Mit
dem bisherigen Verlauf des inzwischen zweiten Besuchs in der Hauptstadt
sind die Macher vollauf zufrieden. Das Publikum ist übrigens bunt
gemischt. Neben "Normalbürgern" findet man viele Besucher, denen man
den Hang zur Horror-Szene durchaus ansieht.
Ballett
Bestens
eingespielt ist zudem die Grusel-Show. Das neue Programm "Inquisition –
Die Folterkammer“ hatte im letzten Herbst Premiere und wurde
kontinuierlich weiterentwickelt. So wurden etwa für Opening und
Todesrad eigene Musikstücke produziert. Originalmusik sollen
perspektivisch die ganze Show begleiten. Das Licht erzeugt die
passenden Stimmungen und wird perfekt eingesetzt. Natürlich gibt es
jede Menge Feuer- und Raucheffekte. Die vielfältigen Kostüme sind dem
Thema angepasst, und die Masken erfordern einen hohen Aufwand. Ein
vierköpfiges Ballett ist dabei, ebenso wie unser gruseliger Gastgeber Nosferatu alias Giovanni Biasini. Die Show hat eine perfekte
Choreographie und tolle Artisten. Der "Spaß" beginnt aber schon vor der
Vorstellung. Der Weg ins düster dekorierte Vorzelt führt durch ein
Grusellabyrinth, wo wir von einer Vielzahl von Erschreckern begrüßt
werden. Diese treiben auch in der Gastronomie und im Chapiteau ihr
Unwesen. Kaum ein Zuschauer ist vor ihnen sicher. Dankenswerterweise
lassen Sie uns während der Show in Ruhe. Die Schock-Effekte auf der
Rundbühne sorgen schon für ausreichendes Schaudern.
Marlen Kaiser, Cyril Pitlak, Senayt Asefa
Gleich
im Opening bekommen wir einige sehr „anregende“ Szenen geboten. So wird
etwa eine am Strick hängende Frau gen Kuppel gezogen. Spätestens jetzt
ist den Besuchern klar, dass die folgenden zweieinhalb Stunden kein
Kindergeburtstag werden. Nosferatu begrüßt uns in seinem Reich und
erweckt die in einem Bett liegende Marlen Kaiser zum Leben. Mit
blutigem Gesicht arbeitet sie am Schwungseil. Insbesondere der Abfaller
zum Schluss sorgt für einen zusätzlichen Schockeffekt. Das Ballett
befreit einen jungen Mann mit weiß geschminktem Gesicht aus einer
Holzkiste. Als durchgeknallter Jongleur lässt Cyril Pitlak, alias
Cylios, seine silbernen Keulen fliegen. Der junge Franzose ist eine
echte Entdeckung. Er ist nicht nur ein versierter Artist, sondern
ebenfalls ein sympathischer Kerl mit tollem Verkauf. Das ist trotz
aller Horror-Maskerade bestens zu erkennen. Bis zu sechs Keulen
jongliert er gleichzeitig. Vollgas gibt er mit drei Keulen auf einer
ausfahrbaren Plattform in der Bühnenmitte. Angetrieben wird er dabei
von Nosferatu, der von seinem Thron aus zusieht. Nach so viel Tempo
dürfen wir bei Senayt Asefas Darbietung entspannen – zumindest ein
wenig. Die Kontorsionistin aus Afrika verbiegt ihren Körper auf extreme
Weise und verbindet dies mit Handstandakrobatik. Auch sie zeigt ihre
Nummer effektvoll auf dem erhöhten Plateau.
Maleficus (Milano Kaiser), Monika Sperlich, Maik und Siegfried Sperlich
Zwei
Mönche fahren eine Pritsche mit einem verhüllten, offensichtlich
leblosen Körper herein. Die unten herausguckenden großen Schuhe und der
darauf platzierte Zylinder lassen ahnen, wer in der Kunststoffhülle
liegt. Da der Übergang zwischen Leben und Tod hier ohnehin fließend zu
sein scheint, spaziert die vermeintliche Leiche sogleich über die
Bühne. Der von Milano Kaiser verkörperte Clown Maleficus hat allerlei
derbe Späße im Repertoire. In Zuschauer Tobi findet er an diesem Abend
einen willigen Mitspieler. Tobi muss als Hund an der Leine über die
Bühne krabbeln und am Messerbrett seinen Mann stehen. Kaiser spielt
seinen Part zwischen Sadist und Spaßmacher überzeugend. Seine Figur
passt gut in den Rahmen. Eingeleitet vom Ballett erleben wir Monika
Sperlich in einem langen weißen Kleid mit Brandlöchern als Hula
Hoop-Artistin. Bis auf eine Sequenz arbeitet sie ihre Kür mit
brennenden Reifen. Mit diesen um ihre Hüfte kreisend lässt sie sich
sogar in die Luft ziehen. Noch höher hinaus geht es für ihren Bruder
Maik. Gemeinsam mit seinem Cousin Siegfried Sperlich fegt er über das
Todesrad. Nach einer verletzungsbedingten Pause zeigt das Duo wieder
sein volles Repertoire. Der doppelte Außenlauf ist dabei, das
Seilspringen, das Laufen mit verbundenen Augen sowie im Handstand. Ein
starkes Repertoire, das mit einem tollen Lichtdesign, Feuereffekten und
beleuchteten Rädern noch aufgewertet wird. Der Knalleffekt vor der
Pause bleibt glücklicherweise aus. Tobi darf seinen Plastiksitz auf dem
Gradin gegen einen elektrischen Stuhl auf der Bühne eintauschen. Dank
einer unterbrochenen Starkstromleitung findet die von Maleficus
eingefädelte Aktion ein glückliches Ende.
