ganzer Linie überzeugen. Unterschiedlichste Haltepositionen, solo
oder im Duo, prägen den Auftritt. Stark ist etwa, wie er Handstände auf
ihren Beinen, mit denen sie sich am Mast hält, drückt. So bieten sie
gleich einen ersten Höhepunkt zu Beginn des Programms. Nach einem
Xylophon-Intermezzo von Samuel Pauwels folgen die tanzenden Teller von
Domenico Dakotas und Celia Berthier-Caroli. Dolana Oskal-Ool hingegen
lässt auf vielfältige Weise die Hula Hoop-Reifen kreisen. Zum
Schluss beherrscht sie eine Vielzahl der Reifen, während sie auf der
hydraulischen Bühne ein Stück gen Kuppel fährt.
Curatola Brothers, Samuel Pauwels, Leroy Quaiser
Es
übernehmen die Curatola Brothers. Mit ihrer bekannten
Hand-auf-Hand-Darbietung und italienischem Charme begeistern sie auch
hier. Aktuell vertreten die beiden Brüder das noch fehlende
Strapaten-Duo Urban, welches Anfang September zum Unternehmen stoßen
wird. Die Curatola Brothers gehen dann wieder mit Roncallis "Salto
Vitale"-Einheit auf Tournee. Dann ist die Familie Pauwels erneut
selbst an der Reihe. Marquis Pauwels und Celia Berthier-Caroli lassen
zusammen auf Glocken Melodien erklingen. Den temporeichen Schlusspunkt
unter den ersten Programmteil setzt Samuel Pauwels. Der junge Mann ist
nicht nur Direktor und Komiker, sondern auch ein herausragender
Jongleur. Dies beweist er mit Ringen und Keulen. Dabei beherrscht er
auch schwierigste Tricks sicher und vergisst nicht, seinen Auftritt mit
ordentlich Esprit zu würzen. Eine mehr als verdiente Pausen-Nummer.
Ähnlich stark geht es nach der Unterbrechung weiter. Leroy Quaiser aus
der deutschen Circusfamilie demonstriert seine Handstand-Qualitäten auf
einem illuminierten Piedestal. Mehrere Versionen des Einarmers und der
berühmte Klötzchen-Trick sind in seinem Ablauf zu finden und lassen
bekannte Vorbilder erkennen.
Alison, Celia Berthier-Caroli und Samuel Pauwels, Eliane Baranton
Den
ruhigen Kontrastpunkt dazu setzt Alison mit ihrer Darbietung an weißen
Tüchern. In einen Zwist um die "Vorherrschaft" am Mikrofon geraten
daraufhin Celia Berthier-Caroli und Samuel Pauwels alias "TicTac".
Während sie ihre Gesangskünste unter Beweis stellen möchte, kommt eben
"TicTac" auf dieselbe Idee. So entspinnt sich ein amüsanter Wettstreit
zwischen beiden Akteuren. Zusammen mit ihrem Partner Loïc Molla zeigt
Dolana Oskal-Ool auch eine Quick Change-Performance. Beide
beginnen dabei in asiatischen Gewändern, ehe sie am Ende und nach
zahlreichen Musik- und Kleiderwechseln im weißen Abendkleid und Anzug
erscheinen. Das große, klassische Entree wird in französischen und
belgischen Circus-Unternehmen seit jeher gepflegt; so auch bei der
Familie Pauwels. Hier produziert sich Celia Berthier-Caroli als
Kunstschützin, welche auf Luftballons oberhalb der Köpfe von Marquis
und Samuel Pauwels zielen möchte. Keine Frage, dass die meistens schon
vorher kaputt gehen… Der Programm-Schluss gebührt dann einer ganz
besonderen "Grand Dame". Mit über 70 Jahren und viel Grandezza steht
Eliane Baranton nach wie vor in der Manege und lässt mit Tempo die
verschiedenen Requisiten wie Bälle, Rollen und gar einen Tisch auf
ihren Füßen rotieren. Wahnsinn!
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