Auffälligste Veränderung beim Betreten des Zelts: Die erhöhte
Bühne ist in der aktuellen Produktion „Vue d’ailleurs“ einer
ebenerdigen, rechteckigen Spielfläche gewichen. Sie ist komplett
mit heller Folie ausgelegt. Eine große, weiße Leinwand grenzt
die Spielfläche nach hinten ab. Schattenspiele und Projektionen
aus dem Hintergrund erwecken diese Leinwand zum Leben und sorgen
für schöne, geschmackvolle Bilder. Mit einigen stilisierten
Eisblöcken wird der Eindruck einer Winterlandschaft
komplettiert. Im Licht der Scheinwerfer strahlt diese Landschaft
hell und in den verschiedensten Farben – im Wortsinn ein starker
Kontrast zu den oftmals düsteren Starlight-Produktionen
vergangener Jahre. Wie bereits in der Vorsaison hat Regisseur
Emiliano Sanchez Allesi dieses Programm in Szene gesetzt. Dabei
stand ihm ein Kreativteam mit drei Kostümbildnerinnen,
Bühnenbildner, Lichtdesigner sowie einem Komponisten und
Musikproduzenten zur Seite. Viel Aufwand also für eine lediglich
viermonatige Tournee. Sie endet nach Stationen vor allem in der
französischsprachigen Westschweiz und im Tessin bereits am 12.
Juli in Locarno.
Constanze Bugnon, Los Tarantela
Für die
Komik im Programm sorgt das Trio „Los Tarantela“. Es
stammt wie der Regisseur aus Argentinien und hat nun seinen
ersten Auftritt in Europa. Martin Frattini, Agustin Soler und
Martin Orchessi spielen die drei verschrobenen Forscher, die
nach dem geheimnisvollen Baum auf ihrer Schatzkarte suchen.
Obwohl es moderne Spaßmacher sind, haben sie auch einen wahren
Klassiker der Clownerie im Repertoire: die Rockbandszene mit
einem „Freiwilligen“ aus dem Publikum. Die erste Begegnung der
Forscher sind zwei Touristinnen, die sich in diese
Winterlandschaft verirrt haben und gerne fotografiert werden
möchten. Klar, dass sich die Clowns da schnell in den
Vordergrund drängen. Kurioserweise sind die Touristinnen am
Polarkreis mit dem Fahrrad unterwegs. Und auf eben diesem Rad
zeigt Constanze Bugnon ihr Balancevermögen. Ihre Spezialität ist
jedoch der Chinesische Mast, an dem sie später gekonnt der
Schwerkraft trotzt.
Roxana
Küwen, Truppe aus der Mongolei
Ihre
Begleiterin ist die Deutsch-Iranerin Roxanan Küwen, die eine
interessante Jonglage-Nummer präsentiert. Dabei liegt sie die
meiste Zeit auf dem Rücken, während sie bis zu fünf kleine Bälle
mit Händen und Füßen jongliert – eine Variante der
Antipodenspiele, die wir so noch nicht gesehen haben. Ein Ball
spielt auch in ihrem zweiten Auftritt am Trapez eine wichtige
Rolle. Diesen deponiert sie hier auf dem Kopf, in der Kniekehle
oder auf der Fußsohle, während sie ihre verschiedenen Tricks
zeigt. Die Ringtrapeznummer von Direktionstochter Jessica Gasser
musste in der besuchten Vorstellung entfallen, da die Artistin
bei der Fernsehaufzeichnung der „Größten Schweizer Talente“
weilte. Das übrige artistische Programm bestreitet in „Vue
d’Ailleurs“ eine neunköpfige Artistentruppe aus der Mongolei.
Sie spielen eine Gruppe von „Eingeborenen“ im Winterreich. Die
sieben jungen Männer und zwei Frauen sind Absolventen der
Circusschule von Ulan Bator und nun erstmals in Europa auf
Tournee. Mit ihrem Können und ihrer sympathischen Ausstrahlung
würden sie sich auch bestens in ein klassisches Circusprogramm
einfügen. Den Auftakt ihres Repertoires bildet ein fröhliches
Seilspringen. Genretypisch drehen sich hier meist mehrere Seile
gleichzeitig. Und es werden während des Seilspringens Salti
geschlagen, Handvoltigen geflogen oder Liegestütz im Dreierpack
aufeinander gedrückt.
Truppe aus
der Mongolei: Partner- und Wurfakrobatik, Jonglage, Handvoltigen
Die beiden
weiblichen Truppenmitglieder, Enkhbayar Ganchuluun und Begzsuren
Enkhtemuujin, arbeiten gemeinsam in einer recht kurzen
Darbietung am Trapez. Mit Longensicherung gibt es hier
beispielsweise einen Abfaller zum „Schienbein in Schienbein“ oder
Drehsprünge zum „Hand in Hand“ zu sehen. Die gesamte mongolische
Truppe findet sich dann wieder zu den Handvoltigen zusammen. Bis
zum Vier-Mann-Hoch wird hier geflogen. Eine schöne Kombination
aus Partner- und Wurfakrobatik zeigt Artistin Begzsuren
Enkhtemuujin dann mit Partner Ariunbuyan Amartuvshin. In
Quartettbesetzung und verschiedenen Formationen, beispielsweise
im Zwei-Mann-Hoch, beherrschen die Mongolen ihre Jonglagen mit einer
Vielzahl von Ringen. Treibende Beats begleiten sie dabei, und
das Publikum klatscht begeistert mit. Ihren letzten Auftritt hat
die gesamte Truppe dann bei einer Nummer, in der von einer
Schaukel zu einer Matte und einem Fangstuhl gesprungen wird So
fliegt eine Artistin von der Schaukel zu einem Zwei-Mann-Hoch
und wird direkt „weitergerecht“ zum Fänger, um schlussendlich
auf der Bodenmatte zu landen. Direkt von der Schaukel wird zur
Landung im Vier-Mann-Hoch gesprungen.
Ensemble
Am Ende
ihrer Reise finden Forscher, Touristinnen und „Eingeborene“ dann
gemeinsam zum Ziel und erreichen den Baum auf der Schatzkarte.
Dabei hat es großen Spaß gemacht, das bunte Volk zu begleiten.
Schließlich sahen wir gute artistische Leistungen und eine
liebevoll umgesetzte Rahmenhandlung. |