Duo Dark Blood (Marlen Kaiser und Sonny Quaiser), René Sperlich, Mad Saints
Zu
Beginn des zweiten Teils steht die Streckbank bereit. Darauf liegt
Marlen Kaiser, die nach kurzer Zeit erlöst wird, um gemeinsam mit Sonny
Quaiser eine blutige Luftnummer an den Strapaten zu arbeiten. Beim Duo
Dark Blood übernimmt durchaus auch die Frau den tragenden Part. Wobei
dieser eigentlich Virgilia Riedesel gehört, die aber an diesem Abend
von eben Marlen Kaiser vertreten wird. Der nächste Auftritt ist für
mich der stimmungsvollste. Das in Kutten gehüllte Ballett kommt mit
Fackeln von den Zuschaueraufgängen des Gradins. Mit dem Feuer entzünden
sie einen pyramidenförmigen Scheiterhaufen. Auf dessen Spitze beginnt
René Sperlich in Nebelschwaden gehüllt seine Equilibristik. Er
präsentiert kraftvoll variantenreiche Handstände, Klötzchentrick
inklusive. Eine eindrucksvolle Leistung, die zudem noch besonders
geschmackvoll aufgemacht ist. Nadeln durch diverse Körperteile stecken,
mit einem Bohrer die Nase bearbeiten oder mit einem Tacker die Haut
durchstechen – das sind die Spezialitäten der Mad Saints. Derartige
Freaks, wie sie das Programmheft bezeichnet, gehören wohl zu einer
Horrorr-Show dieser Art einfach dazu. Dankenswerterweise wird das
Hochziehen einer Person an durch die Haut gesteckten Haken nicht in
jeder Vorstellung zelebriert. Danach kommt noch einmal Maleficus, der
als Richter von der Kanzel den Angeklagten Tobi zum Tod durch die
Guillotine verurteilt, da er seine Freundin entjungfert haben soll. Die
Exekution folgt sogleich. Vom Ballett begleitet wird Schwester Enrica
(Stauberti) an den Haaren aufgehängt. Ihre Zopfhangnummer ist bekannt,
wobei sie hier auf Jonglagen verzichtet. Dafür halten sie die
Tänzerinnen ordentlich in Bewegung.
Zsofi Nemeth, Gino Kaselowsky, Finale
Ganz
hervorragend gefällt mir der Auftritt des Duo Rolling Wheel. Ferenc
Nagy und Zsofi Nemeth haben sich eine wunderbare Duo-Performance an
zwei Rhönrädern aufgebaut. Das sinnliche Zusammenspiel endet zwar
tragisch (er erschießt sie), ist aber herrlich anzusehen. Die Ungarn
harmonieren perfekt.
Sie fahren zusammen auf einem Rad oder springen von einem zum anderen.
Sehr sehenswert zudem der Kopfstand von Ferenc auf dem Rhönrad sowie
beider Zwei-Personen-Hoch. Groß aufgemacht ist die Schlussnummer.
Natürlich sehen wir das Ballett. Artisten jagen auf Motorrädern und
Quads über die Bühne. Es gibt nicht nur Feuersäulen, die aus dem Boden
aufsteigen, sondern auch Feuerspiele. Gino Kaselowsky schluckt und
spuckt Flammen. Höhepunkt aber sind die Freefighters, die mit ihren
Geländemaschinen durch die Luft springen. Damian Chyla und Martin
Gläser haben ihre Motorräder perfekt im Griff, sorgen aber trotzdem für
jede Menge Nervenkitzel. Das Finale wurde ebenfalls umfangreich
inszeniert. Auf dem ausgefahrenen Podest ist Nosferatu – umringt vom
Ballett – der Mittelpunkt des Geschehens. Er spricht die
schaurig-schönen Schlussworte. Die Artisten bewegen sich um ihn herum
und verabschieden sich dann im Restaurationszelt endgültig vom
Publikum.
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