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Zirkus des Horrors - Tour 2016
www.zirkusdeshorrors.de ; 110 Showfotos

Berlin, 17. April 2016: Das Horror-Konzept der Familie von Rosemarie und Joachim Sperlich ist drei Jahre nach dem Start bestens eingespielt. Inzwischen stehen nur Großstädte auf dem Tourneeplan, in denen mindestens zwei Wochen gespielt wird. Es braucht einfach Zeit, bis sich rumgesprochen hat, was im Zirkus des Horrors geboten wird. Das dauert gut eine Woche. Oftmals stand das rot-gelbe Chapiteau dann schon in der nächsten Stadt, wie Tourneemanager Kevin Leppien erzählt. Deswegen wurden die Gastspieldauern verlängert. Und so ist die vorletzte Sonntagsvorstellung in Berlin dann auch richtig gut besucht.

Mit dem bisherigen Verlauf des inzwischen zweiten Besuchs in der Hauptstadt sind die Macher vollauf zufrieden. Das Publikum ist übrigens bunt gemischt. Neben "Normalbürgern" findet man viele Besucher, denen man den Hang zur Horror-Szene durchaus ansieht.


Ballett

Bestens eingespielt ist zudem die Grusel-Show. Das neue Programm "Inquisition – Die Folterkammer“ hatte im letzten Herbst Premiere und wurde kontinuierlich weiterentwickelt. So wurden etwa für Opening und Todesrad eigene Musikstücke produziert. Originalmusik sollen perspektivisch die ganze Show begleiten. Das Licht erzeugt die passenden Stimmungen und wird perfekt eingesetzt. Natürlich gibt es jede Menge Feuer- und Raucheffekte. Die vielfältigen Kostüme sind dem Thema angepasst, und die Masken erfordern einen hohen Aufwand. Ein vierköpfiges Ballett ist dabei, ebenso wie unser gruseliger Gastgeber Nosferatu alias Giovanni Biasini. Die Show hat eine perfekte Choreographie und tolle Artisten. Der "Spaß" beginnt aber schon vor der Vorstellung. Der Weg ins düster dekorierte Vorzelt führt durch ein Grusellabyrinth, wo wir von einer Vielzahl von Erschreckern begrüßt werden. Diese treiben auch in der Gastronomie und im Chapiteau ihr Unwesen. Kaum ein Zuschauer ist vor ihnen sicher. Dankenswerterweise lassen Sie uns während der Show in Ruhe. Die Schock-Effekte auf der Rundbühne sorgen schon für ausreichendes Schaudern.


Marlen Kaiser, Cyril Pitlak, Senayt Asefa

Gleich im Opening bekommen wir einige sehr „anregende“ Szenen geboten. So wird etwa eine am Strick hängende Frau gen Kuppel gezogen. Spätestens jetzt ist den Besuchern klar, dass die folgenden zweieinhalb Stunden kein Kindergeburtstag werden. Nosferatu begrüßt uns in seinem Reich und erweckt die in einem Bett liegende Marlen Kaiser zum Leben. Mit blutigem Gesicht arbeitet sie am Schwungseil. Insbesondere der Abfaller zum Schluss sorgt für einen zusätzlichen Schockeffekt. Das Ballett befreit einen jungen Mann mit weiß geschminktem Gesicht aus einer Holzkiste. Als durchgeknallter Jongleur lässt Cyril Pitlak, alias Cylios, seine silbernen Keulen fliegen. Der junge Franzose ist eine echte Entdeckung. Er ist nicht nur ein versierter Artist, sondern ebenfalls ein sympathischer Kerl mit tollem Verkauf. Das ist trotz aller Horror-Maskerade bestens zu erkennen. Bis zu sechs Keulen jongliert er gleichzeitig. Vollgas gibt er mit drei Keulen auf einer ausfahrbaren Plattform in der Bühnenmitte. Angetrieben wird er dabei von Nosferatu, der von seinem Thron aus zusieht. Nach so viel Tempo dürfen wir bei Senayt Asefas Darbietung entspannen – zumindest ein wenig. Die Kontorsionistin aus Afrika verbiegt ihren Körper auf extreme Weise und verbindet dies mit Handstandakrobatik. Auch sie zeigt ihre Nummer effektvoll auf dem erhöhten Plateau.


