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Cirque Starlight - Tour 2015
www.cirquestarlight.ch ; 83 Showfotos

Morges, 28. März 2015: Der Schweizer Cirque Starlight entführt in dieser Saison in eine Landschaft im Schein des Nordlichts. Hier im ewigen Winter sind drei Forscher auf der Suche nach einem rätselhaften Baum auf dem Gipfel eines Hügels. Bei ihrer Expedition begegnen ihnen eine außergewöhnliche Sippe von Eingeborenen sowie einige verirrte Touristinnen. Wiederum hat das Direktionspaar Jocelyne und Heinrich Gasser ein ganzes Kreativteam verpflichtet, um wie jedes Jahr ein komplett neues Programm zu schaffen – ein Programm im Stil des kanadisch geprägten "Cirque Nouveau".

Auffälligste Veränderung beim Betreten des Zelts: Die erhöhte Bühne ist in der aktuellen Produktion „Vue d’ailleurs“ einer ebenerdigen, rechteckigen Spielfläche gewichen. Sie ist komplett mit heller Folie ausgelegt. Eine große, weiße Leinwand grenzt die Spielfläche nach hinten ab. Schattenspiele und Projektionen aus dem Hintergrund erwecken diese Leinwand zum Leben und sorgen für schöne, geschmackvolle Bilder. Mit einigen stilisierten Eisblöcken wird der Eindruck einer Winterlandschaft komplettiert. Im Licht der Scheinwerfer strahlt diese Landschaft hell und in den verschiedensten Farben – im Wortsinn ein starker Kontrast zu den oftmals düsteren Starlight-Produktionen vergangener Jahre. Wie bereits in der Vorsaison hat Regisseur Emiliano Sanchez Allesi dieses Programm in Szene gesetzt. Dabei stand ihm ein Kreativteam mit drei Kostümbildnerinnen, Bühnenbildner, Lichtdesigner sowie einem Komponisten und Musikproduzenten zur Seite. Viel Aufwand also für eine lediglich viermonatige Tournee. Sie endet nach Stationen vor allem in der französischsprachigen Westschweiz und im Tessin bereits am 12. Juli in Locarno.

 
Constanze Bugnon, Los Tarantela 

Für die Komik im Programm sorgt das Trio „Los Tarantela“. Es stammt wie der Regisseur aus Argentinien und hat nun seinen ersten Auftritt in Europa. Martin Frattini, Agustin Soler und Martin Orchessi spielen die drei verschrobenen Forscher, die nach dem geheimnisvollen Baum auf ihrer Schatzkarte suchen. Obwohl es moderne Spaßmacher sind, haben sie auch einen wahren Klassiker der Clownerie im Repertoire: die Rockbandszene mit einem „Freiwilligen“ aus dem Publikum. Die erste Begegnung der Forscher sind zwei Touristinnen, die sich in diese Winterlandschaft verirrt haben und gerne fotografiert werden möchten. Klar, dass sich die Clowns da schnell in den Vordergrund drängen. Kurioserweise sind die Touristinnen am Polarkreis mit dem Fahrrad unterwegs. Und auf eben diesem Rad zeigt Constanze Bugnon ihr Balancevermögen. Ihre Spezialität ist jedoch der Chinesische Mast, an dem sie später gekonnt der Schwerkraft trotzt.

 
Roxana Küwen, Truppe aus der Mongolei 

Ihre Begleiterin ist die Deutsch-Iranerin Roxanan Küwen, die eine interessante Jonglage-Nummer präsentiert. Dabei liegt sie die meiste Zeit auf dem Rücken, während sie bis zu fünf kleine Bälle mit Händen und Füßen jongliert – eine Variante der Antipodenspiele, die wir so noch nicht gesehen haben. Ein Ball spielt auch in ihrem zweiten Auftritt am Trapez eine wichtige Rolle. Diesen deponiert sie hier auf dem Kopf, in der Kniekehle oder auf der Fußsohle, während sie ihre verschiedenen Tricks zeigt. Die Ringtrapeznummer von Direktionstochter Jessica Gasser musste in der besuchten Vorstellung entfallen, da die Artistin bei der Fernsehaufzeichnung der „Größten Schweizer Talente“ weilte. Das übrige artistische Programm bestreitet in „Vue d’Ailleurs“ eine neunköpfige Artistentruppe aus der Mongolei. Sie spielen eine Gruppe von „Eingeborenen“ im Winterreich. Die sieben jungen Männer und zwei Frauen sind Absolventen der Circusschule von Ulan Bator und nun erstmals in Europa auf Tournee. Mit ihrem Können und ihrer sympathischen Ausstrahlung würden sie sich auch bestens in ein klassisches Circusprogramm einfügen. Den Auftakt ihres Repertoires bildet ein fröhliches Seilspringen. Genretypisch drehen sich hier meist mehrere Seile gleichzeitig. Und es werden während des Seilspringens Salti geschlagen, Handvoltigen geflogen oder Liegestütz im Dreierpack aufeinander gedrückt. 


Truppe aus der Mongolei: Partner- und Wurfakrobatik, Jonglage, Handvoltigen

Die beiden weiblichen Truppenmitglieder, Enkhbayar Ganchuluun und Begzsuren Enkhtemuujin, arbeiten gemeinsam in einer recht kurzen Darbietung am Trapez. Mit Longensicherung gibt es hier beispielsweise einen Abfaller zum „Schienbein in Schienbein“ oder Drehsprünge zum „Hand in Hand“ zu sehen. Die gesamte mongolische Truppe findet sich dann wieder zu den Handvoltigen zusammen. Bis zum Vier-Mann-Hoch wird hier geflogen. Eine schöne Kombination aus Partner- und Wurfakrobatik zeigt Artistin Begzsuren Enkhtemuujin dann mit Partner Ariunbuyan Amartuvshin. In Quartettbesetzung und verschiedenen Formationen, beispielsweise im Zwei-Mann-Hoch, beherrschen die Mongolen ihre Jonglagen mit einer Vielzahl von Ringen. Treibende Beats begleiten sie dabei, und das Publikum klatscht begeistert mit. Ihren letzten Auftritt hat die gesamte Truppe dann bei einer Nummer, in der von einer Schaukel zu einer Matte und einem Fangstuhl gesprungen wird So fliegt eine Artistin von der Schaukel zu einem Zwei-Mann-Hoch und wird direkt „weitergerecht“ zum Fänger, um schlussendlich auf der Bodenmatte zu landen. Direkt von der Schaukel wird zur Landung im Vier-Mann-Hoch gesprungen.


Ensemble 

Am Ende ihrer Reise finden Forscher, Touristinnen und „Eingeborene“ dann gemeinsam zum Ziel und erreichen den Baum auf der Schatzkarte. Dabei hat es großen Spaß gemacht, das bunte Volk zu begleiten. Schließlich sahen wir gute artistische Leistungen und eine liebevoll umgesetzte Rahmenhandlung.

Auf allzu ausgedehnte Spielszenen wird heuer verzichtet, die Musik ist im Vergleich zu den Vorjahren weniger sperrig und oftmals sogar mitreißend, die Gesamtatmosphäre hell und fröhlich anstatt bedeutungsschwer und düster. Und so ist dieses Starlight-Programm das schönste und gefälligste der letzten Jahre. Damit könnte sich ein erster Besuch auch für diejenigen lohnen, die mit allzu verkopftem „Cirque Nouveau“ wenig anfangen können. „Vue d’ailleurs“ eignet sich mithin auch als „Starlight für Einsteiger“.

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Text: Markus Moll; Fotos: Tobias Erber