Maleficus (Milano Kaiser), Monika Sperlich, Maik und Siegfried Sperlich

Zwei Mönche fahren eine Pritsche mit einem verhüllten, offensichtlich leblosen Körper herein. Die unten herausguckenden großen Schuhe und der darauf platzierte Zylinder lassen ahnen, wer in der Kunststoffhülle liegt. Da der Übergang zwischen Leben und Tod hier ohnehin fließend zu sein scheint, spaziert die vermeintliche Leiche sogleich über die Bühne. Der von Milano Kaiser verkörperte Clown Maleficus hat allerlei derbe Späße im Repertoire. In Zuschauer Tobi findet er an diesem Abend einen willigen Mitspieler. Tobi muss als Hund an der Leine über die Bühne krabbeln und am Messerbrett seinen Mann stehen. Kaiser spielt seinen Part zwischen Sadist und Spaßmacher überzeugend. Seine Figur passt gut in den Rahmen. Eingeleitet vom Ballett erleben wir Monika Sperlich in einem langen weißen Kleid mit Brandlöchern als Hula Hoop-Artistin. Bis auf eine Sequenz arbeitet sie ihre Kür mit brennenden Reifen. Mit diesen um ihre Hüfte kreisend lässt sie sich sogar in die Luft ziehen. Noch höher hinaus geht es für ihren Bruder Maik. Gemeinsam mit seinem Cousin Siegfried Sperlich fegt er über das Todesrad. Nach einer verletzungsbedingten Pause zeigt das Duo wieder sein volles Repertoire. Der doppelte Außenlauf ist dabei, das Seilspringen, das Laufen mit verbundenen Augen sowie im Handstand. Ein starkes Repertoire, das mit einem tollen Lichtdesign, Feuereffekten und beleuchteten Rädern noch aufgewertet wird. Der Knalleffekt vor der Pause bleibt glücklicherweise aus. Tobi darf seinen Plastiksitz auf dem Gradin gegen einen elektrischen Stuhl auf der Bühne eintauschen. Dank einer unterbrochenen Starkstromleitung findet die von Maleficus eingefädelte Aktion ein glückliches Ende.


Duo Dark Blood (Marlen Kaiser und Sonny Quaiser), René Sperlich, Mad Saints

Zu Beginn des zweiten Teils steht die Streckbank bereit. Darauf liegt Marlen Kaiser, die nach kurzer Zeit erlöst wird, um gemeinsam mit Sonny Quaiser eine blutige Luftnummer an den Strapaten zu arbeiten. Beim Duo Dark Blood übernimmt durchaus auch die Frau den tragenden Part. Wobei dieser eigentlich Virgilia Riedesel gehört, die aber an diesem Abend von eben Marlen Kaiser vertreten wird. Der nächste Auftritt ist für mich der stimmungsvollste. Das in Kutten gehüllte Ballett kommt mit Fackeln von den Zuschaueraufgängen des Gradins. Mit dem Feuer entzünden sie einen pyramidenförmigen Scheiterhaufen. Auf dessen Spitze beginnt René Sperlich in Nebelschwaden gehüllt seine Equilibristik. Er präsentiert kraftvoll variantenreiche Handstände, Klötzchentrick inklusive. Eine eindrucksvolle Leistung, die zudem noch besonders geschmackvoll aufgemacht ist. Nadeln durch diverse Körperteile stecken, mit einem Bohrer die Nase bearbeiten oder mit einem Tacker die Haut durchstechen – das sind die Spezialitäten der Mad Saints. Derartige Freaks, wie sie das Programmheft bezeichnet, gehören wohl zu einer Horrorr-Show dieser Art einfach dazu. Dankenswerterweise wird das Hochziehen einer Person an durch die Haut gesteckten Haken nicht in jeder Vorstellung zelebriert. Danach kommt noch einmal Maleficus, der als Richter von der Kanzel den Angeklagten Tobi zum Tod durch die Guillotine verurteilt, da er seine Freundin entjungfert haben soll. Die Exekution folgt sogleich. Vom Ballett begleitet wird Schwester Enrica (Stauberti) an den Haaren aufgehängt. Ihre Zopfhangnummer ist bekannt, wobei sie hier auf Jonglagen verzichtet. Dafür halten sie die Tänzerinnen ordentlich in Bewegung.


Zsofi Nemeth, Gino Kaselowsky, Finale

Ganz hervorragend gefällt mir der Auftritt des Duo Rolling Wheel. Ferenc Nagy und Zsofi Nemeth haben sich eine wunderbare Duo-Performance an zwei Rhönrädern aufgebaut. Das sinnliche Zusammenspiel endet zwar tragisch (er erschießt sie), ist aber herrlich anzusehen. Die Ungarn harmonieren perfekt. Sie fahren zusammen auf einem Rad oder springen von einem zum anderen. Sehr sehenswert zudem der Kopfstand von Ferenc auf dem Rhönrad sowie beider Zwei-Personen-Hoch. Groß aufgemacht ist die Schlussnummer. Natürlich sehen wir das Ballett. Artisten jagen auf Motorrädern und Quads über die Bühne. Es gibt nicht nur Feuersäulen, die aus dem Boden aufsteigen, sondern auch Feuerspiele. Gino Kaselowsky schluckt und spuckt Flammen. Höhepunkt aber sind die Freefighters, die mit ihren Geländemaschinen durch die Luft springen. Damian Chyla und Martin Gläser haben ihre Motorräder perfekt im Griff, sorgen aber trotzdem für jede Menge Nervenkitzel. Das Finale wurde ebenfalls umfangreich inszeniert. Auf dem ausgefahrenen Podest ist Nosferatu – umringt vom Ballett – der Mittelpunkt des Geschehens. Er spricht die schaurig-schönen Schlussworte. Die Artisten bewegen sich um ihn herum und verabschieden sich dann im Restaurationszelt endgültig vom Publikum.

Mit „Inquisition“ überzeugt der Zirkus des Horrors auf ganzer Linie. Die Show ist äußerst professionell, sie wurde perfekt zusammengestellt. Die Inszenierung ist wirklich aufwendig und sehr stimmig. Bei der Auswahl des Ensembles hat die Familie Sperlich ein gutes Händchen bewiesen. Diese Produktion ist wirklich sehenswert. Einzig die Frage, ob ihm das Horror-Genre zusagt, muss jeder für sich selbst beantworten.

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Text und Fotos: Stefan Gierisch